Gaspreise:Zwei, die es ausbaden müssen

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Müssen vier Mal so viel für Heizung und Warmwasser bezahlen wie bisher: Viola und Wolfram Krautz aus Ismaning. (Foto: Florian Peljak)

Vom 1. November an sollen Viola und Wolfram Krautz aus Ismaning rund 400 Euro pro Monat für Heizung und Warmwasser bezahlen - vorerst. "Das tut jetzt richtig weh", sagt das Rentnerehepaar. Über einen Fall von Tausenden im Großraum München.

Von Michael Morosow, Ismaning

Wer in diesen Tagen Post von seinem Energieversorger im Briefkasten findet, der kann sich sprichwörtlich warm anziehen, insbesondere dann, wenn er sein Zuhause mit Gas heizt. Eine "Anpassung der Gaspreise" wird den Kunden in den Schreiben mitgeteilt, und unter dem Strich stehen in Euro und Cent Beträge, die sie frösteln lassen. So auch das Ehepaar Viola und Wolfram Krautz, das in Ismaning in einer Eigentumswohnung lebt und das von 1. November an circa das Vierfache für seinen Gasverbrauch bezahlen muss - was den beiden Rentnern schwer fällt und weshalb sie daran denken, weniger zu heizen und zu duschen.

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1175 Euro haben sie für das Abrechnungsjahr Oktober 2020 bis September 2021 bezahlt, danach 1550 Euro. Im August dieses Jahres erfuhren sie von einer weiteren Anpassung zum 1. Oktober, die ihre Jahresrechnung bei gleichem Verbrauch von 18 000 Kilowattstunden per anno auf 4085 Euro hochschnellen lässt. Und damit nicht genug, wurde dem Ehepaar nun mitgeteilt, dass es zum 1. November noch teurer werden wird für sie, wenn ihr Energieversorger, die Gasversorgung Ismaning GmbH (GVI), auf den Arbeitspreis diverse staatliche Umlagen aufschlägt und sie dann knapp 400 Euro im Monat für ihren Gasverbrauch hinlegen müssen.

24,18 Cent kostet sie dann die Kilowattstunde, nach aktuell 9,45 Cent. "Das tut jetzt richtig weh. Für zwei Rentner, die ein Leben lang gearbeitet haben, ist das bitter und schwer zu stemmen", sagt Viola Krautz, die ihren Frust darüber per Schreiben auch Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) mitgeteilt und um Aufklärung der Hintergründe für den exponentiellen Anstieg des Gaspreises gebeten hat.

Fragen zu Konditionen und Lieferverträgen beantwortet der Versorger sehr allgemein

Denn die Begründung der GVI, die Preisexplosionen auf dem Energiemärkten seien mit dem Krieg in der Ukraine und den gestiegenen Vertriebskosten zu erklären, will sie nicht gelten lassen. Sie bezeichnet die Gründe im Gegenteil als "äußerst fragwürdig". Es dränge sich der Verdacht auf, dass es die GVI versäumt habe, langfristig günstige Lieferverträge mit dem Beschaffer zu schließen "und dass jetzt die Endkunden wie wir das ausbaden müssen".

Andere Gasversorger wie etwa die Stadtwerke München seien offensichtlich umsichtiger, zumindest was die Bestandskunden betreffe. "Wir möchten gern genau wissen, von wem die GVI das Gas bezieht und welche Lieferverträge mit welchen Konditionen und welchen Fristen bis jetzt bestanden beziehungsweise aktuell bestehen", ließ das Ehepaar den Bürgermeister wissen.

Alexander Greulich, der Aufsichtsratsvorsitzender von GVI ist, leitete die Beschwerde des Ehepaars an GVI-Geschäftsführer Franz-Josef Loscar weiter, mit dem Viola Krautz nach eigenen Worten bereits "ein sehr nettes" Telefonat geführt hatte. "Aber hundertprozentig zufrieden war ich danach nicht", berichtet sie.

Hat rund 2000 Kunden: Franz-Josef Loscar leitet seit Januar 2017 die Gemeindewerke Ismaning. (Foto: Patricia Lang)

Zu ihren Lieferverträgen und Konditionen geben sich Energieversorger generell nicht allzu gesprächsbereit. Die GVI hat laut ihrem Chef Loscar einen Vorlieferanten, das könne eine Einkaufsgemeinschaft sein, ein einzelner Händler oder auch die Stadtwerke München. Loscar versteht nach eigenen Worten das Problem seiner Gaskunden - aktuell rund 2000 - gut. "Jeder Kunde hat die Möglichkeit zu sagen, das sei ihm zu teuer und er wechsele den Anbieter", sagt Loscar und fährt gleich fort: "Das Problem aktuell ist, es gibt keine Anbieter mehr. Wenn, dann vielleicht zwei oder drei von bisher 50."

Loscar wäre nach eigenen Worten sehr froh, wenn in Berlin endlich Klarheit zur seit Wochen umstrittenen Gasumlage geschaffen würde. Einen Gaspreisdeckel, wie er seit kurzem als Alternative diskutiert wird, bezeichnet der Geschäftsführer als ein zweischneidiges Schwert. Dazu werde nur gesagt, dass dadurch die Endkunden weniger bezahlen müssten, nicht aber wie dann die Gas-Unternehmen mit ihren Verlusten umgehen sollten.

Der Energieagentur rennen sie jetzt die Bude ein. Allein es fehlen die Berater

Neben den Ismaninger Gemeindewerken spielen als zweiter lokaler Gasanbieter im Landkreis München auch die Gemeindewerke Haar eine Rolle. Sie versorgen 11 000 Bürgerinnen und Bürger am Ort mit Strom und 1600 mit Gas. Die Haarer leben in Sachen Energieversorgung dabei auf einer Insel der Seligen. Nach Mitteilung von Prokurist Rainer Mendel haben die Gemeindewerke die Energiepreise im laufenden Jahr nicht ein einziges Mal erhöht - als eines von sehr wenigen Energieanbietern in Deutschland. "Das haben wir bewusst nicht gemacht, weil wir Mengen günstig besorgt haben", berichtet Mendel. Auch spekuliere die Gemeinde nicht an der Strombörse. Dennoch: Zum Jahreswechsel werden sich auch die Haarer Kunden auf eine Preiserhöhung einstellen müssen - "und die wird hoch sein", kündigt Mendel an.

Dann werden wohl wieder die Telefone nicht mehr stillstehen bei der Energieagentur Ebersberg-München, bei der sich die Anfragen laut Pressesprecher Benjamin Hahn zuletzt massiv erhöht haben: vom Gefühl seit 2021 um das Drei- bis Vierfache. Was die Energieagentur vor ein Problem stellt, weil ihr ausreichend Berater fehlen. Als Ausgleich biete man kostenfreie Online-Sammelberatungen an mit Expertinnen und Experten, auch auf Youtube. "Wir merken, dass bei vielen die Sorge besteht, dass sie die hohen Energiepreise nicht mehr bezahlen können", sagt Hahn. Man merke aber auch, dass sich insgesamt die Stimmung gegenüber erneuerbaren Energien deutlich verbessert habe.

Das Ismaninger Rentnerehepaar Krautz hatte sich 1996, als es sich seine Eigentumswohnung kaufte, ganz bewusst für eine Gasversorgung und für die Gemeindewerke Ismaning als wohnortnahen und in öffentlicher Hand stehenden Versorger entschieden. "Wir wollten nicht unbedingt den billigsten Anbieter, sondern einen, dem wir vertrauen können", erklärt Viola Krautz die damalige Entscheidung. Dieses Vertrauen ist 26 Jahre später dahin.

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