Vermisstenfall aufgeklärt:"Wir waren immer ganz nah und doch weit weg"

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Suchte seit September nach seinem vermissten Vater: Wolfgang Langhans. (Foto: Robert Haas)

Fünf Monate suchte Wolfgang Langhans nach seinem Vater - jetzt wurde der vermisste 83-Jährige tot ganz in der Nähe des Altenheims in Lochham gefunden, aus dem er verschwunden war. Wie konnte das passieren?

Von Lisa Marie Wimmer, Gräfelfing

Vor fünf Monaten, am 14. September 2023, verschwand Anton Langhans aus einem Altenheim in Lochham. Nach zermürbenden Monaten der Suche hat seine Familie seit dieser Woche die traurige Gewissheit: Der 83-Jährige ist tot. Ein Bahn-Mitarbeiter entdeckte bei einer Streckenbegehung den Vermissten am Gleisbett - nur wenige hundert Meter vom Altenheim entfernt. Laut Polizeibericht hat die Obduktion keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben.

"Am Anfang war es ein großer Schock, aber irgendwo kam auch Erleichterung auf, dass wir ihn gefunden haben", sagt Wolfgang Langhans, der Sohn des Verstorbenen. "Diese Ungewissheit macht ja was mit einem." Immer wieder hatte sich der 55-Jährige in den vergangenen Monaten gefragt, wo sein Vater sein könnte, ob er bei der Suche etwas übersehen habe. "Diese Phase hat jetzt ein Ende", sagt Langhans.

Wochenlang hatte er alle Hebel in Bewegung gesetzt und nach seinem vermissten Vater gesucht. Während die Polizei mit Einsatzhundertschaft, Reiter- und Hundestaffel auf der Suche nach dem Rentner war, es Aufrufe im Radio sowie eine Öffentlichkeitsfahndung mit Fotos in Zeitungen und in sozialen Netzwerken gab, machte sich die Familie selbst intensiv auf die Suche: An den S-Bahnhaltestellen der S 6 hängten die Angehörigen Fotos und Fahndungsplakate auf, sie suchten den Stadtpark und die Wälder ab, fuhren die Straßengräben an der Autobahn ab, radelten die Würm entlang und engagierten privat Spürhunde. Von der ans Heim angrenzenden Bushaltestelle aus fuhren Familienmitglieder alle Haltestellen ab. Fast täglich rief Langhans bei der Polizei an.

Der Gesuchte, der an Demenz erkrankt war, lebte erst seit Juli 2023 mit seiner Frau in dem Pflegeheim in Lochham. Nach dem Mittagessen verschwand der 83-Jährige am 14. September. Gegen 14 Uhr wurde er noch auf dem Nachbargelände gesehen, doch als man ihn holen wollte, war Anton Langhans verschwunden. Was dann geschah, weiß keiner. "Wir wissen auch nicht, wann und woran er verstorben ist", sagt Wolfgang Langhans. "Wir hoffen für ihn, dass es schnell ging und ohne Schmerzen."

Auch für die Polizei war der Fall außergewöhnlich

Langhans wurde erst einen Tag, nachdem sein Vater gefunden worden war, informiert; die Polizei wollte zunächst sichergehen, dass es sich bei dem Toten tatsächlich um Anton Langhans handelt. Danach machte sich der Sohn sofort auf den Weg zum Fundort. "Wir waren bei unserer Suche bis auf 20 Meter dran", so seine ernüchternde Erkenntnis. Doch die Stelle zwischen einem Entwässerungsgraben an den Bahngleisen und dem verlassenen Grundstück, an dem sein Vater gefunden wurde, sei kaum zu erreichen gewesen und menschenleer. "Wir waren immer ganz nah dran und doch weit weg", resümiert Langhans. "Aber manchmal soll es auch nicht sein."

Auch für die Münchner Polizei war der Vermisstenfall außergewöhnlich. "In der Regel können die meisten Vermisstenfälle zeitnah wieder gelöst werden", sagt Polizeisprecher Werner Kraus. "Wir versuchen immer alles. Aber natürlich brauchen wir auch Anhaltspunkte. Man kann bei einer Vermisstensuche nicht ganz München absuchen." Letztendlich braucht es laut Kraus aber auch immer etwas Glück. Im Fall von Angehörigen, die an Demenz leiden und weglaufen könnten, rät die Polizei zu Handys und anderen technische Möglichkeiten, um diese notfalls orten zu können. Auch Anton Langhans hatte von seinem Sohn einen GPS-Sender in seiner Jacke angebracht bekommen - doch diese trug der Rentner nicht, als er verschwand.

"Am Ende zählt für uns einfach, dass man ihn jetzt gefunden hat und wir ihn der letzten Ruhestätte zuführen können", sagt der Sohn. "Dann wissen wir zumindest genau, wo er zukünftig ist."

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