Landtagswahl:Mitreden gerne, mitentscheiden nicht unbedingt

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Fünf Kandidaten und zwei Moderatoren: Maximilian Böltl (CSU), Claudia Köhler (Grüne), Florian Schardt (SPD), Katharina Diem (FDP) und Nikolaus Kraus (Freie Wähler) stellen sich den Fragen von Schülerinnen und Schülern am Kirchheimer Gymnasium. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Direktkandidaten von CSU, Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP diskutieren am Kirchheimer Gymnasium über Klimaschutz, Nahverkehr, Gender-Politik und ein Wahlrecht mit 16. Die Reaktionen der Schüler sind überraschend.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

Es ist eine Frage, die die Anwesenden an diesem Vormittag in der Aula des Kirchheimer Gymnasiums unmittelbar betrifft: Sollte man schon mit 16 Jahren wählen dürfen? Gerade eben haben auf der Bühne die fünf Landtagskandidaten Maximilian Böltl (CSU), Florian Schardt (SPD), Nikolaus Kraus (Freie Wähler), Claudia Köhler (Grüne) und Katharina Diem (FDP) ihre Einschätzung dazu abgegeben. Sie alle stehen dem Thema recht offen gegenüber. Böltl hat sich aber noch nicht ganz festgelegt, räumt er ein und gibt die Frage zurück an die Neunt- bis Elftklässler im Publikum. Doch dort gehen nur vereinzelt Hände für ein Wahlrecht für Minderjährige in die Höhe.

Daraus zu schließen, dass den jungen Leuten egal ist, was in der Politik passiert, wäre jedoch falsch. Gebannt lauschen die Jugendlichen der Diskussion, die Schülerinnen und Schüler der Politik AG des Gymnasiums organisiert und moderiert haben. Dabei haben sie vor allem Themen gewählt, die für junge Menschen direkt von Bedeutung sind.

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Neben dem früheren Wahlrecht ist das unter anderem die Schulpolitik. Das bestehende System aus Mittelschule, Realschule und Gymnasium habe zwar durchaus Vorteile, weil es auf unterschiedliche Bedürfnisse und Stärken eingehe, sagt CSU-Kandidat Böltl. "Trotzdem ist es an der Zeit zu überlegen, ob man Kinder schon nach der vierten Klasse aufteilt. Für mich war das damals zu früh." Auch Kraus spricht sich gegen das "Grundschulabitur" aus, wie er es nennt. Dieses abzuschaffen, werde im Landtag schon jetzt immer wieder beantragt, merkt die Grünen-Abgeordnete Köhler an und genehmigt sich eine Spitze gegen CSU und Freie Wähler: "Aber es wird von den zwei Regierungsfraktionen immer abgelehnt."

Auch beim Thema ÖPNV finden die Moderatoren, die Zehntklässlerin Hannah Pagenstert und der Elftklässler Gabriel Harlander, einen Fokus, der für die Jugendlichen interessant ist: Kann man ihnen ermöglichen, umsonst öffentlich zu fahren? "Für Schüler, Azubis und Studenten sollte das grundsätzlich kostenlos sein. Da sind wir uns alle einig", findet Böltl. "Da sind wir uns einig, aber ihr stimmt immer dagegen", kontert SPD-Mann Schardt.

Zwei von fünf: Katharina Diem (FDP) und Nikolaus Kraus (Freie Wähler) während der Diskussion im Kirchheimer Gymnasium. (Foto: Sebastian Gabriel)

Dass man den ÖPNV allgemein verbessern müsse, zählt wenig überraschend ebenfalls zu den Thesen, bei denen die Kandidaten übereinstimmen. Man brauche einen engen, zuverlässigen Takt, sagt Diem, "sonst ist es nicht attraktiv". Böltl plädiert dafür, die U-Bahnlinien zu verlängern und das Netz auszubauen. Busse sieht er dagegen nicht als zukunftsträchtig, "die stehen irgendwann im selben Stau wie Autos". Mehr Geld für den ÖPNV aufzuwenden, werde im Landtag allerdings bisher meist abgelehnt, wirft Köhler ein. "Da muss ein Umdenken her."

Hitziger wird es bei Themen, über die sich auch die Bundespolitik gerne streitet. Die Frage nach dem Heizungsgesetz ruft bei den Vertretern der Ampelparteien Selbstkritik hervor: Der erste Entwurf habe Schwächen gehabt, räumt Schardt ein. Doch die öffentliche Diskussion sei zu unsachlich geworden. Der SPD-Kandidat wünscht sich daher "mehr gute Debatten im Parlament, weniger Polemik auf Erdinger Demos". Auch FDP-Kandidatin Diem gibt zu, dass die Kommunikation über das Gesetz Ängste geschürt habe. Nach Ansicht der Grünen Köhler wurde durch die Nachbesserungen letztendlich manche Passage zu stark abgeschwächt, "aber das ist eben so in einer Dreierkoalition".

"Politischer Diskurs muss hitzig sein"

Kurz kritisiert Kraus die Praxistauglichkeit, Böltl sorgt sich um die Energiepreise. Man merkt, dass zu diesem Thema jeder der fünf Kandidaten noch ausführlich sprechen könnte und dass sie dabei durchaus auch aneinandergeraten würden - nur fehlt dafür die Zeit. Weiter geht es zum nächsten Thema.

"Es wäre schön, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten", sagt Moderatorin Hannah Pagenstert im Nachhinein. Aber die Schüler wollten bewusst möglichst viele Themenfelder ansprechen. Auch, wenn das dazu führt, den ein oder anderen Kandidaten ausbremsen zu müssen, wenn er zu allzu langen Antworten ausholt. Das gelingt den Moderatoren auf souveräne Art. Dass es ab und an zu kleinen Spitzen und Sticheleien kommt, freut die Schüler sogar: "Politischer Diskurs muss hitzig sein", sagt Pagenstert. "Es wäre schlimmer gewesen, wenn alle ganz ruhig gewesen wären", ergänzt Co-Moderator Gabriel Harlander.

Die Politik näher gebracht: die volle Aula des Kirchheimer Gymnasiums, wo Schüler der 9. bis 11. Klassen die Diskussion mit den fünf Landtagskandidaten verfolgen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Nach Eindruck der beiden haben ihre Mitschüler echtes Interesse an politischen Themen. Das zeigt sich auch bei einer kurzen Fragerunde, in der sich eine Schülerin nach Böltls Meinung zum Besuch einiger seiner CSU-Politiker bei Floridas Gouverneur, dem umstrittenen erzkonservativen Republikaner Ron DeSantis, erkundigt. "Ob es die richtige Wahl war, genau ihn zu treffen - da mache ich mal ein Fragezeichen", antwortet Böltl. Er ist es dann auch, der sich mit seiner Antwort auf eine Frage zum Gendern den größten Applaus des Vormittags sichert: "Ich finde es zunehmend nervig."

Die Moderatoren Hannah Pagenstert und Gabriel Harlander können sich vorstellen, bei weiteren anstehenden Wahlen erneut Diskussionen zu organisieren. Ihr Ziel haben sie eigenen Worten zufolge erreicht: Sie hätten es geschafft, Politik auf kommunaler Ebene näher zu bringen. "Vorher war das für viele weit weg."

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