Max-Planck-Institut für Plasmaphysik:Habeck lässt sich in Garching den Stand der Kernfusion-Forschung erklären

Lesezeit: 3 min

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die hat laut Direktorin Sibylle Günter zuletzt große Fortschritte gemacht. Doch bis auf diese Weise CO₂-frei Energie erzeugt wird, könnte es noch Jahrzehnte dauern.

Von Sabine Wejsada, Garching

Wenn Robert Habeck kommt, sind die Bauern nicht weit. Am Freitagmittag versammelt sich ein versprengtes Grüppchen in gelben Westen, mit Trillerpfeifen und drei Traktoren am U-Bahnaufgang vor dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik auf dem Garchinger Forschungscampus und wartet auf den Bundeswirtschaftsminister.

Doch der Grünen-Politiker tut ihnen nicht den Gefallen, direkt vorbeizufahren auf seinem Weg zur Münchner Sicherheitskonferenz in die Innenstadt. Die Polizeieskorte nimmt die von zahlreichen Einsatzwagen abgeschirmte Einfahrtspur und entschwindet. Ohne dass die Bauern aus dem Freisinger Land auch nur einen Blick auf und ein paar Worte an den Vizekanzler richten können - was natürlich reichlich Geschimpfe verursacht.

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Vor dem kurzen Aufeinandertreffen mit den Bauern in Garching hat sich Habeck von Wissenschaftlern und Forschern den Kernfusionsreaktor des Marx-Planck-Instituts erklären lassen - zusammen mit dem bayerischen Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Bei der Kernfusion werden Atomkerne nicht gespalten, sondern miteinander verschmolzen, wie es auf der Sonne geschieht. Im Falle eines Durchbruchs könnten Fusionskraftwerke CO₂-frei Energie erzeugen.

Bis der Prototyp stehen könnte, dürften laut der wissenschaftlichen Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching, Sibylle Günter, womöglich 20 Jahre vergehen und Investitionen von 20 Milliarden Euro nötig sein. Wer den nächsten Schritt bezahlen soll, um die Erkenntnisse der Forscher in der Praxis umsetzbar zu machen, könne er nicht sagen, sagt Habeck. Für den aktuell notwendigen Umbau der Energieversorgung in Deutschland spielt die Kernfusion nach Einschätzung des Vizekanzlers momentan jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch stellt sie nach seinen Worten eine "super spannende Perspektive" dar, Forschung und Entwicklung sollten weiter vorangebracht werden. Herrmann verspricht, dass Bayern die Forschung weiter fördern werde, um jede Unterstützung aus Berlin sei man dankbar.

Sibylle Günter ist Professorin und wissenschaftliche Leiterin im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Am Freitag begrüße sie neben Robert Habeck (rechts) auch Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (links). (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dass die Fusionsforschung in den vergangenen zwei Jahren beachtliche Erfolge erzielt hat, davon berichtete Günter den Ministern. "Das lässt uns den Traum einer nahezu unerschöpflichen Energiequelle sozusagen näher erscheinen." Das Rennen um ein erstes funktionierendes Fusionskraftwerk habe weltweit bereits begonnen, sagt Günter: "Ich denke, die Frage ist nicht mehr, ob es eins geben wird, sondern nur noch wann und wo." China und Großbritannien hätten die Weichen bereits gestellt. Und das solle auch in Deutschland geschehen, dem Weltmarktführer, was die Magnetfusion angeht.

Das Prinzip der Fusion ist einfach: Wie in der Sonne werden bei großer Hitze Wasserstoffatome zu Helium verschmolzen, die frei werdende Energie versorgt etwa die Erde mit Licht und Wärme. Diese Energie könnte auch ein Fusionskraftwerk liefern. Bei der Magnetfusion wird ein mehr als 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma mit einem Magnetfeld eingeschlossen, in dem Plasma verschmelzen leichte Atomkerne, die dabei große Mengen an Energie in Form von Wärme freisetzen. Anders als in Kernkraftwerken, in denen Atome gespalten werden, kann es in Fusionsanlagen im Falle einer Störung nicht zu verheerenden Unfällen mit der Freisetzung von radioaktiver Strahlung kommen, weil die Temperatur fällt und die Reaktion abbricht.

Rohre, Kabel Schächte: Blick ins Innere der Fusionsforschung am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In der großen Experimentierhalle in Garching ist vor allem eins zu sehen: Viele Rohre, Kabel, Schächte, Steuerungsmodule und sogar ein Looping umranken das große Versuchsmodell, das sich über verschiedene Ebenen erstreckt und in dessen Inneren sich die Fusion abspielt. Zutritt haben nur Mitarbeiter oder Ehrengäste. Im Besucherzentrum des Instituts für Plasmaphysik können sich Interessierte über all das, was hinter verschlossenen Türen erforscht wird, informieren. Dort kann man mit seinen Händen die Strahlen in einer Plasma-Kugel lenken.

Mit mehr als 1100 Mitarbeitern ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching und Greifswald nach eigenen Angaben eines der größten Zentren für Fusionsforschung in Europa. An beiden Standorten untersuchen Wissenschaftler den Einschluss von heißen Wasserstoff-Plasmen in Magnetfeldern, entwickeln Anlagen zur Plasma-Heizung sowie Messverfahren zur Analyse der Eigenschaften des Plasmas.

Im Besucherzentrum des Instituts zeigt Professor Arne Kallenbach, wie eine Plasma-Kugel auf das Handauflegen reagiert. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Unter anderem beschäftigen sich die Forscher mit Magnetfeldtechnik, Datenerfassung und -verarbeitung sowie Materialforschung. Im vergangenen Jahr stand den Wissenschaftlern ein Budget von mehr als 146 Millionen Euro zur Verfügung; Finanzierungsträger sind nach Institutsangaben der Bund mit 113,5 Millionen Euro, die Länder Bayern und Mecklenburg-Vorpommern mit zusammen 12,1 Millionen Euro sowie die EU mit 19 Millionen Euro. Hinzu kommen 1,8 Millionen Euro Drittmittel.

Das Institut ist Teil des europäischen Fusionsprogramms im Rahmen des "European Consortium for the Development of Fusion Energy". Das Konsortium wird von Garching aus koordiniert und umfasst 30 Fusionszentren aus 25 Ländern der Europäischen Union sowie der Schweiz, der Ukraine und Großbritannien.

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