Krankheit:Der Landkreis hustet und schnieft

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Wiesn-Grippe, Corona oder grippaler Infekt: Im Landkreis München wird seit zwei Wochen geschnieft und gehustet. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Wiesn-Grippe, Corona oder grippaler Infekt: Erkältungskrankheiten haben in den vergangenen zwei Wochen stark zugenommen. Eine echte Welle erwarten Mediziner aber erst in den kommenden Monaten. Das Gesundheitsamt rät zu Impfungen gegen Influenza und Sars-CoV-2.

Von Sabine Wejsada, Landkreis München

Das Oktoberfest ist seit zwei Wochen vorbei - und der Landkreis hustet und schnieft. Gefühlt jeder Zweite liegt mit einer Erkältung flach oder trinkt zumindest Kamillentee mit Honig, damit es nicht noch schlimmer kommt. In den Arztpraxen herrscht Hochbetrieb, und wer schnell einen Termin braucht, weil etwa die Nasennebenhöhlen zu sind, der Kopf wehtut und wegen der ganzen Keucherei an Schlaf nicht zu denken ist, wird freundlich darauf hingewiesen, doch bitte mit einer Maske zu kommen. Das sollte nach drei Jahren Corona selbstverständlich sein, um ja keinen der anderen Patienten im Wartezimmer anzustecken.

Zur sogenannten Wiesn-Grippe, die jedes Jahr nach dem größten Bier- und Virenfest der Welt in München und dem Umland grassiert, gesellen sich derzeit noch Corona und andere grippale Infekte. "Über die Stadt und den Landkreis rauscht eine Infektionswelle", sagt Oliver Abbushi, Allgemeinmediziner in Oberhaching und in den Hochzeiten der Pandemie vom Landkreis München als Versorgungsarzt eingesetzt. Bei den Viren sei alles Mögliche dabei, aber vor allem Sars-CoV-2. Das zeigten die Ergebnisse der Schnelltests in seiner Praxis: "Jeder zweite ist positiv." Die gute Nachricht bei all dem Erkältungsstress: Die Infekte seien nicht besonders langwierig, "nach einer Woche sind die meisten Patienten damit durch", so Abbushi.

"Über die Stadt und den Landkreis rauscht eine Infektionswelle", sagt der Oberhachinger Arzt Oliver Abbushi. (Foto: privat)

Nach den Worten des Unterschleißheimer Internisten, Allgemeinarztes und Notfallmediziners Friedrich Kiener ist die Wiesn-Welle schon wieder etwas am Abklingen. Noch in der vergangenen Woche habe man in seinen zwei Praxen, die sich pro Quartal um mehr als 6000 Patienten kümmern, einen kleinen Covid-Peak beobachtet und einen Anstieg von grippalen Infekten; nun aber verzeichnen Kiener und seine Kolleginnen und Kollegen einen leichten Rückgang. Echte Grippefälle habe es heuer bei ihm noch überhaupt nicht gegeben, so der Mediziner. Er hat dafür gleich eine Erklärung parat: Das stabile schöne Wetter der vergangenen Tage spiele eine Rolle und natürlich auch, dass sich das Immunsystem der Menschen nach der Pandemie wieder an die vielen herumschwirrenden Erkältungsviren gewöhnt habe.

Hatte in seinen beiden Praxen einen "Corona-Peak": Allgemeinarzt Friedrich Kiener aus Unterschleißheim. (Foto: privat)

Dabei stecken sich derzeit wieder mehr Menschen mit Sars-CoV-2 an, wie etwa das Abwasser-Monitoring in der Stadt München zeigt. Nach Aussage von Medizinern verläuft die Krankheit meist eher mild, da die Grundimmunisierung der Bevölkerung ausreichend ist - entweder durch die empfohlenen Impfungen oder weil die meisten ohnehin schon eine oder zwei Infektionen durchgemacht haben. Weil jedoch so gut wie gar nicht mehr getestet wird, sind die Covid-Zahlen ohnehin kaum aussagekräftig. PCR-Tests sind die Ausnahme, wer nach einem Schnelltest daheim am Küchentisch positiv ist, separiert sich im besten Fall und bleibt zu Hause. Die meisten Leute reagierten verantwortungsbewusst und umsichtig, sagt Kiener. So sei in den vergangenen Wochen der Anteil jener gestiegen, die mit Maske in die Praxis kommen, wenn sie verschnupft sind, damit niemand anderer angesteckt wird.

Ähnliches registriert auch Peter Aurnhammer in Ismaning. "Wer chronisch krank ist oder einen Infekt hat, trägt eine Maske", sagt der Sprecher der Apothekerinnen und Apotheker im Landkreis München. Mehr als 70 Prozent der Kunden in seinen beiden Apotheken verzichten aktuell auf einen Mund-Nasen-Schutz, wenn ihnen nichts fehlt. Und auch Aurnhammer und sein Team tragen aktuell keine Masken im Dienst, den Spuckschutz, also die Plexiglas-Vorrichtungen aus Corona-Zeiten an den Verkaufstresen, habe man allerdings schon wieder teilweise aufgebaut, sagt der Apotheker. Sicher ist sicher.

In Schutzkleidung für Corona-Schnelltests: der Ismaninger Apotheker Peter Aurnhammer. (Foto: Florian Peljak)

Grundsätzlich sieht er die After-Wiesn-Welle relativ entspannt. "Das ist für die Jahreszeit ganz typisch, dass man sich mit Erkältungsviren ansteckt", so Aurnhammer. Jetzt gehöre eben auch Sars-CoV-2 dazu. Allerdings seien die Menschen durch die Erfahrungen aus der Pandemie sensibilisiert - und wollen offenbar wissen, was ihre Atemwege so stresst: "Nach einem Sommer ohne große Nachfrage verkaufen wir jetzt zehn bis 20 Schnelltests am Tag." Auch in der Apotheke selbst können sich Patienten testen lassen, allerdings nur solche, die keine Symptome haben, wie Aurnhammer sagt.

Weil mit der beginnenden kalten Jahreszeit Erkältungskrankheiten wieder zunehmen, rät das Gesundheitsamt im Landkreis München, sich impfen zu lassen: etwa gegen Grippe oder RSV, das Respiratorisches Synzytial Virus, welches akute Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege auslöst, die einer Influenza-Infektion ähneln und vor allem kleine Kinder erwischt. Laut Gesundheitsamt ist jetzt zudem ein günstiger Zeitpunkt für eine Auffrischung der Corona-Immunisierung mit Impfstoffen, die an die aktuelle Virusvariante XBB.1 und ihre Untergruppen angepasst wurden und schon wie ihre Vorgänger schwere Krankheitsverläufe zu verhindern helfen. Nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollten sich über 60-Jährige, Bewohner in Pflegeeinrichtungen, Menschen mit Vorerkrankungen sowie das Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen den Update-Piks geben lassen.

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Doch wie ist es aktuell um die Impfbereitschaft im Landkreis bestellt? Der Oberhachinger Mediziner Oliver Abbushi hat beobachtet, dass chronisch Kranke und Ältere sehr vernünftig seien und sich ein weiteres Mal immunisieren lassen. Einmal die Woche bietet die Praxis einen Impftag an, da kämen bis zu 60 Patienten. Und die Bewohner von Altenheimen in seinem Beritt seien bereits gut versorgt worden, mit Grippe- und Corona-Impfungen. Abbushis Kollege Friedrich Kiener hat festgestellt, dass bei seinen Patienten die Nachfrage nach Grippe-Impfungen sehr hoch ist, es bei Covid-Auffrischungen aber durchaus Zurückhaltung gebe - auch bei manchen Senioren: "Die sagen, ich bin schon fünfmal geimpft, habe Corona gehabt und mag jetzt nicht mehr", berichtet der Unterschleißheimer Mediziner. Trotzdem sei die Impfung natürlich zu empfehlen, so Kiener. Denn wenn erst einmal der Wetterumschwung kommt, "dann geht's zur Sache, und wir rechnen mit einem Anstieg der Ansteckungen".

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