Bauernprotest:Protestzug der Wütenden und Enttäuschten

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In Taufkirchen im Süden Münchens versammeln sich in den frühen Morgenstunden Landwirte mit ihren Traktoren zum Protestzug nach München. (Foto: Sebastian Gabriel)

Aus dem Münchner Umland rollen am Montag zahllose Landwirte mit ihren Traktoren zur Kundgebung nach München. Die Stimmung unter den Teilnehmern ist einhellig: Es reicht!

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Eigentlich würde sich Simon Hinterholzer jetzt langsam für die Uni fertig machen; seit Kurzem studiert der junge Landwirt aus Taufkirchen Agrarwissenschaften in München. Doch stattdessen steht er an diesem noch dunklen und frostigen Morgen dick eingepackt am Zacherlweg in seiner Heimatgemeinde - Seite an Seite mit zahlreichen Landwirten und einigen Landwirtinnen. Hinter ihnen sind Aberdutzende Traktoren in einer langen Schlange aufgereiht, deren Scheinwerfer in die Dunkelheit leuchten. An mehreren Motorhauben sieht man großformatige Plakate. "Wenn Ideologie und Dummheit uns regieren, kann Landwirtschaft nicht funktionieren", steht da zum Beispiel. Oder: "Grün-Gelb-Rot des Wirtschafts Tod."

Mit seinem Studium will sich Simon Hinterholzer, dessen Familie einen Ackerbaubetrieb in Taufkirchen unterhält, für die Zukunft wappnen. Und doch lässt er heute sämtliche Vorlesungen sausen - weil es hier am Zacherlweg ebenfalls um seine Zukunft geht. Denn er und die anderen Landwirte aus der Region sind in Taufkirchen zusammenkommen, um sich den bundesweiten Bauernprotesten anzuschließen. Im Fokus der Kritik stehen die Sparpläne der Bundesregierung, die freilich in Teilen schon wieder zurückgenommen wurden. So sollen Land- und Forstwirte - anders als zunächst angekündigt - weiterhin keine Kfz-Steuer für Traktoren und Mähdrescher zahlen.

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Und auch die Subventionen beim Agrardiesel werden nicht sofort, sondern nur schrittweise abgebaut. Dennoch halten die Landwirtinnen und Landwirte an ihrem Protest fest. Und auch Simon Hinterholzer betont: "In den vergangenen Jahren sind so viele Themen zusammengekommen. Die Kfz-Steuer und der Agrardiesel waren da nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat."

"Die Agrarpolitik der letzten fünf bis zehn Jahre hat dazu geführt, dass wir in Europa kaum mehr konkurrenzfähig sind", sagt der Taufkirchner Landwirt Thomas Binsteiner. (Foto: Sebastian Gabriel)

Exakt die gleiche Formulierung wählt auch Hinterholzers Berufskollege Thomas Binsteiner, der ebenfalls aus Taufkirchen stammt. Er betreibt dort einen Hof mit 300 Mastbullen - nur einen Steinwurf von jener Kreuzung am Zacherlweg entfernt, den der Bayerische Bauernverband als Sammelpunkt für Landwirtinnen und Landwirte aus der Region bestimmt hat. Von hier aus sollen sie mit ihren Traktoren in einem Protestzug nach München zum Odeonsplatz rollen, wo an diesem Tag die zentrale Kundgebung anberaumt ist.

"Wir wollen ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann", betont Thomas Binsteiner. "Die Agrarpolitik der letzten fünf bis zehn Jahre hat dazu geführt, dass wir in Europa kaum mehr konkurrenzfähig sind. Wir müssen immer mehr Auflagen erfüllen und gleichzeitig gehen die Subventionen runter." Hinzu komme fehlende Planungssicherheit, beklagt Thomas Binsteiner. "Wenn ich heute einen Stall für zwei Millionen Euro baue, dann weiß ich nicht, ob ich den in fünf Jahren schon wieder umbauen muss, weil sich die Auflagen womöglich ändern."

Noch im Dunkeln sammelten sich die Teilnehmer mit ihren Traktoren am Zacherlweg in Taufkirchen. (Foto: Sebastian Gabriel)
Begleitet von der Polizei setzt sich der Zug nach Sonnenaufgang in Bewegung. (Foto: Sebastian Gabriel)
Und auch begleitet von Zustimmung am Straßenrand. (Foto: LEONHARD SIMON/REUTERS)

Keine Frage: Es hat sich viel Frust und viel Wut angestaut - nicht nur bei Simon Hinterholzer und Thomas Binsteiner, sondern bei fast allen Landwirtinnen und Landwirten, davon ist zumindest Anton Stürzer überzeugt. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, dessen Hof im nahen Höhenkirchen-Siegertsbrunn liegt, ist an diesem Morgen zwar nicht zum Sammelpunkt an den Zacherlweg gekommen, weil er als Ordner am Odeonsplatz gebraucht wird. Im Geiste jedoch ist der 60-Jährige ganz bei seinen Kolleginnen und Kollegen in Taufkirchen. So betont Stürzer: "Die Stimmung ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir sagen: Es reicht!"

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Laut dem Kreisobmann waren die Produktionskosten in der Landwirtschaft 2023 "die höchsten in den letzten fünfzig Jahren". Zugleich seien die Erlöse nach einem zwischenzeitlichen Anstieg wieder auf das Vor-Corona-Niveau abgesackt. "Was wir brauchen, sind faire, anständige Preise", fordert Stürzer. "Doch leider fehlt es in der Gesellschaft an Wertschätzung für Lebensmittel - und an Wertschätzung für die Arbeit, die wir auf den Feldern leisten." All dies werde das Höfesterben in Deutschland beschleunigen, warnt der Landwirt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn. "Denn so, wie es im Moment läuft, können die Jugendlichen viele Betriebe nicht weiterführen." In der Folge würde sich die Lebensmittelproduktion zunehmend ins Ausland verlagern, warnt Stürzer. "Damit machen wir uns von anderen Ländern abhängig. Und wir können auch nicht mehr kontrollieren, wie und unter welchen Bedingungen unsere Lebensmittel hergestellt werden."

Genau dieses Schreckensbild malt auch der Taufkirchner Landwirt Thomas Hinterholzer im Zacherlweg an die Wand. Er würde sich vor allem wünschen, "dass der versprochene Bürokratieabbau in der Landwirtschaft endlich umgesetzt wird". Und: "Dass wir bei unserer Arbeit mehr Freiräume bekommen." Sagt's und gesellt sich wieder zu seinen Kollegen, die wenig später in ihre Traktoren steigen und losrollen. Um ihre Wut und ihren Protest bis nach München zum Odeonsplatz zu tragen.

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