Energiewende:Weiter Weg zur Klimaneutralität

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Wie viel Zeit soll sich der Landkreis nehmen, um die Klimaneutralität zu erreichen? Das Foto zeigt eine Eisberg-Installation beim Arkadien-Festival im Jahr 2023 in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin/)

Ganz Bayern will bis 2040 seine Netto-Emissionen auf null setzen, der Landkreis München nimmt sich dieses Ziel erst für 2045 vor. Das liegt an pessimistischen Einschätzungen aus einzelnen Städten und Gemeinden, stößt aber bei einigen Kreisräten auf Unverständnis.

Von Stefan Galler, Landkreis München

Vor über sieben Jahren hat sich der Landkreis München zum Klimaschutz bekannt. Nun sehen die Landkreispolitiker die Zeit gekommen, dieses Bekenntnis fortzuschreiben: Am Montag hat der Energiewende-Ausschuss des Kreistags einstimmig eine neue "Klimaschutzerklärung 29++" gebilligt. Die Ziele, die darin formuliert werden, gehen einigen Kreisräten aber nicht weit genug - schließlich fallen sie zum Teil sogar hinter die Vorgaben des Freistaates Bayern zurück.

Angestrebt wird laut der Erklärung die Reduktion der jährlichen Pro-Kopf-Emissionen bis zum Jahr 2030 auf 2,9 Tonnen CO₂-Äquivalente; dazu will man laut der Erklärung bis 2045 treibhausgasneutral werden bezüglich Wärme und Strom und - ebenfalls bis 2045 - die vollumfängliche Klimaneutralität erreichen.

Bei der Formulierung dieser Ziele hat man sich laut Philipp Schramek, dem Leiter des Klimainitiative-Projekts 29++ im Landratsamt, an den unterschiedlichen Voraussetzungen der Städte und Gemeinden im Landkreis und deren Angaben orientiert. Während die 2,9 Tonnen CO₂-Äquivalente einen Durchschnittswert aller vorgelegten Daten aus den Kommunen darstellt, musste man beim Zieljahr für die Treibhausgasneutralität das späteste für den Landkreis festlegen, das von den Kommunen genannt wurde.

27 der 29 Städte und Gemeinden haben ihre Daten bislang an den Landkreis weitergegeben, lediglich aus Haar und Ottobrunn wurden keine Klimaschutzziele genannt. Schramek konnte auf Nachfrage von Grünen-Kreisrat Oliver Seth nicht erklären, wieso sich Haar und Ottobrunn verweigert haben: "Die beiden Gemeinden sind im Klimaschutz nicht unaktiv, sie haben auch Klimaschutzmanager. Wieso sie keine Ziele nennen, kann ich nicht beurteilen, vielleicht kommt ja noch was."

Mit der Zielsetzung, im Jahr 2045 klimaneutral zu werden, hat man einen späteren Zeitpunkt bestimmt, als die im Bayerischen Klimaschutzgesetz vorgesehene Marke 2040. Was daran liegt, dass die Stadt Unterschleißheim 2045 als ihr Ziel nannte, um für Wärme und Strom treibhausgasneutral zu werden, und neun weitere Gemeinden, darunter Brunnthal, Ismaning, Oberschleißheim, Planegg und Taufkirchen, jenes Jahr für die generelle CO₂-Neutralität inklusive Verkehr angaben.

Diese defensive Ausrichtung rief bei einigen Kreisräten Unverständnis hervor. Oliver Seth von den Grünen betonte, es entbehre jeder Logik, dass sich der Landkreis für die Energiewende mehr Zeit nehme, als es in einem Gesetz des Freistaats formuliert sei. Zumal einige Kommunen deutlich früher ihre Emissionen auf null stellen wollen, allen voran die Geothermie-Pioniere in Unterhaching, die sogar 2030 anpeilen. Oder Neubiberg, das als Ziel für die Klimaneutralität zwar 2040 angegeben hat, wo es aber eine Initiative gibt, die das bereits 2035 schaffen will.

"Das ist nicht professionell und nicht befriedigend", sagt Manfred Riederle von der FDP

Dementsprechend kritisierte auch FDP-Kreisrat Manfred Riederle die Zielvorgaben: "Das ist nicht professionell und nicht befriedigend. Wir müssen als Landkreis zum Ausdruck bringen, wenn es nicht an uns liegt, dass wir Ziele beim Klimaschutz nicht erreichen", sagte er. Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU) erwiderte, er mache für seine Gemeinde "eine realistische Planung", deshalb habe man den späten Zeitpunkt 2045 für die Klimaneutralität genannt. "Andere nennen möglichst ideale Zielvorstellungen wie Unterhaching", sagte Kern. Was die Emissionen im Straßenverkehr angehe, würde er als Brunnthaler "sofort die Autobahn zumachen", aber das gehe halt nicht. Woraufhin Landrat Christoph Göbel (CSU) grinsend vorschlug, der Parteifreund könne sich ja festkleben.

Abgesehen von dieser humorigen Einlage analysierte Göbel die Verkehrsprobleme mit dem gebotenen Ernst: "Viele Gemeinden haben beim Verkehr 2045 als Ziel für die Klimaneutralität genannt. Die sagen: Wir haben es nicht in der Hand." Man dürfe nicht über deren Aussage "drüberbügeln", er wolle nämlich nicht, "dass sich die Kommunen vom Landkreis nicht gewürdigt sehen". Schließlich säßen am Ende "alle in einem Boot".

Landrat Christoph Göbel (CSU) will das Ziel, Klimaneutralität schon bis 2040 zu erreichen, trotzdem nicht aus den Augen verlieren. (Foto: Claus Schunk)

FDP-Kreisrat Riederle insistierte ein weiteres Mal und sparte nicht mit Kritik am Freistaat Bayern, vor allem, was einen wichtigen Baustein betrifft, den der Landkreis zu einer schnellen Klimaneutralität benötigen würde: "Man nehme nur die Geothermie, da brauchen wir Unterstützung bei Bohrungen und Netzausbau. Das kostet Milliarden-Beträge, aber der Freistaat kommt nicht in die Gänge." Und er wiederholte, dass es die Aufgabe des Landkreises sei, den Leuten zu sagen, woran es krankt.

Letztendlich folgten die Ausschussmitglieder der Anregung Göbels, ein explizites Bekenntnis aufzunehmen, dass man das Jahr 2040 als Ziel für die Klimaneutralität nicht aus den Augen verlieren wolle. Ebenfalls gebilligt wurde der Zusatz, wonach sich auch die "gesamte Gesellschaft des Landkreises" an der Klimaschutzerklärung 29++ beteiligen könne, indem Bürger, Vereine oder Unternehmen eigene Klimaschutzprojekte einreichten, die dann im Kontext mit der Erklärung als Anregung für Nachahmer namentlich oder auch anonym durch den Landkreis veröffentlicht würden.

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