Diskussionen beim SZ-Lesercafé:Verkehrslast drückt die Stimmung

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Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (hinten) hat viele Fragen zu beantworten. (Foto: CLAUS SCHUNK)

Die Bewohner im Norden des Landkreises genießen die gute Infrastruktur in ihren Kommunen. Aber sie kämpfen auch mit den Widrigkeiten, die der Boom in der Region mit sich bringt.

Von Klaus Bachhuber, Irmengard Gnau, Martin Mühlfenzl, Gudrun Passarge und Sabine Wejsada, Ismaning

Der Norden des Landkreises München hat auch Grund zur Freude, bei all den Problemen, die auf der Region lasten. Das kulturelle Angebot etwa in Ismaning - einmalig sei das und habe mit den Institutionen Kallmann-Museum, Seidl-Mühle und unzähligen Vereinen eine Anziehungskraft weit über die Gemeindegrenzen hinaus, ist beim Lesercafé der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch im Café Waldeck immer wieder zu hören.

Und doch schwingt in dem Loblied auf das Ismaninger Kulturleben immer ein wenig Schwermut mit, wenn etwa Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) sagt, dass die erdrückende Verkehrslast alles beeinflusst. "Das merkt man selbst bei einer Ausstellungseröffnung, wenn einige Gäste aus München oder Nachbargemeinden zu spät kommen, weil der Verkehr sie einfach aufgehalten hat", sagt Greulich.

Es sind lebhafte Diskussionen, die sich an diesem Mittwoch im Wintergarten des Cafés Waldeck entwickeln - und die Bandbreite der Themen, die von interessierten Lesern, Kommunalpolitikern, Kulturschaffenden, SZ-Mitarbeitern und Beamten der örtlichen Polizeiinspektion 26 behandelt werden, spiegeln die Probleme in den Wachstumskommunen Ismaning, Unterföhring, Garching und Oberschleißheim wider. Aber auch deren Sonnenseiten, Vorzüge, die das Leben dort lebenswert machen.

Alexander Novakovic, CSU-Gemeinderat und bei den Handballern des TSV Ismaning aktiv, schaut beim Lesercafé vorbei - und natürlich am "Mutti-Stammtisch" direkt nebenan, den er als noch junger Familienvater besucht. Auf dem Boden wuselt der kommende Handball-Nachwuchs - und darf sich innerlich schon auf eine neue Ballsporthalle einstellen. Baubeginn für die dann vierte Dreifachhalle in Ismaning wird noch im Frühjahr sein. Was manch einer als einen Luxus an Sportstätten bezeichnen könnte, nennt Bürgermeister Greulich die "Deckung eines Bedarfs, der einfach vorhanden ist". Ismaning ist eine Handball-, Tennis- und Fußball-Hochburg, die der großen Nachfrage - auch des Schulsports - gerecht werden muss.

Streng geheim - und doch in aller Munde

Doch der nördliche Landkreis mit all seiner Wirtschaftskraft, dem anhaltenden Wachstum, Zuzug und Verkehrsaufkommen steht vor großen Herausforderungen, die eine Kommune alleine nicht lösen kann. Mehr Blicke über die Gemeindegrenze hinaus wünschen sich einige Oberschleißheimer im Lesercafé der SZ. "Eine Gesamtschau für den Raum wäre nötig", hat Gabriele Kämpf vorab angemeldet. Tino Schlagintweit vom Bund Naturschutz Ober- und Unterschleißheim sähe zumindest diese beiden Nachbarn aufgerufen, ihre Entwicklung an der Nahtstelle und auch darüber hinaus gemeinsam zu gestalten - da wo Oberschleißheim sein neues Wohnquartier Mittenheim plant, Unterschleißheim Gewerbe entwickelt und die noch streng geheime Ansiedlung von BMW im Raum steht. Und wo der Bund Naturschutz gern einen Landschaftspark situieren möchte. Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FW) äußert Skepsis: Die Entwicklungsziele seien sehr unterschiedlich. Oberschleißheim habe Nachholbedarf an Wohnen und Gewerbe.

Die Lebensqualität im Norden, das wird beim Lesercafé deutlich, leidet unter dem Verkehr - unter dem wachsenden Individualverkehr auf den Straßen und Autobahnen und der Vernachlässigung des öffentlichen Personennahverkehrs. Ismaning, umzingelt von der Autobahn und der wohl bald vierspurigen B 471, lebt seit Jahrzehnten unter diesem Druck. Bürgermeister Greulich sagt unter zustimmendem Kopfnicken von Bürgern, er werde sich weiter für eine gerechte MVV-Tarifreform einsetzen, die Ismaning in den Innenraum bringt - nicht nur Ismaning, sondern auch Garching mit seinem Hochschulcampus fügt der Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) an.

Junge Leser im Café Waldeck. (Foto: Claus Schunk)

Kürzere Takte für U- und S-Bahn

Beide plädieren für einen Ausbau der kritischen Kreuzungspunkte an der B 471, Garching wünscht sich außerdem eine eigene Busspur zwischen den beiden Orten und wartet sehnsüchtig auf den Fünf-Minutentakt der U-Bahn, so wie Ismaning auf den Zehn-Minutentakt der S 8 zum Flughafen.

Das fordern seit Langem auch die Unterföhringer. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer von der Parteifreien Wählerschaft (PWU) wird nicht müde, für die Taktverdichtung zu kämpfen - und für den seit langem versprochenen Einsatz von Langzügen. Solche fahren nur sporadisch, und das dann zu Zeiten, in denen die vielen Pendler noch nicht zu ihren Arbeitsplätzen im großen Unterföhringer Gewerbegebiet unterwegs sind. Obwohl mit enormer Finanzkraft gesegnet, beklagt die Stadtrandkommune wie die meisten Orte im Landkreis horrende Boden- und Mietpreise und einen Mangel an erschwinglichen Wohnungen. Dies sei die größte Herausforderung für die Zukunft, sagt Dritter Bürgermeister Johann Zehetmair (PWU), was Wolfgang Schwaiger, Vorsitzender des Unterföhringer Seniorenbeirats, nur bestätigen kann. Dieser sieht gerade im Hinblick auf die steigende Altersarmut einen massiven Handlungsbedarf in den Kommunen.

Wie dies bewerkstelligt werden soll? Städte und Gemeinden müssten möglichst viel Grund in ihren Besitz bekommen, sagt etwa Joachim Krause, Fraktionssprecher der SPD im Garchinger Stadtrat.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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