Schwammerlsuche:Immer schön auf der Hut sein

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Frau vom Fach: Brigitte Fiedler aus Taufkirchen bietet für die Bayerische Mykologische Gesellschaft Führungen ins Unterholz an. (Foto: Bernhard Radke/oh)

Welche Pilze sind schmackhaft, von welchen lässt man lieber die Finger? Pilzberaterin Brigitte Fiedler hat heuer schon mindestens ein Leben gerettet.

Von Michael Morosow

Reiner Firnau ist ein Schwammerlsucher, wie er im Buche steht, und so würde er seinen Begleiter am liebsten mit verbundenen Augen zu seinen geheimen Plätzen hier im südlichen Landkreis führen. Sein Handy deaktivieren muss dieser aber schon; er könnte sonst die geheime Lage des Waldstücks speichern und dorthin zurückkehren. Und dann würde der Unterhachinger wohl giftig werden. Er kenne drei Feinde von Pilzsuchern: Würmer, Schnecken und andere Pilzsucher, begründet der 74-jährige Unterhachinger seine Vorsicht, die er auch beim Sammeln walten lässt.

Sein Auge hat er auf Rotkappen, Birkenpilze, Steinpilze und Pfifferlinge scharf gestellt. Von anderen Schwammerln lässt er lieber die Finger, wie etwa von dem Perlpilz, der vor ihm aus dem moosigen Waldboden herausblitzt. "Den nehm ich nicht mit, der ist leicht mit dem tödlichen Pantherpilz zu verwechseln", sagt der gebürtige Donauschwabe. Auch ein Maronenröhrling darf stehen bleiben, erst Recht nachdem das Bundesamt für Strahlenschutz kürzlich nachdrücklich vor radioaktiv belasteten Pilzen gewarnt hat und explizit neben den gelbstieligen Trompetenpfifferlingen und verschiedenen Schnecklingsarten wie jedes Jahr nach Tschernobyl auch die Maronen nannte.

"Mit Steinpilzen schaut's heute schlecht aus", orakelt der Experte - und sollte Recht behalten. Der Steinpilz, ungekrönter König der Schwammerl, hat sich heuer etwas rar gemacht, dafür steht viel Fußvolk herum. Und so spricht Brigitte Fiedler, geprüfte Pilzberaterin aus Taufkirchen, jetzt schon von einem "gemischten Schwammerljahr 2021", obwohl dieses noch nicht zu Ende ist.

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Die Morchelsaison im Frühjahr sei fantastisch gewesen, wie auch die Pfifferlingsaison. "Die Leute haben sich vor Reherl gar nicht retten können", sagt die Expertin, die auf ihren Streifzügen durch die heimischen Wälder eine für sie erfreuliche Erkenntnis gewonnen hat: "Man sieht heuer vermehrt sehr seltene Pilze, die vom Aussterben bedroht sind", sagt sie und nennt als Beispiel den goldfarbenen Glimmerschüttling, der in älterer Literatur meist als exzellenter Speisepilz bewertet, mittlerweile aber als gesundheitlich bedenklich eingestuft wird.

Nur zwei Kilogramm pro Person dürfen gepflückt werden. Zwei Rentner hatten 15 Kilo

Brigitte Fiedler, seit 2018 Pilzberaterin der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft (BMG), bietet Paaren, Familien und Firmen Pilzführungen an, zu ihr kann man aber auch mit seinen selbst gesammelten Pilzen kommen, damit sie mit ihrem geschulten Auge mögliche Giftpilze erkennen und aussortieren kann. Immerhin stehen von circa 8000 Pilzarten nur 100 auf der Liste empfohlener Speisepilze. Der Trend zum Schwammerlsuchen sei seit Ausbruch der Coronapandemie gestiegen, wie auch die Nachfrage nach ihren Kursen und Seminaren, berichtet sie. Heuer habe sie auch vermehrt junge Menschen mit Körben durch den Wald streifen gesehen. Mindestens die Gesundheit eines Sammlers hat sie heuer schon gerettet, indem sie aus einem Korb Spitzgebuckelte Rauköpfe entfernt hat, tödlich giftige Blätterpilze. Einen weiteren Korb hat sie um einen Spitzschuppigen Schirmling erleichtert, den der Finder wohl mit einem Parasol verwechselt hatte. Heftige Magen-Darm-Beschwerden sind diesem so erspart geblieben. Bedauerlicherweise, so Fiedler, kämen viele Schwammerlsucher oftmals mit einem Korb voller matschiger, verdorbener Pilze bei ihr an und auf die Frage, was sie davon essen dürften, müsse sie meisterns antworten: "Gar nichts."

Der Blick der Pilzberaterin geht aber über die Hüte der Schwammerl hinaus - sie hat auch das Wohl des Waldes und seiner natürlichen Bewohner im Auge. So etwa zieht sie nicht gleich nach Sonnenaufgang los, "so früh stört man das Wild, das auf dem Heimweg ist", sagt sie. Und in ihren Kursen weist sie die Teilnehmer darauf hin, dass laut Bayerischer Verfassung Waldfrüchte nur in ortsüblichem Umfang gesammelt werden dürfen, also nicht mehr als zwei Kilogramm pro Person und Tag, bei geschützten Arten nur ein Kilogramm. Voriges Jahr seien einmal zwei Rentner mit 15 Kilogramm Steinpilzen erwischt worden. Zwei Kilogramm hätten sie behalten dürfen und für den Rest 1300 Euro Strafe bezahlen müssen. Und sie hält Sammler und Spaziergänger auch dazu an, Müll aus dem Wald zu entfernen. Gerrith Hinner, Leiter des Forstreviers Pullach, berichtet, er sehe öfters Schilder stehen mit Aufschriften wie: "Wie würdet ihr das finden, wenn ihr Blindschleichen wäret?" Der Altkirchner Waldbauer Johann Killer legt Wert auf die Feststellung, dass Schwammerl auch den Rehen schmeckten und einen sehr hohen Wert für den Wald hätten, weil sie die Bäume durch ihr unterirdisches Geflecht mit Wasser und Mineralstoffen versorgen und deshalb wichtig für das Ökosystem Wald sind.

Für eine Portion reicht es: Pfifferlinge, auch Reherl genannt, sind bei Pilzkennern wie dem Unterhachinger Reiner Firnau sehr beliebt. (Foto: Claus Schunk)

In einer früheren Fassung hieß es, die zwei Pilzsammler hätten 100 Euro Strafe bezahlen müssen. Tatsächlich mussten sie je Kilogramm, das sie mehr als die erlaubte Menge bei sich hatten, 100 Euro zahlen - insgesamt also 130 Euro.

Reiner Firnau gehört nicht zu den Unersättlichen, er fährt bewusst auch nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad zum Sammeln und geht zudem pfleglich mit seinen geheimen Plätzen um. Er sieht sich auch als Naturschutzreferent des österreichischen Alpenvereins Warnsdorf-Krimml verpflichtet zur Sorgfalt. Behutsam greift er nach einem Pfifferling. "Den dreh ich raus, um das Myzel nicht zu verletzen", sagt er. Einen einzelnen Reizker ("Panieren und in Butter scharf rausbraten!") lässt er stehen. Jetzt schiebt er vorsichtig ein paar Zweige zur Seite und zum Vorschein kommen drei prächtige Pfifferlinge. Wie er die sehen konnte? "Ich hab die Zweigerl vor einer Woche selbst drübergelegt", sagt er und deckt wenige Meter davon entfernt wiederum noch zu kleine Pfifferlinge mit kleinen Zweigen ab - für die Ernte kommende Woche.

Am Ende des kurzen Waldausflugs wird Reiner Firnau mit circa einem Pfund Pfifferlingen den Heimweg antreten. Ein Steinpilz hat sich nicht blicken lassen.

© SZ vom 02.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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