Garching:Patt im Uran-Streit

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Der Forschungsreaktor der TU in Garching läuft seit dem 14. Januar wieder, weil er vor Weihnachten noch Brennelemente geliefert bekam. Dieser Betrieb sei rechtmäßig, sagt das von der TU in Auftrag gegebene Gutachten. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Gegengutachten hält den Einsatz von waffenfähigem Material in der Neutronenquelle für rechtmäßig - anders als eine Studie der Reaktorgegner.

Von Gudrun Passarge, Garching

"Illegal" oder "ohne Zweifel rechtskonform" - die Meinungen zweier Gutachten zum Betrieb der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier Leibnitz FRM II in Garching gehen weit auseinander. Streitpunkt ist der Betrieb mit hochangereichertem Uran (HEU), das als waffenfähig gilt. Ein Gutachten, das von der Landtagsfraktion der Grünen, dem Bund Naturschutz, dem Umweltinstitut München und den "Bürgern gegen Atomreaktor Garching" in Auftrag gegeben worden war, kam zu dem Ergebnis, dass der Betrieb widerrechtlich sei, weil die Auflage nicht umgesetzt wurde, auf niedriger angereichertes Uran umzustellen.

Das Gegengutachten, das von der Technischen Universität (TU) München als Betreiber des Forschungsreaktors in Auftrag gegeben wurde, kommt jedoch zu dem Schluss, dass der Betrieb rechtmäßig sei, auch im Hinblick auf das Völkerrecht und internationale Abkommen sowie auf das europäische und deutsche Atomrecht.

Das eigentliche Thema werde nicht behandelt

Die Reaktorgegner hatten die Juristin Cornelia Ziehm aus Berlin für ihr Gutachten engagiert und dieses im Juli 2019 präsentiert. Diese sieht die Auflage, den Reaktor bis 2010 auf niedriger angereichertes Uran umzurüsten, als Voraussetzung für die Genehmigung im Jahr 2003 an.

Nachdem auch die Fristverlängerung bis 2018 verstrich, folgert die Gutachterin, dass der Betrieb illegal ist. Die Begründung der Reaktorbetreiber, es sei auf der ganzen Welt noch kein anderer geeigneter Brennstoff für einen Reaktor wie den FRM II entwickelt, ist nach ihrer Ansicht juristisch irrelevant. Der Bund Naturschutz hatte auf Grundlage des Gutachtens im Oktober das bayerische Umweltministerium aufgefordert, den Betrieb mit hoch angereichertem Uran im Garchinger Forschungsreaktor zu untersagen.

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Das Landratsamt hat die Genehmigung bis zum Jahr 2039 verlängert. Zahlreiche Kritiker äußern Bedenken: Das Abwasser müsse wie Atommüll behandelt werden.

Von Gudrun Passarge

Die Reaktorbetreiber haben darauf hin ein Gegengutachten in Auftrag gegeben. Verfasser ist Christian Raetzke, nach Darstellung von TU und FRM II ein international anerkannter und renommierter Fachjurist für Fragen des Atomrechts. Er beruft sich im Gutachten darauf, dass es sich bei dem Umstellungsgebot um eine "klassische Auflage" und nicht um eine Inhaltsbestimmung handle, was juristisch einen Unterschied macht. Ziehm war zum gegenteiligen Urteil gekommen.

Bei dieser Einschätzung bleibt auch der Physiker Hauke Doerk vom Umweltinstitut München. Die TU habe offenbar selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Betriebs mit hochangereichertem Uran, urteilt Doerk, "andernfalls hätten sie kein Gutachten beauftragen müssen". Entscheiden müsse jetzt das Umweltministerium. Die Unterhachinger Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler bemängelt wie Doerk, dass sich das Gutachten mit zahlreichen Nebenaspekten befasse. Das eigentliche Thema, die Inhaltsbestimmung, werde nur auf fünf Seiten behandelt. "Auf den ersten Blick überzeugt die Argumentation von Herrn Dr. Raetzke nicht", teilt Köhler mit.

Cornelia Ziehm werde sich jetzt mit dem Schriftstück auseinandersetzen. "Ich hoffe, dass auch der bayerische Umweltminister nun zügig zu einer Entscheidung kommt und den Einsatz atomwaffenfähigen Brennstoffs in Garching endgültig unterbindet", so die Grünen-Abgeordnete.

Dagegen schreibt FRM-II-Sprecherin Anke Görg, unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Betriebs und dem Einsatz von hoch angereichertem Uran seien die Wissenschaftler am FRM II "wie bisher und auch weiterhin intensiv bemüht, die Voraussetzungen für eine Umrüstung zu schaffen". Aber bislang sei es weltweit noch nicht gelungen, einen niedriger angereicherten Brennstoff zu finden, "der unter den Betriebsbedingungen und sicherheitstechnischen Anforderungen von Hochflussreaktoren wie dem FRM II einsetzbar wäre".

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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