Feuerwerksverbot:Endlich mal ein ruhiger Rutsch

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In diesem Jahr wird der Himmel über München in der Silvesternacht dunkel bleiben. Manch einer freut sich über diese Abwechslung. (Foto: imago images/Overstreet)

Erst Weihnachten ohne Christmette und Verwandtenbesuch, dann auch noch Silvester ohne Party und Feuerwerk. Geht's noch? Ja, natürlich! Es gibt durchaus Menschen, die sich über einen stilleren Jahreswechsel freuen.

Von SZ-Autoren

Der Straßenreiniger

Josef Hauser, der den Baubetriebshof der Gemeinde Brunnthal leitet, hat eine zwiespältige Meinung zum Böllerverbot: "Ich hoffe, dass wir weniger zu tun haben, aber ich bin mir da nicht sicher, ob das eintritt", sagt der Chef der Brunnthaler Straßenreinigung. Er schätze, dass viele Menschen trotzdem böllern werden, jetzt dann eher im privaten Rahmen. "Normalerweise müssen wir den Müll von Straßen entsorgen", sagt Hauser. Davon dürfte heuer weniger anfallen. Dennoch werden zwei Männer des Baubetriebshofs mit einem Fahrzeug am Montag nach Neujahr um 6.30 Uhr ausrücken und in den Straßen nach dem Rechten sehen. "Insgesamt begrüßen wir das Böllerverbot, schon alleine, weil wir in den letzten Jahren ganz schön viel mit den Folgen zu tun hatten - einen ganzen Acht-Stunden-Tag lang."

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Der Feuerwehrkommandant

Wenn das neue Jahr mit Böllern und Raketen begrüßt wird, dann stehen die Feuerwehren seit jeher in Alarmbereitschaft. So seit Jahren auch der Grasbrunner Kommandant Hannes Bußjäger und seine Mannschaft. Für dieses Jahr haben die Einsatzkräfte aber berechtigten Grund zur Hoffnung, dass sie nicht ausrücken müssen, denn wo keine Silvesterraketen gezündet werden, können auch keine Unheil anrichten, zum Beispiel Scheunen und Wohngebäude in Brand setzen. "Es wird wahrscheinlich ruhiger sein, ich hoffe, dass nichts passiert", sagt der Kommandant. Das war zwar auch ohne Corona schon einige Male der Fall gewesen, aber es habe auch Jahre gegeben, da sie gleich zwei Einsätze gleichzeitig hätten fahren müssen. Dabei seien die Feiernden in seinem Einsatzgebiet insgesamt sehr vernünftig. In einer Hochhaussiedlung sehe es anders aus, da sei es jedem auch egal, wer seinen Dreck wegräumt. "Ich weiß, wo ich läuten muss", sagt Bußjäger.

Die Hundebesitzerin

Hunde und Silvester, das ist ein Höllenfeuer, das sich auch davor und über das Fest hinaus erstreckt. Während man sich noch in Sicherheit wähnt und einen Spaziergang in winterlicher Natur unternimmt, passiert es nicht selten, dass am Waldesrand Jugendliche mit Böllern herumzündeln und einen Kanonenknall nach dem anderen in die Stille jagen und der Hund ist: weg. Egal aus welcher Ecke des südöstlichen Landkreises startet er seinen Weg zügig und allein nach Hause. Ein Hinterherkommen ist unmöglich. Die Silvesternacht verbringt er zitternd im Keller in einem Schuhregal, ungeachtet der Bitten und Streicheleinheiten, der lauten Musik und vielen Leckereien, die ihm zur Ablenkung geboten werden. Er bleibt starr in seiner Angst, die sich noch über zwei Wochen nach den Erlebnissen hinziehen kann. Da muss man das arme Tier dann an der Leine hinaus ins Freie zerren, um wenigstens das Notwendigste zu erledigen. Dieses Silvester wird wunderbar.

Martha, die Hündin unserer Fotografin. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Naturschützer

Für die Vögel sei das eine unheimlich gute Nachricht, dass nicht so viel geböllert werde, sagt Gerhard Mebus, Ortsvorsitzender des Bundes Naturschutz in Oberhaching. "Man weiß zwar nicht so viel darüber, wie sich Vögel nachts verhalten", sagt er, fest stehe aber: Wenn sie aufgeschreckt werden und in Stress geraten, weil sie nicht wissen wohin, macht ihnen das sehr zu schaffen. Denn der zusätzliche Kalorienverbrauch mitten im Winter kann verheerende Folgen haben und bis hin zum Tod führen. "Vor allem dauert das ja in der Regel nicht nur zwei Minuten, sondern geht über Stunden", gibt Mebus zu bedenken. Auch andere Tiere, vor allem diejenigen, die Winterschlaf halten, werden in diesem Jahr mehr Ruhe finden. Neben dem Lärm hat er als Naturschützer auch den Feinstaub in der Luft im Blick und eine mögliche Verunreinigung des Grundwassers, wenn Regen die Reste von Raketen und Böllern wegspült.

Der Schöngeist

Seine Bilder entfalten einen Zauber der Stille und des Stillstands. Die Protagonisten darin haben es nicht eilig, mit leisen Pinselstrichen öffnet Quint Buchholz Erzählpforten, die ins Magisch-Realistische führen. Oft ist die Szenerie dabei getaucht in das Blau der Dämmerung oder das nächtliche Mondlicht. Kein Wunder, dass der in Ottobrunn lebende Illustrator und Maler sich auf eine Silversternacht freut, die nicht so laut und durchgeknallt wie sonst ist. "Ich genieße es, wenn es still ist, und ich Raum habe, um Rückschau zu halten", sagt er. Übermäßig Böller in die Luft geschossen hat er ohnehin nie, als die Kinder noch kleiner und im Haus waren, gab's ein bisschen Lichterglanz, aber eher von Wunderkerzen. Heuer wird der 63-Jährige den Jahreswechsel allein verbringen, seine Frau ist zu Besuch bei Verwandten. Schmökern und nachdenken, über ein Jahr, das ungewöhnlich und mitunter schwierig war, aber das einem auch die Gelegenheit gab, "das Langsame wiederzuentdecken" und "die Qualität der Beruhigung" wahrzunehmen. Einsam wird er sich nicht fühlen, "als Maler bin ich es gewohnt, mit mir allein zu sein". Er geht indes davon aus, dass auch in diesem Jahr sein Viertel von manch vereinzeltem Silvesterknaller illuminiert wird. "Ein paar werden sich nicht bremsen lassen." Buchholz ist freilich gelassen genug, sich davon nicht beeinflussen zu lassen in seiner Vorfreude auf das neue Jahr.

Illustrator Quint Buchholz. (Foto: Claus Schunk)

Der Familienvater

Wie kleine Kinder auf die Böllerei reagieren, lässt sich pauschal nicht beantworten. Möglicherweise wachen sie auf, schreien oder zittern gar vor Angst oder aber sie schlafen tief und fest weiter, ohne zu bemerken, was um sie herum passiert. Landrat Christoph Göbel, Vater von drei Kindern, kann das bestätigen: "Mein einer Sohn liebt das Feuerwerk, mein anderer hat sich von Anfang an davor versteckt." Wie es mit "der Kleinen" ist, die in diesem Sommer auf die Welt kam, kann er natürlich noch nicht sagen. Er selbst aber ist froh, dass diesmal nicht so viel geböllert wird, er brauche das nicht, sagt er. Viel wichtiger sei ein gutes Essen.

Die Anti-Böller-Aktivistin

Initiatorin Jutta Maria Geyken. (Foto: Angelika Bardehle)

Jutta Maria Geyken gehört zu den Initiatoren der Bürgerinitiative "Anti-Böller-Aktion" (ABA), die im Herbst 2019 in Neubiberg mit ihrem Antrag gescheitert ist, für die Universitätsgemeinde ein allgemeines Böllerverbot zu erwirken. Jetzt blickt Geyken gespannt, aber auch ängstlich auf die Silvesternacht: "Ich freue mich über alles, das in Richtung Verbot von Silvesterfeuerwerk geht, und begrüße das Böllerverbot zu eintausend Prozent. Aber ich habe Sorge, dass es nicht viel nützt." Geyken fürchtet, dass vermehrt in den eigenen Gärten geböllert wird. Das schade dann sogar mehr, weil dort die Tiere unmittelbar aus ihrem Winterschlaf hochgeschreckt würden und sterben könnten. "Daher wäre ich eher für einen öffentlichen Platz, an dem zentral geböllert wird", sagt sie. Prinzipiell sollte Silvesterfeuerwerk ihrer Meinung nach abgeschafft werden. Es schade Tieren, Menschen und der Umwelt. Außerdem erinnere der Krach sie an Krieg.

© SZ vom 31.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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