Naherholung:"Trails sind teilweise so breit wie Forstwege"

Lesezeit: 3 min

In den Isarauen gibt es Dutzende Kilometer an wilden Trails, auf denen sich Mountainbiker austoben. (Foto: Claus Schunk)

Obwohl seit Jahren über ein Konzept für naturverträgliche Mountainbike-Routen an der Isar diskutiert wird, nimmt der Wildwuchs zu. Auch an der Würm werden die Freizeitsportler zunehmend zum Problem. Naturschützer und Behörden wollen dagegen vorgehen.

Von Annette Jäger und Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Naturbelassene Trails über Baumwurzeln und durch Pfützen, Spitzkurven, Steilhänge, Sprungschanzen - das Hochufer der Würm zwischen Gauting und Starnberg bietet ebenso wie die Isarauen südlich von München ideale Bedingungen für Mountainbiker. Doch der Freizeitsport bedroht die Natur und die Artenvielfalt. Im Würmtal wollen Forstverwaltung und Naturschützer nun gemeinsam mit dem Landratsamt Starnberg gegen die illegalen Trails vorgehen, um das Naturjuwel an der Würm zu erhalten. Mountainbiker aber halten dagegen und betonen, wie wichtig es sei, Naturschutz und Freizeitgestaltung gerade im Großraum München in Einklang zu bringen.

Das Hochufer an der Würm ist wie das Isartal landschaftlich beeindruckend. Alte, riesige Buchen mit mächtigem Wurzelwerk bewachsen die steilen Hänge zum Fluss hinab. Gefährdete Vogelarten wie Grau- und Schwarzspecht brüten hier, auch der Waldlaubsänger, in der Roten Liste für Bayern geführt, ist hier noch beheimatet. Dieses Flora-Fauna-Habitat-Gebiet sei eines von vielen Schutzgebieten mit europäischem relevantem Erhaltungsstatus, heißt es in einer Mitteilung der Bayerischen Staatsforsten. Moore und Wälder gehörten zu den wertvollsten Naturschätzen der Region.

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Die illegalen Mountainbike-Strecken durch den Buchenwald gefährdeten dieses Juwel, so die Meinung der Forstverwaltung, der sich auch Vertreter des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz in Bayern und der Naturschutzwächter im Leutstettener Moos und dem Würmtal angeschlossen haben. Die Sportradler verdichteten nicht nur den Boden, was das Keimen von jungen Bäumen verhindere, sie störten auch Vögel massiv beim Brüten. Vor allem in der jüngsten Vergangenheit sei es zu erheblichen Schäden gekommen.

Tatsächlich zieht das Gebiet Mountainbiker aus der ganzen Region an, seit der Pandemie sind es noch einmal deutlich mehr geworden, das stellen auch Aktive aus der Szene selbst fest. Nur am Isarhochufer finden Sportler vergleichbar attraktive Strecken in der Nähe zur Stadt München. Mountainbiker müssen für ähnlich gute Bedingungen sonst weit bis ins Voralpenland vordringen. Vorerst sollen Schilder und Appelle an die Vernunft die Radler davon abhalten, weiter die Trails an der Würm zu befahren. Doch das Landratsamt Starnberg spricht auch von möglichen Polizeikontrollen und Bußgeldern zwischen 50 und 100 Euro.

Der Buchenwald an der Würm ist bei Mountainbikern ähnlich beliebt wie das Isartal. (Foto: Stephan Rumpf)

"Hätten wir vor Corona ein paar Schilder aufgestellt, hätten wir die ganzen Diskussionen nicht", sagt Jörg Schmidtmann, der beim MTB-Club München Referent für den Bereich Bike-Infrastruktur ist und sich als begeisterter Mountainbiker bestens mit den Trails im Isartal auskennt. "Das ist doch einzigartig in einer Großstadt und dem Umland", betont der Ottobrunner, der seit Jahren in verschiedensten Gesprächsrunden und Arbeitskreisen darum kämpft, den Mountainbike-Sport zuzulassen und mit der Natur in Einklang zu bringen.

Hierfür hat sich auch vor Jahren der Projektarbeitskreis "Naturerholung Isartal" gegründet, dem die Landeshauptstadt, der Landkreis München, Isartal-Gemeinden wie Pullach, Grünwald oder Baierbrunn sowie zahlreiche Interessengruppen und Vereine - darunter auch der MTB-Club München - angehören.

Im Jahr 2017 hat die Projektgruppe ein Lenkungskonzept für die Isarauen vorgestellt, das eigentlich unterschriftsreif ist. Grundsätzlich geht es darum, wie die Lebensräume an der Isar künftig besser geschützt werden können - auch mit fest angestellten Gebietsbetreuern. Es werden aber auch insgesamt 78 Kilometer an nutzbaren Wegen dargestellt, darunter 28 Kilometer an Trails für die Mountainbiker.

Die Umsetzung des Konzepts scheitert bisher an der Stadt München

Seitens des Landkreises München bestand schon im Jahr 2018 eine Zusage der Finanzierung anteilig in Höhe von einer Million Euro, das Einverständnis der Landeshauptstadt aber fehlt trotz Behandlung in allen relevanten Gremien bis hin zur Vollversammlung des Stadtrats immer noch. "Und die Mittel wären ohnehin 2022 ausgelaufen", berichtet Schmidtmann. "Der Nachteil bei der Finanzierung war ohnehin, dass zwei Drittel für die Gebietsbetreuer, also die Ranger, und nur ein Drittel für die Ertüchtigung der Wege vorgesehen waren." Letztere aber sei entscheidend für eine naturverträgliche Nutzung der Isarauen durch die Sportler. "Weil jetzt so lange nichts passiert ist, haben wir einen echten Wildwuchs. Trails sind teilweise so breit wie Forstwege", sagt der MTB-Referent. "Um daraus jetzt etwas Attraktives zu machen, müsste man schon Geld in die Hand nehmen."

Aber an der Umsetzung hapert es noch. Zuletzt war weiter unklar, ob sich die Landeshauptstadt an den Kosten und der Trägerschaft beteiligt. Aus dem Landratsamt heißt es dazu: "Das Landratsamt München führt derzeit intensive bilaterale Gespräche mit den betroffenen Akteuren, damit mit der Konzeptumsetzung begonnen werden kann."

Schmidtmann bestätigt, dass Gespräche geführt würden, und sich der Deutsche Alpenverein mit seiner Münchner Sektion bereits bereit erklärt habe, die Trägerschaft zu übernehmen. Das Ziel müsse es sein, die Wege so attraktiv zu machen, dass sie gerne genützt würden. Von Verordnungen hält Schmidtmann dabei aber nichts und verweist auf das Beispiel Wien. In der österreichischen Hauptstadt hatten die Behörden versucht, mit einem Verbot für Mountainbiker im wertvollen Biosphärenpark am Rande der Stadt der Situation Herr zu werden. "Aber das funktioniert nicht. Dann gibt es nur Ausweichtendenzen und sie ziehen woanders hin", sagt Schmidtmann. "Wir wissen, wie wichtig der Naturschutz ist. Auch deshalb schaffen wir schon bei den Kindern bei uns im Verein ein Bewusstsein dafür." Sport müsse auch in einer Großstadt möglich sein.

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