Kriminalität:Indizien aus der Haarer Unterwelt

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Offenkundige Hinterlassenschaft von Drogensüchtigen: benutzte Spritzen in einem Lichtschacht der Tiefgarage. (Foto: Claus Schunk)

Ist die Tiefgarage am Poststadel ein Drogentreff? Die Polizei weiß nichts von einer Szene, Bürgermeister Bukowksi ist dagegen überzeugt und kündigt ein hartes Durchgreifen an.

Von Bernhard Lohr, Haar

Benutzte Einwegspritzen, die zwischen Müll in einem Lichtschacht liegen: Das Bild, das sich bietet, passt zu der verstörenden Nachricht, die in Haar beunruhigt. Drogensüchtige sollen sich mitten im Ort, in der Tiefgarage am Bildungszentrum Poststadel, immer wieder mal einen Schuss setzen. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) geht jedenfalls fest davon aus, wie er am Dienstagabend im Gemeinderat sagte. Anders als mit harten Drogen seien die Spritzen nicht zu erklären. Er spricht von jungen Erwachsenen, die dort anzutreffen seien. Die Polizei ist ihm zufolge informiert. Die gibt sich zurückhaltend. "Wir haben derzeit keine Erkenntnisse", sagt Alexander André von der örtlichen Inspektion.

Am Mittwochvormittag waren die Spritzen, über die am Abend zuvor im Gemeinderat öffentlich geredet wurde, noch da; am Nachmittag waren sie dann verschwunden. Traudl Vater (SPD) hatte das Thema durch eine Anfrage auf die Tagesordnung gebracht, weil sie von den Spritzen gehört hatte und sich, wie sie sagte, Sorgen mache. Bürgermeister Bukowski sprach daraufhin gar von Heroin, was er am nächsten Tag am Telefon aber abschwächte. Gesichert sei das nicht. Aber der Fall sei trotzdem eindeutig.

Treffpunkt einer Drogenszene? Die Tiefgarage am Bildungszentrum Poststadel in Haar. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde habe deshalb erste Schritte eingeleitet. So soll die Tiefgarage in Kürze von 20.30 Uhr an geschlossen werden, damit sich dort niemand mehr unbefugt aufhalten könne. Außerdem werde eine Videoüberwachung vorbereitet. Eine Drogenszene werde in Haar nicht geduldet, so der Bürgermeister, der die sonst gute Sicherheitslage am Ort herausstreicht und die Präventionsarbeit in den Jugendzentren.

Alexander André von der örtlichen Polizeiinspektion will nichts von einem Drogen-Hotspot in Haar wissen. Drogenberater Andreas Ammer, der für die Caritas in Haar Sprechstunden anbietet, wiederum warnt, Sucht auf harte Drogen zu verharmlosen. Cannabis, Alkohol und Spielsucht würden unterschätzt.

Dem Burschenverein diente die Garage vor Corona für Disko-Partys

Dennoch schreckt es in der Gemeinde auf, wenn Heroin mit einem Ort in Verbindung gebracht wird, der bisher nur als Treff für Jugendliche bekannt ist. Die Polizei schaut nach eigenen Angaben gerade seit der Corona-Pandemie öfter in der Garage vorbei, um mögliche Verstöße gegen Auflagen zu ahnden. Vor der Pandemie hatten in der Tiefgarage die Haarer Burschen Disko-Partys veranstaltet. Zwischendurch befand sich dort eine Corona-Teststation.

In den Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums München hat es in Verbindung mit Drogen weder Haar noch ein anderer Ort aus dem Landkreis geschafft. Dort tauchen allenfalls der Sendlinger-Tor-Platz in München, der Nussbaumpark und der Münchner Hauptbahnhof auf. Auffällig ist laut Report 2020 allenfalls, dass im ersten Jahr der Pandemie bei einem allgemein registrierten Rückgang der Delikte der Rückgang im Landkreis weniger stark ausfiel als in der Stadt. Und bei Delikten in Verbindung mit Heroin und Kokain wurde sogar eine starke Zunahme registriert, wenn auch auf niedrigem Niveau: von drei auf elf Fälle bei Heroin und von zwei auf immerhin 28 bei Kokain. Sollte sich die vermutete Szene in der Tiefgarage allerdings bestätigen, könnte dies die Quote im Landkreis weiter nach oben treiben.

Die von der Polizei genannten Zahlen - der Report für 2021 liegt noch nicht vor - sind freilich nur bedingt aussagekräftig. Sie zeigen lediglich die Fälle, die auffliegen. Vertreter der Suchthilfe sprechen von einer hohen Dunkelziffer. Wichtig sei Prävention in Schulen und auch schon im Kleinkindalter, sagt Regina Casci-Haas vom Fachbereich Suchtprävention im Landratsamt. Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Blaues Kreuz böten im Landkreis gute Anlaufstellen zur Beratung und zur Suchthilfe an. Kürzlich erweiterte das Blaue Kreuz sein Angebot in Haar für Jugendliche mit einer Selbsthilfegruppe im Jugendtreff "Route 66". Die Caritas baut ihre Suchtberatung im Caritas-Zentrum im Jagdfeldring 17 aus. Dort ist neuerdings donnerstags von 15 bis 17 Uhr immer offene Sprechstunde. Termine gibt es nach Vereinbarung - keine 300 Meter von besagter Tiefgarage entfernt.

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