Garching:Kritik am Sicherheitskonzept für den Reaktor

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Nach einem Zwischenfall mit radioaktivem Kohlenstoff stellt die TU neue Schutzmaßnahmen für ihren Forschungsreaktor vor. Den Grünen geht das nicht weit genug - sie fordern die Abschaltung.

Von Irmengard Gnau, Garching

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich die Katwarn-App, die digitale Katastrophenschutz-Software des Landratsamtes, mitten im Vortrag von Axel Pichlmaier meldet. Der technische Direktor des Forschungsreaktors FRM II auf dem Campus der Technischen Universität (TU) in Garching war ins Garchinger Bürgerhaus gekommen, um dem Stadtrat das neue, verbesserte Sicherheitskonzept und Frühwarnsystem an der Forschungsanlage vorzustellen. Und um Ängste zu nehmen, nachdem im April und Mai geringe Mengen radioaktiven Kohlenstoffs in Form von Kohlenstoffdioxid aus dem Reaktor in die Luft gelangt sind.

Der FRM II ist eine der leistungsstärksten Neutronenquellen in Europa, etwa tausend wissenschaftliche Experimente pro Jahr können dort ablaufen; die Ergebnisse werden für Industrie, Forschung und Medizin genutzt. Beim Einsatz des Reaktors entsteht auch das radioaktive Kohlenstoffisotop C-14, nämlich durch eine Kernreaktion der Neutronen mit Sauerstoff im Wasser des Reaktorbeckens. Dieses C-14 ist bei Reinigungsarbeiten im April dieses Jahres in Form von radioaktivem Kohlenstoffdioxid über den Kamin des Reaktors entwichen, weil die vorgesehene CO₂-Abscheideanlage nicht eingeschaltet war.

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Das Wasser des Reaktorbeckens wird ständig gefiltert mit Hilfe von Harzen, an welchen Stoffe wie besagtes C-14 hängen bleiben. Um einsatzfähig zu bleiben, müssen die Harze regelmäßig nach einigen Jahren getrocknet werden; zuletzt geschah dies 2015. Dazu verwendet der FRM II eine mobile Trocknungsanlage, an der eine CO₂-Abscheideanlage zugeschaltet wird. Und eben dies hat der zuständige Mitarbeiter im Reaktor bei der Trocknung im Frühjahr versäumt.

Viele Anwohner sind in großer Sorge

Die Menge des ausgetretenen radioaktiven Kohlenstoffs überschritt den jährlichen Grenzwert für den Forschungsreaktor - statt erlaubten 2 mal 10 hoch 10 Becquerel kamen die Verantwortlichen bei ihren Messungen Mitte Mai auf insgesamt 2,3 mal 10 hoch 10 Becquerel. Diese Menge ist nach Aussage der Experten am FRM II dennoch unbedenklich: Ein Mensch wäre dadurch einer Belastung von maximal drei Mikrosievert ausgesetzt gewesen. Beim Röntgen eines Zahnes seien es im Vergleich dazu fünf Mikrosievert.

Vielen Anwohner bereiteten solche Meldungen dennoch Sorgen, sagte Grünen-Stadträtin Daniela Rieth. Sie forderte insbesondere eine Verbesserung der Alarmierung- und Einsatzketten in einem möglichen Notfall. "Nichts liegt mir ferner, als Ihnen Angst zu machen", versicherte Pichlmaier, der technische Direktor des FRM II.

Der Vorfall im Frühjahr sei ein menschlicher Fehler gewesen. Damit so etwas in Zukunft nicht mehr möglich ist, entwickelten die Verantwortlichen derzeit eine neue Methode zur Trocknung der Reinigungsharze, bei der das CO₂ erst gar nicht entweichen kann. Dafür lasse man sich auch von externen Spezialisten beraten. Das neue, verbesserte Sicherheitskonzept werde dann sowohl der Reaktorsicherheitskommission als auch dem TÜV-Süd als Sachverständigem des Umweltministeriums, der zuständigen Aufsichtsbehörde für den FRM II, vorgelegt werden.

Zudem will der technische Direktor intern einiges gerade rücken. So sollen Handlungsanweisungen klarer formuliert werden, interne Absprachen unter den etwa 115 Mitarbeitern im Reaktor verbessert und Kommunikationsschulungen abgehalten werden. Weiter wurde das Frühwarnsystem intensiviert. Statt ursprünglich nur quartalsweise wird der C-14-Wert nun monatlich gemessen, zusätzlich wurde ein wöchentliches Monitoring eingeführt.

Aufgrund der Einschränkungen im Wissenschaftssektor durch die Corona-Pandemie steht der Forschungsreaktor schon seit dem 17. März, also noch vor dem Vorfall, still. Noch ist nicht absehbar, wann der Betrieb wieder aufgenommen wird. Hans-Peter Adolf, Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, nahm dies zum Anlass, erneut die endgültige Abschaltung der Anlage zu fordern. "Wir brauchen es nicht", das hätten die vergangenen Monate gezeigt. Pichlmaier widersprach dem und verwies auf den Bedarf an Forschung. "Wir werden von unserer Seite alles tun, um den Reaktor wieder sicher anlaufen zu lassen", sagte er. Umweltschützer kritisieren insbesondere, dass im FRM II immer noch hoch angereichertes Uran zum Einsatz kommt.

© SZ vom 24.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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