Hospizvereine:Sterben muss niemand allein

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Elisabeth Sexl gestaltet die Karten für die Patienten mit ihren Kolleginnen vom Hospizkreis Isartal selbst. (Foto: Angelika Bardehle)

Wegen der Besuchsverbote in Altenheimen können Hospizhelfer und Angehörige Schwerkranke nicht persönlich begleiten, sondern müssen sich anders behelfen. Nur für die letzten Stunden gibt es Ausnahmen.

Von Daniela Bode, Pullach/Ottobrunn

Was die Arbeit von Hospizbegleitern ausmacht, ist das Menschliche. Sie besuchen Schwerkranke und Sterbende, lesen ihnen vor, streicheln ihnen auch einmal über den Arm. Solche Gesten ermöglichen den Menschen auch in ihren letzten Tagen ein würdevolles Leben. Weil aber gerade die alten und kranken Menschen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt werden sollen, darf diese wertvolle Hilfe auch im Landkreis München momentan so nicht stattfinden.

"Wir bedauern es sehr, aber derzeit besteht ein generelles Verbot für persönliche Hospizbegleitungen", sagt Katrin Jaeger, Koordinatorin beim Hospizkreis Ottobrunn, dem größten Hospizverein im Landkreis, dessen Einsatzgebiet unter anderem Ottobrunn und Neubiberg umfasst. Auch der Hospizverein Isartal sieht derzeit von persönlichen Besuchen bei Begleiteten ab. Das Verbot ergibt sich aus der Allgemeinverfügung der Ausgangsbeschränkung für Bayern, auf die das Landratsamt München auch alle Hospizvereine hingewiesen hat. Nur im absoluten Ausnahmefall ist auf Initiative des Bayerischen Hospiz- und Palliativverbands (BHPV) hin nun ein Besuch zuhause erlaubt.

Briefe, Karten, WhattsApp-Nachrichten und Videobotschaften

Schon in den Wochen zuvor hatten die Hospizvereine sich Gedanken über den Umgang mit dem Virus gemacht. Anfangs ging es darum, die Hospizbegleiter darauf hinzuweisen, sich an die Hygieneregeln zu halten. Bald bestand in Bayern das Besuchsverbot in Seniorenheimen, mittlerweile besuchen die Helfer vom Ottobrunner und dem Isartaler Hospizverein überhaupt keine Patienten mehr persönlich. Sie versuchen aber, die Begleitung auf andere Weise aufrecht zu erhalten und den Schwerkranken und Sterbenden in dieser schwierigen Situation beizustehen.

"Wir versuchen es jetzt über Briefe, Karten, mit Whatsapp-Nachrichten oder auch mit Videobotschaften", sagt Jaeger. Auch der Hospizverein Isartal lässt sich viel einfallen, um die Begleitung nicht abbrechen zu lassen. "Wir schreiben Karten und halten Briefkontakt", sagt Elisabeth Sexl, Koordinatorin beim Hospizverein Isartal, dessen Einsatzgebiet Grünwald, Pullach, Baierbrunn und Straßlach-Dingharting umfasst.

Mitglieder des Hospizvereins haben Karten für die Begleiteten und auch andere Bewohner der Heime in ihrem Bereich gebastelt. "Für die fitteren kommen Karten mit einem Gedicht in Frage, für dementere Patienten können es Karten aus Krepppapier sein, bei denen das Haptische angesprochen wird, das für sie wichtig ist", sagt Sexl. Die Exemplare sind ganz individuell, haben unterschiedliche Formate, auch Origami-Versionen sind darunter. Im Rahmen der Einzelbetreuung, die ja nun in den Heimen an der Tagesordnung ist, können die Pfleger und sozialen Betreuer diese den Patienten vorlesen.

Auch die Heime selbst versuchen den Mangel an persönlichen Kontakten durch neue Projekte aufzufangen. Im Seniorenheim "Haus am Wiesenweg" in Pullach etwa brachten die Pfleger den Bewohnern vor kurzem Frühstück ans Bett mit frischen Pancakes, wie Thomas Hirschi erzählt. Das Heim hat zudem weitere Tablets angeschafft, damit die Bewohner mit den Angehörigen skypen können.

"Es ist für die Angehörigen auch wichtig, dass sie einmal ein Bewegtbild von der Mama oder dem Papa sehen können", sagt Hirschi, der in dem Heim federführend für die soziale Betreuung zuständig ist. Liege jemand im Sterben, dürften die Angehörigen noch für eine Stunde kommen. "Abschiednehmen ist noch möglich", sagt Hirschi.

Die menschliche Nähe mache die Hospizarbeit aus

Jaeger bedauert die Situation sehr. "Die menschliche Nähe, die Berührungen machen ja die Hospizarbeit aus. Es ist schwer auszuhalten, das nun nicht zu haben", sagt sie. Da viele Hospizvereine das Verbot als große Last für die Sterbenden und deren Angehörige erlebten, trat der BHPV erneut an die Politik heran. "In Ausnahmefällen wie einer Sterbesituation dürfen Hospizbegleiter im häuslichen Bereich nun Patienten besuchen", sagt Jaeger. Ob eine Ausnahmesituation vorliegt, treffen die Hospizvereine in Absprache mit den Hospizbegleitern und den Betroffenen.

Sonst läuft nun auch viel über telefonische Beratung. "Vor kurzem rief mich eine Dame an, die mir erzählte, sie habe als Kind länger im Internierungslager gelebt und diese Erinnerungen kämen nun wieder hoch", sagt Jaeger. Solche Dinge könne man auch ganz gut am Telefon besprechen.

Eine Angehörige aus Putzbrunn berichtet ähnlich positive Erfahrungen mit solchen Telefonaten. Ilona Müller pflegt ihren 92-jährigen Mann, der zwar nicht schwer krank, aber nach einem Krankenhausaufenthalt bettlägerig ist. Bisher besuchte ihn auch immer wieder jemand vom Hospizkreis Ottobrunn persönlich, das geht nun nicht. "Aber auch die Telefonate mit Frau Jaeger sind immer ein Lichtblick, ich bin immer sehr froh, wenn sie sich meldet", sagt Müller, selbst 84 Jahre alt. Wenn man jemanden pflege, brauche man viel Kraft, sagt sie. Da helfe dieser Zuspruch. Auch Sexl erzählt, dass sie mit den Begleiteten Telefonkontakt halte.

Klagen, dass die persönliche Begleitung momentan nicht möglich ist, erreichen die Hospizvereine nicht. "Trotz der verzweifelten Situation der Angehörigen ist sehr viel Verständnis da", sagt Jaeger. "Unsere Bemühungen werden gut gesehen", sagt sie. Auch Sexl berichtet von viel Verständnis bei den Angehörigen. In der ganzen Situation sei es vor allem wichtig, alle im Blick zu behalten, also den Kontakt zu den Patienten zu halten, sagt Jaeger. "Bei falscher Bescheidenheit, wenn jemand sagt, es sei gar nicht so schlimm, genau dann soll er uns anrufen", sagt die Koordinatorin aus Ottobrunn.

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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