Landtagswahl: AfD-Kandidat Rainer Gross:Ordnung, Fleiß und Feindbilder

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Rainer Gross spielt Golf zur Entspannung. Sein Handicap will er nicht verraten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Rainer Gross, AfD-Kandidat im Landkreis-Norden, schätzt die preußischen Tugenden und bezeichnet sich selbst als wertkonservativ. Gleichzeitig warnt er vor dem Islam als Staatsreligion und dem Ende der heterosexuellen Ehe.

Von Christina Hertel, Germering

Rainer Gross rudert mit den Armen, kreist mit den Schultern, schwingt seinen Golfschläger hin und her. "Nur ein bisschen locker machen", sagt er, 57 Jahre alt, glattrasiertes Gesicht, kurzes gescheiteltes Haar.

Gross kandidiert für die AfD bei der Landtagswahl im nördlichen Landkreis München. An diesem sonnigen Nachmittag will er auf einem Golfplatz bei Germering Abschläge üben - der Sport helfe ihm beim Runterkommen, sagt er. Dafür hat er sich eine beige Hose angezogen und ein graues Poloshirt aus einem Stoff, der aussieht, als sei er atmungsaktiv. Auf seiner Käppi steckt eine Sonnenbrille. Gross atmet tief durch, dann holt er mit dem Schläger aus. Der Golfball fliegt nicht ganz hundert Meter weit. Dreimal hintereinander geht das so. Jedes Mal murmelt er ein leises "nicht gut".

Rainer Gross ist Jurist, arbeitet bei der Bayerischen Landesbank und ist dort für Stiftungen zuständig. 2014, ein Jahr nach ihrer Gründung, trat er in die AfD ein. Ihn störte, dass Deutschland Griechenland Kredite in Milliardenhöhe gewährte. Doch er blieb in der Partei, als ihr großes Thema längst nicht mehr der Euro war, sondern die Flüchtlinge - als der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland Hitler und die Nationalsozialisten als einen "Vogelschiss" in 1000 Jahren deutscher Geschichte bezeichnete und als die AfD in Chemnitz gemeinsam mit Pegida, Nazis und Hooligans demonstrierte. "Davon kann man nun wirklich nicht ableiten, dass die ganze AfD braun ist", sagt Gross.

Rainer Gross spielt Golf zur Entspannung. Sein Handicap will er nicht verraten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Klug sei das alles zwar nicht gewesen. Einen Anlass, sich davon persönlich zu distanzieren, sehe er aber nicht. "Ich bin bloß ein einfaches Parteimitglied", sagt er. Allerdings eines, das gerne in den Landtag möchte. Und eines, das die Gustav-Stresemann-Stiftung leitet, die dem rechtsnationalen Parteiflügel rund um Alexander Gauland nahesteht.

Deutschlandbild in düsteren Farben

Gross holt noch einmal mit dem Schläger aus, der Golfball fliegt jetzt 50 Meter weiter. "Besser", sagt er. "Tja, so ist das: Erst denken, dann machen, dann klappt es auch." Sein Handicap möchte Gross trotzdem nicht verraten, weil sogar das seiner beiden Söhne besser sei - zehn und elf Jahre alt, beide tragen weiße Käppis einer amerikanischen Golfmarke. Gross sagt, er habe sie mit zum Golfen genommen, weil man bei dem Sport viel Disziplin brauche. Gemeinsam mit ihnen und seiner Frau lebt er in einem Haus in Gauting im Landkreis Starnberg. Er fährt einen silbernen Porsche-SUV, seine Frau kümmert sich um die Kinder und um den Garten. Ein, zwei Mal die Woche spielt auch sie Golf - zum Runterkommen so wie ihr Ehemann. Auf einer Parkbank am Rande des Golfplatzes wird er mit der Abendsonne im Gesicht ein Bild von Deutschland zeichnen, das aus düsteren Farben besteht.

Er wird von Migranten sprechen, die angeblich alle ein Messer in der Tasche haben. Von Muslimen, die reihenweise Ehrenmorde begehen. Von Lehrern, die Grundschüler über 36 Geschlechter aufklären. Und von Menschen, die die Ehe zwischen Mann und Frau am liebsten abschaffen würden. Fragt man genauer nach, was oder wen konkret er meint, verliert sich Gross im Ungefähren.

Wo genau diese Grundschule war? Tja, vielleicht sei es doch gar keine Grundschule gewesen. Ob ihm bewusst sei, dass von den 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland gerade einmal 0,005 Prozent zum militanten Spektrum gehören? Gross atmet einmal tief durch und sagt dann: "Aber wir müssen doch zeigen, dass hier unser Home-Turf ist. Wir dürfen doch nicht einfach einknicken. Der Islam darf nicht Staatsreligion werden." Dass das gar nicht zur Debatte steht, weil es in Deutschland keine Staatsreligion gibt, sagt er nicht.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Gross hat als Protestant auf einem katholischen Gymnasium in Bonn Abitur gemacht. Er bezeichnet sich selbst als "wertkonservativ". In Patchworkfamilien gebe es mehr Probleme, sagt er, den Sinn in der "Ehe für alle" könne er nicht nachvollziehen. Er schätze die preußischen Tugenden: Ordnung, Fleiß, Disziplin. Gross wünscht sich mehr Eigenverantwortlichkeit und weniger einen Sozialstaat, der "alles und jeden subventioniert". Dass das Programm AfD gerade bei diesen Punkten vage ist, sei ihm bewusst. Dass sich Positionen innerhalb der Partei widersprechen, auch. Beim Thema Rente etwa fordern die einen möglichst viel eigene Verantwortung, die anderen eine möglichst große Absicherung durch den Staat. Wie das vereinbar sein soll?

"Man kann nicht erwarten, dass eine so junge Partei Patentlösungen für die ganze Gesellschaft hat", sagt Gross. Aber auch bei seinen eigenen Ideen für Bayern und den Landkreis München wird Gross nicht konkret. Er wünsche sich eine Verbesserung der Infrastruktur. "Der Nahverkehr muss gestärkt werden, aber das Auto darf auch nicht verteufelt werden", sagt er. Wie er sich das beides genau vorstellt, verrät er nicht. Er wolle Einheimischenmodelle fördern, damit sich im nördlichen Landkreis mehr Menschen ein Eigenheim leisten können.

Derzeit kostet ein Quadratmeter in einem neuen Einfamilienhaus im Landkreis München im Schnitt etwa 8078 Euro. Für den Pfleger oder den Kindergärtner wird das wohl selbst mit Einheimischenmodell ein Traum bleiben. "Dem Landkreis München", sagt Gross dann noch, "geht es doch nicht schlecht." Die Sonne verschwindet langsam hinter der Autobahn. Er will jetzt mit seinen Freunden im Klubhaus etwas essen.

Die SZ stellt in loser Folge die Direktkandidaten der sieben größten Parteien im Landkreis vor. Alle Porträts sind nachzulesen unter www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen.

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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