Hühnerhaltung:"Sie haben zwar ein kurzes Leben, aber dafür ein schönes"

Lesezeit: 3 min

Florian Bock betreibt Landwirtschaft aus Leidenschaft. (Foto: Angelika Bardehle)

Weil Moni und Florian Bock Nutztieren eine würdevolle Existenz zugestehen wollen, halten sie in Sauerlach ihre Hühner im Freien. Wegen der Vogelgrippe ist das nicht mehr überall möglich.

Von Conie Morarescu, Unterhaching/Sauerlach

Vogeltierärztin Heike Reball aus Unterhaching kümmert sich nicht nur um Papageien und Wellensittiche, sie betreut auch Hühner, überwiegend von privaten Besitzern. Eigene Hühner im Garten, das war für die Generation unserer Großeltern noch etwas Alltägliches. Nicht nur, dass die Selbstversorgung mit Eiern gewährleistet war, so ein Huhn wurde auch geschlachtet, wenn seine Zeit gekommen war und landete in der Suppe. Der Umgang mit dem Tod dieser Haustiere, die gleichzeitig nun einmal Nutztiere waren, war damals ein ganz anderer als heute.

Mittlerweile sind Hühner im Garten wieder häufiger anzutreffen, doch schlachten wollen nur sehr wenige private Halter, wie Tierärztin Reball berichtet. Die Hühner haben bei vielen Familien denselben Status wie andere Haustiere und sterben an Altersschwäche und nicht für die Suppe. Sie dürfen am Leben bleiben, auch wenn sie kaum mehr Eier legen.

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Nun ist das Ei bekanntlich ein Symbol des Lebens, zu Ostern steht es für die Auferstehung Jesu Christi. Es symbolisiert nicht nur das Leben, sondern vor allem die Neuentstehung von Leben. In der leblosen Schale verbirgt sich das nahrhafte Potenzial für neues Leben. Das Ei steht für Vergehen und Entstehen. Tod und Geburt. Daher ist es das passende Symbol für das Osterfest, das mit dem Frühling neues Erwachen nach dem zähen Winter bringt.

Wer auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, der ist immer wieder mit dem Kreislauf der Natur konfrontiert. Tote Tiere sind dort keine Tragödie, sondern Alltag. Tiere sterben, damit andere Tiere leben können, das gehört zum Lauf der Dinge. "Wenn ich ein Huhn schlachte, dann fällt mir das nicht leicht, aber ich weiß, dass sein Tod einem Zweck dient, nämlich, dass wir essen dürfen", so schildert es Florian Bock.

Seine Frau Moni und er sind gerade dabei, einen kleinen Bioland-Betrieb mit freilaufenden Legehennen und Masthähnchen aufzubauen. Angefangen hat es mit drei Hühnern im Garten für die Selbstversorgung. Das sprach sich in der Nachbarschaft herum, sodass die Eier schnell nicht mehr reichten. Mehr Hennen mussten her. Bald werden 80 Legehennen auf dem kleinen Hof in Altkirchen bei Sauerlach ein vorübergehendes Zuhause finden.

Florian Bock ist auf selbst einem Bauernhof groß geworden, den dann seine Schwester übernommen hat. "Landwirtschaft ist meine Leidenschaft", sagt der Maurer, der in Sauerlach beim Gemeinde-Bauhof angestellt ist. Seine Frau Moni kümmert sich um die Vermarktung von "Bocks Weidehendl". Der siebenjährige Sohn Beni freut sich über die Küken. Alle zwei Wochen wird eine Ladung Eier in Unterhaching vor dem Geschäft Pflanzen Kölle verkauft, eine weitere Ladung wird nach Oberhaching gebracht.

"Es ist auch eine philosophische Frage, in welchem Verhältnis wir Menschen zu den Tieren stehen"

Der Verkauf findet auf Vorbestellung und aus dem Kofferraum statt. Reine Direktvermarktung. "Die Nachfrage ist sehr groß, ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass wir die Eier nicht losbekommen. Wir brauchen nicht an Läden zu verkaufen", erklärt Moni Bock. Sie wünscht sich außerdem den direkten Kontakt zu den Kunden: "Ich finde es sehr wichtig, dass unsere Kunden sehen können, wie die Hühner gehalten werden. Sie können uns natürlich auf dem Hof besuchen." Die Legehennen werden nach einem Jahr geschlachtet und als Suppenhühner verkauft. "Dann legen sie nicht mehr genügend Eier", sagt Florian Bock. "Sie haben zwar ein kurzes Leben, aber dafür ein sehr schönes."

In einigen Gemeinden im Landkreis müssen die Hühner momentan im Stall oder unter einer Überdachung bleiben wegen der sich ausbreitenden Vogelgrippe. Die Aufstallungspflicht gilt für alle Geflügelhalter, ob gewerblich oder privat. Das betrifft vor allem die Kommunen, in deren Umgebung Gewässer und Biotope Wildvögeln einen Aufenthalt bieten und durch den Kontakt, auch mit dem Kot, Ansteckungsgefahr besteht. Familie Bock ist nicht davon betroffen, ihre Hühner dürfen sich am Frühjahrserwachen erfreuen.

Mit seiner Frau Moni baut Bock einen Hühnerhof auf. (Foto: Angelika Bardehle)

Tierärztin Heike Reball betreut ausnahmsweise die Tiere der Familie Bock, da es sich um einen sehr kleinen Betrieb handelt. Das bayerische Landesamt für Statistik berücksichtigt in der Eierstatistik Betriebe ab mindestens 3000 Hennen. 1,1 Milliarden Eier wurden in Bayern 2020 gelegt. Der Trend geht nach wie vor zu größeren Betriebseinheiten. Doch die wachsende Nachfrage nach Bio-Eiern und das steigende Bedürfnis, selbst Hühner im Garten zu halten, zeigt, dass die Menschen das Schicksal der Hühner nicht kalt lässt. Brutale Praktiken der Geflügelhaltung wie das Kükenschreddern bei der Eierproduktion sind medial stark verbreitet worden. "Lieber, die Halter vermenschlichen ihre Hühner, empfinden aber dafür Empathie für die Tiere", findet Heike Reball. "Es ist auch eine philosophische Frage, in welchem Verhältnis wir Menschen zu den Tieren stehen."

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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