Energiekrise:SWM-Chef befürchtet keinen Krisenwinter

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Gibt vorsichtig Entwarnung: Florian Bieberbach, der Chef der Münchner Stadtwerke. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Florian Bieberbach schätzt die Versorgungslage als stabil ein. Im Gespräch mit dem SPD-Kreisvorsitzenden Florian Schardt betont er die Zukunft der Geothermie.

Von Laura Richter, Landkreis München

Dass wir uns wegen der Energiekrise in einer schwierigen Lage befinden, in der alle Bürger zur Sparsamkeit angehalten sind, ist bekannt. "Das Thema ist nicht nur omnipräsent in den Medien, sondern betrifft uns alle am eigenen Geldbeutel." Mit diesen Worten eröffnet Florian Schardt, der Kreisvorsitzende der SPD München-Land, die Online-Diskussion am Dienstagabend mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stadtwerke München (SWM), Florian Bieberbach. Dieser ist ein Parteifreund Schardts und sitzt seit September für die SPD im Schäftlarner Gemeinderat. "Kommen wir warm und ohne Blackouts durch den Winter?", fragt Schardt, der bei der Landtagswahl 2023 als Direktkandidat im Stimmkreis München-Land Nord antritt. Der Stadtwerke-Chef zeigt sich optimistisch, dass uns kein "absoluter Krisenwinter" bevorstehe, wenngleich die "aberwitzigen Preissteigerungen" überbrückt werden müssten.

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Aufgrund des Kaufs von verflüssigtem Erdgas aus dem Mittleren Osten und den USA sei die Versorgungslage vor allem beim Gas relativ stabil. Das zeige auch die positive Entwicklung der Speicherstände, die in Deutschland zu über 95 Prozent und in der EU zu über 90 Prozent gefüllt seien. Auch der Freistaat, der lange dem deutschlandweiten Vergleich hinterherhinkte, habe aufgeholt. Dort seien die Speicher nun zu 83 Prozent gefüllt. Das lässt den Stadtwerke-Chef nach eigenen Worten erst einmal ruhiger schlafen. Dennoch bleibt das Problem, dass sich die Gaspreise im Vergleich zum Vorjahr ungefähr verzehnfacht haben. Das liege neben dem Totalausfall des wichtigsten Gaslieferanten Russland insbesondere daran, dass sich Europa schon seit einem Jahr in einem Preiskampf um das verflüssigte Erdgas mit dem asiatischen Raum befinde.

"Europa war bereit, mehr zu zahlen. Das Gas fehlt dann vorrangig in China, wo es eine geringere Zahlungsbereitschaft gibt", führt Bieberbach aus. Der Stadtwerke-CEO begrüßt daher die Gaspreisbremse, die die Bundesregierung angekündigt hat. "Wir können mit einer substantiellen Entlastung der Verbraucher rechnen, die Teile der Mehrkosten kompensieren. Trotzdem gibt es weiterhin Anreize zum Sparen und offene Fragen, etwa, wie mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen umgegangen wird", ergänzt Schardt. Den Verbrauchern, die momentan keinen Gasvertrag haben, rät Bieberbach kurzfristig zum Grundversorgungstarif. Das sei die günstigste Option, weil man in diesem das Gas zu den Einkaufspreisen des vergangenen Jahres kaufe.

"Es gibt keinen Grund, sofort einen Blackout zu vermuten"

Beim Strom ist die Lage laut Bieberbach hingegen angespannter. "Es gibt aber keinen Grund, sofort einen Blackout zu vermuten." Die hohen Preise liegen Bieberbach zufolge an den massiven Wartungsproblemen der Kernkraftwerke in Frankreich. Diese führten dazu, dass die Bundesrepublik Strom an das Nachbarland exportiere, was Schardt als "Paradoxie" angesichts der normalerweisen hohen Stromproduktion durch Kernkraft in Frankreich bezeichnet. Im Gegenzug profitiere Deutschland aber von den Leitungen, durch die LNG (Flüssigerdgas) über Frankreich und die Benelux-Länder ins Land fließe, so Bieberbach.

Dass eine Übergewinnsteuer eine Strompreisbremse finanzieren könnte, findet der SWM-Chef illusorisch, da die Hauptprofiteure der hohen Energiepreise ihren Sitz im Ausland hätten. Bieberbach schlägt stattdessen eine zeitlich begrenzte Anhebung der Körperschaftssteuer vor, durch die die Gewinner der Krise überproportional hohe Steuern zahlen würden, die leidenden Unternehmen aber abgefangen würden.

Im Hinblick auf die Debatte über die Kernkraft hält der Chef der SWM, die einen Anteil an dem Atomkraftwerk Isar 2 halten, den Streckbetrieb bis Mitte des kommenden Jahres für sinnvoll. Aufgrund der bekannten Gefahren sehe er langfristig jedoch keine Zukunft für die Atomkraft in Deutschland, so Bieberbach. Die sieht er dagegen eindeutig in den erneuerbaren Energien, insbesondere in Windkraft, Wasserstoff und Geothermie. "Die Region bekam lange Gegenwind von der Bundespolitik, die die Geothermie als südbayerische Besonderheit abgetan hat. Darunter leiden wir bis heute." Jetzt erkenne die Politik die großen Potenziale. Zu Schardts Frage, ob Deutschland im kommenden Jahrzehnt eine unabhängige Energieversorgung haben werde, will Bieberbach keine Prognosen abgeben. Nur so viel: "So billig wie früher wird das Gas wahrscheinlich nicht mehr." Aber mittelfristig würden sich die Preise wieder um das Niveau der Produktionskosten einpendeln.

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