Bauernprotest:Es geht auch ohne Krawall

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Bei der vom Bauernverband veranstalteten Gesprächsrunde in Arget blieben die Traktoren auf dem Feld. (Foto: Claus Schunk)

In Arget, tief im Münchner Süden, diskutieren 80 Landwirte und Politiker sachlich und friedlich miteinander über die Agrarpolitik. Selbst die zwei einzelnen Polizisten vor der Tür wären nicht nötig gewesen.

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Die zwei Polizisten vor dem Eingang zum Gasthof Schmuck machen einen entspannten Eindruck. Bei Bedarf stünden weitere Einsatzkräfte bereit, sagt einer der beiden, nimmt einen Zug von seiner Zigarette und fügt dann lächelnd hinzu: "Aber ich glaube nicht, dass wir das brauchen."

Tatsächlich hätte man bis vor Kurzem noch verständnislos den Kopf geschüttelt über Polizeibeamte, die zu Veranstaltungen ausrücken, bei denen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Landwirtschaft zum Meinungsaustausch treffen - so wie an diesem Tag im Sauerlacher Ortsteil Arget. Doch seit es bei Bauernprotesten in Biberach, Bamberg und Co. zu unschönen Zwischenfällen bis hin zum Abbruch von Veranstaltungen gekommen ist, will man seitens des Staats auf Nummer sicher gehen - auch wenn Anton Stürzer mit Blick auf den Diskussionsabend am Donnerstag keinen Bedarf sieht.

"Ich war sehr überrascht, dass die Polizei hier ist", sagt der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Schließlich seien im Landkreis München Ausschreitungen wie andernorts undenkbar, ist Stürzer überzeugt. "Wir sind keine Rechten", betont der Landwirt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, der selbst Mitglied der CSU ist und für diese im Kreistag sitzt, in seinen Eingangsworten. "Und wir wollen heute nur zeigen, warum wir Bauern in den vergangenen Wochen und Monaten demonstriert haben."

Der öffentliche Umgang mit den Landwirtinnen und Landwirten könne so nicht weitergehen, findet Stürzer. "Weil wir eine andere Wertschätzung in der Öffentlichkeit nicht nur brauchen, sondern auch verdient haben." Adressat dieser und weiterer Botschaften der Bauern aus der Region ist an diesem Abend die Politik. Doch anders als bei den jüngsten Demonstrationen sind damit nicht etwa die Spitzen der Ampelkoalition in Berlin gemeint, Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne), sondern deren Parteifreunde aus dem Landkreis München. Aus diesem Grund hat der BBV-Kreisverband sämtliche Ortsvorsitzenden der drei Ampelparteien zu einem "gemeinsamen Austausch" eingeladen, zu dem sich tatsächlich gut 80 Personen aus Landwirtschaft und Politik im Gasthof einfinden.

Gut 80 Landwirte und Politiker sind zur Diskussion des Bauernverbands ins Gasthaus Schmuck in Arget gekommen. (Foto: Claus Schunk)

Bevor es dort aber ans Diskutieren geht, wollen Bauern-Obmann Stürzer und Kreisbäuerin Sonja Dirl noch etwas loswerden - nämlich Kritik und durchaus deftige Worte, denen man den angestauten Zorn in weiten Teilen der Bauernschaft anhört. Die Pläne der Bundesregierung für eine Abschaffung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel sowie der Kfz-Steuerbefreiung für Landmaschinen - sie lösten Ende 2023 die bundesweiten Bauernproteste aus - seien nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte, sagt Stürzer. "Was die Politik mit der Landwirtschaft macht, ist schon seit zwanzig Jahren existenzbedrohend."

Dass in dieser Zeit überwiegend CSU-Minister verantwortlich waren, also Parteifreunde Stürzers, erwähnt dieser nicht. Stattdessen bemängelt er fehlende Planungssicherheit aufgrund ständig neuer Auflagen, die hohe Belastung durch Bürokratie sowie vor allem die geringe Wertschätzung für Landwirte und deren Lebensmittel. Und Stürzer warnt: "Den Bauern wird's wirtschaftlich in den nächsten Jahren nicht gut gehen. Weil wir eine Inflation haben, weil wir gestiegene Energiekosten haben und weil wir eine enorme Preisspirale haben."

Nach dieser Warn- und Wutrede sind die eingeladenen Lokalpolitiker dran. So gibt Stefan König (Grüne) aus Unterhaching zu bedenken, dass viele Probleme der Bauern nicht erst voriges Jahr entstanden seien - sondern eben in der Zeit davor, als die Landwirtschaftsministerien in Bund und Land in der Hand von CSU und CDU waren. Katharina Creydt (SPD) aus Neubiberg will von den Bauern und Bäuerinnen wissen, ob sie in den örtlichen Schulen die Werbetrommel rühren, um jungen Menschen den Wert regionaler Lebensmittel zu vermitteln. Und Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern - sein Beispiel zeigt, dass auch CSU-Politiker an diesem Abend zugegen sind - benennt "zwei große Probleme" für die Landwirtschaft im Landkreis München: "nämlich Flächenknappheit und Ausgleichsflächen".

Da Letztere für jeden Eingriff in die Natur nachgewiesen werden müssen, stünden Bauern "in einem ungerechten Konkurrenzkampf mit allen Bauprojekten", sagt Kern. Worauf Kreisobmann Stürzer sogleich mutmaßt, dass die aktuell schlechte Lage vieler Landwirte in der Region "ein bisschen gesteuert ist" - mit dem Hintergedanken, dass sie deshalb Flächen verkaufen müssen, die dann wiederum zu Bauland werden können.

"Bin ich wahnsinnig? Ich gehe in die Höhle des Löwen."

Nachdenkliche Worte kommen derweil von der Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Köhler aus Unterhaching, die mit Blick auf die jüngsten Bauernproteste in Bamberg bei einer deswegen abgebrochenen Veranstaltung ihrer Partei mahnt: "Das macht was mit einem, und das muss alle Demokraten aufschrecken." Tatsächlich räumt Köhlers Parteifreundin Cornelia Huber-Danzer aus Oberhaching ein: "Als ich die Einladung für heute Abend gekriegt habe, habe ich mir gedacht: Bin ich wahnsinnig? Ich gehe doch nicht in Höhle des Löwen."

Doch dann habe sie es sich anders überlegt und sei gekommen - zum Glück, findet Maike Vatheuer-Seele (FDP) aus Taufkirchen. Schließlich sei es "unglaublich wichtig", dass Politik und Landwirtschaft auf kommunaler Ebene ins Gespräch kommen. "Wir sollten im Austausch bleiben", sagt die Liberale. "Es würde mich freuen, wenn ich jedes halbe Jahr eine Einladung von Ihnen kriege. Und ich würde kommen."

Mehr als zwei Stunden lang debattieren Landwirte und Politiker angeregt und kontrovers, aber durchgehend sachlich und friedlich. Nach der Veranstaltung strömen sie ins Freie und zu ihren Autos - Traktoren sind an diesem Abend vor dem Gasthof weit und breit keine in Sicht. Dafür stehen auf dem Parkplatz weiterhin die beiden Polizisten - und machen immer noch einen entspannten Eindruck.

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