Hundert Tage im Amt:Nah an der Krise

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Abstand halten - das war die Devise bei der konstituierenden Sitzung des neuen Kreistags im Garchinger Bürgerhaus am 11. Mai. (Foto: Claus Schunk)

Der neu gewählte Kreistag des Landkreises wird sich in den kommenden sechs Jahren vor allem mit den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigen müssen. Die Parteien setzen dabei auf Kontinuität und Zusammenarbeit.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Als sich am 11. Mai der neu gewählte Kreistag des Landkreises München im Garchinger Bürgerhaus konstituiert, vermeldet das Landratsamt eine Nachricht, die damals vielen nahe gegangen sein dürfte: Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen wurde binnen 24 Stunden keine einzige Neuinfektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Ein Tag ohne Erkrankung mit Covid-19 - der Landkreis schien die Krise im Griff zu haben.

Dass zu diesem Zeitpunkt aber noch lange keine Normalität eingekehrt war, wurde schon rein optisch deutlich: Meterweit standen die Tische der 70 Kreisräte auseinander, Maskenpflicht galt für alle im Bürgerhaus, bis sie ihren Platz erreicht hatten, Spender mit Desinfektionsmittel standen an allen Eingängen. In diesem Modus tagen die Gremien des Kreistags, der sich momentan in der Sommerpause befindet, noch immer - und möglicherweise ist dies die neue Normalität, die die Kreisräte bei ihrer Arbeit in den kommenden sechs Jahren begleiten wird: Abstand halten und nah an der Krise operieren.

Die Krise trifft auch den Landkreis mit Wucht

Denn nach etwa hundert Tagen im Amt dürfte allen 70 Kreisräten und Landrat Christoph Göbel (CSU) klar sein, dass die Corona-Pandemie auch den so reichen Landkreis München mit Wucht getroffen hat und Nachwirkungen weit über das Jahr 2020 haben wird.

Da hilft es, dass der neu gewählte Kreistag trotz neuer Zusammensetzung sehr schnell in den Arbeitsmodus umgeschaltet hat. Bei der Kommunalwahl am 15. März haben die Wähler die Machtverhältnisse im wichtigsten kommunalen Gremium des Landkreises ja deutlich verschoben: Vor allem die Sozialdemokraten mussten herbe Verluste hinnehmen, büßten etwas mehr als zehn Prozentpunkte ein und wurden mit 13,2 Prozent nur noch drittstärkste Kraft.

Auch die CSU musste Verluste von nahezu fünf Prozentpunkten hinnehmen, stellt mit 36,6 aber weiterhin die mit Abstand größte Fraktion im Gremium. Klare Gewinner der Kreistagswahl waren die Grünen, die ihr Ergebnis im Vergleich zur Wahl vor sechs Jahren um etwas mehr als zehn Prozentpunkte steigern konnten und mit 26,1 Prozent klar die Nummer zwei im Gremium sind.

Neu im Kreistag ist seit dem 15. März die Alternative für Deutschland (AfD), die erstmals mit drei Kreisräten in das Gremium eingezogen ist - und in der konstituierenden Sitzung prompt kaltgestellt wurde. Mit einem neuen Verfahren zur Sitzordnung verhinderten die anderen Fraktionen, dass die AfD Fraktionsstatus erhält - somit können die Rechtspopulisten weder an Sitzungen des Kreisausschusses noch an Sitzungen der anderen Fachausschüsse teilnehmen. In der konstituierenden Sitzung sprach AfD-Kreisrätin von einer "Lex AfD", mit der die "größte Oppositionspartei" von der Partizipation im Kreistag ausgeschlossen werde. Landrat Göbel widersprach und sagte, der Kreistag sei kein Parlament, somit gebe es auch keine Opposition.

Schon in der ersten Sitzung des Gremiums wurde deutlich, dass die Parteien trotz neuer Mehrheitsverhältnisse auf Kontinuität und Kooperation setzen wollen. Zum ersten Stellvertreter von Landrat Göbel wurde mit großer Mehrheit wie in den sechs Jahren zuvor der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch gewählt, ebenfalls wiedergewählt wurden als weitere Stellvertreter Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) und Otto Bußjäger (Freie Wähler). Neu im Amt ist Christoph Nadler von den Grünen, der Göbel in der Stichwahl um den Posten des Landrats unterlegen war.

Es droht der Rotstift

Stetigkeit in unruhigen Zeiten dürfte für den wirtschaftsstärksten Landkreis des Freistaats von Vorteil sein, denn schon in den ersten hundert Tagen wurde deutlich, dass sich der neue Kreistag vor allem mit den Folgen der Corona-Pandemie wird beschäftigen müssen. In den vergangenen Jahren glänzte der Landkreis mit immer neuen Rekordzahlen, zuletzt betrug die Umlagekraft stets mehr als eine Milliarde Euro, die Kommunen verzeichneten immer weiter wachsende Steuereinnahmen, in atemberaubendem Tempo wurde die Bildungslandschaft mit millionenschweren Investitionen zu einer der modernsten der Republik ausgebaut, in immer neuen Machbarkeitsstudien wurden neue Projekte ins Spiel gebracht bis hin zu Seilbahnen, um des drohenden Verkehrsinfarkts Herr zu werden.

Spätestens von kommenden Jahr an - und voraussichtlich darüber hinaus - aber werden die Kreisräte Projekte priorisieren müssen, denn klar ist, den Kommunen brechen landauf, landab Einnahmen aus der Gewerbe- und Einkommenssteuer weg; und das hat spürbare Folgen für den Etat des Landkreises. In Kirchheim etwa hat Bürgermeister und Kreisrat Maximilian Böltl (CSU) bereits angekündigt, bei den Planungen für die Landesgartenschau 2024 genau und "kritisch" auf die Kosten blicken zu wollen.

Wenn sich die Kommunen nicht mehr alles leisten können, wird auch der Landkreis den Rotstift ansetzen müssen. Für kommendes Jahr hat Göbel daher bereits eine Senkung der Kreisumlage ins Spiel gebracht, um die Städte und Gemeinden zu entlasten. Entscheiden werden das aber die Kreisräte - bei den Etatverhandlungen im Winter dieses Jahres.

© SZ vom 17.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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