Zusammenarbeit mit AfD:Im Kreistag hält die Brandmauer

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Bisher will im Landkreis München niemand etwas mit der AfD - hier ihr Bundestagsabgeordneter Gerold Otten aus Putzbrunn bei einer Veranstaltung im Unterhachinger Fußballstadion - zu tun haben. (Foto: Claus Schunk)

CDU-Chef Friedrich Merz erfährt für seine Aussagen über eine mögliche Kooperation mit der rechtspopulistischen Partei in der Kommunalpolitik Widerspruch von Christsozialen aus dem Landkreis München.

Von Stefan Galler und Anna-Maria Salmen, Landkreis München

Welches Fass Friedrich Merz am Wochenende mit seinen Aussagen über eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene aufgemacht hat, sollte sich gleich am Montag im Landkreis München zeigen: Im Kreistag, der ausnahmsweise schon am Vormittag in Grünwald tagte, ging es um die Verlängerung der Arbeitsverträge für das Personal im Landratsamt, das sich um Flüchtlinge aus der Ukraine kümmert - eigentlich eine Routineangelegenheit und ein Thema von geringer politischer Bedeutung. Doch ehe die Mitglieder des Kreistags mit großer Mehrheit zustimmten, die Verträge für die 40 Stellen bis 30. Juni 2025 zu verlängern, meldete sich die Christina Specht zu Wort.

Die Sprecherin der AfD-Gruppe im Kreistag brachte in einem Wortbeitrag ihr Missfallen über den Beschlussvorschlag zum Ausdruck und bezeichnete die vor dem russischen Angriffskrieg geflüchteten Ukrainer als "Einwanderer". Während Landrat Christoph Göbel (CSU) noch versuchte, so sachlich wie möglich auf die Einlassung der AfD-Kreisvorsitzenden einzugehen, platzte seinem Stellvertreter und CSU-Parteifreund Ernst Weidenbusch der Kragen: Spechts Äußerungen seien "eines kommunalen Gremiums unwürdig", schimpfte Weidenbusch. Flucht mit Einwanderung gleichzusetzen, sei "abscheulich".

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Es ist die Strategie der selbsternannten Alternative für Deutschland, weniger durch konstruktive Vorschläge aufzufallen als durch Provokation - da machen ihre Vertreter im Landkreis München keine Ausnahme. Insofern überrascht es wenig, dass die hiesigen Christsozialen auf die Worte des CDU-Parteichefs im ZDF-Sommerinterview am Montag verständnislos reagieren. Eine Zusammenarbeit mit der AfD könne es nicht geben, so der Vize-Landrat und CSU-Landtagsabgeordnete Weidenbusch. Landrat Göbel nennt Merz' Statement eine "dumme Äußerung" und rät diesem, er solle sich mehr darauf konzentrieren, jene Wähler zurückzugewinnen, die sich frustriert von der CDU abgewandt hätten. Eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene sei für ihn, Göbel, "nicht möglich und auch nicht denkbar".

Die AfD-Vertreter würden "überhaupt nicht im Portfolio der Themen des Landkreises" arbeiten, sondern seien nur darauf aus, "von der Parteizentrale gelenkte und formulierte Parolen" zu setzen, sagt der Landrat. Merz meine vermutlich, bei der Kommunalpolitik handle es sich um eine Art Basisarbeit. "Dabei verkennt er völlig, welche Bedeutung die Kommunalpolitik hat." Ein kommunalpolitisches Amt setze Verantwortungsbewusstsein voraus, "das diese Typen definitiv nicht haben", so Göbel.

"Eine Zusammenarbeit kommt, egal auf welcher Ebene, nicht in Frage"

Ähnlich äußert sich auf Anfrage der CSU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis München-Land, Florian Hahn, der auch dem Kreistag angehört. "Der Praxistest im Kreistag zeigt, dass die AfD-Leute nicht nur von tiefer rechtsextremer Gesinnung sind, sondern auch in keiner Weise die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger vor Ort wahrnehmen", so der Unterhachinger. Gerade im Landkreis betreibe die AfD "nur ideologische Krawall-Politik". Deshalb gilt für Hahn nach eigenen Worten: "Für uns als CSU kommt eine Zusammenarbeit, egal auf welcher Ebene, nicht in Frage." Allzu scharf mit Merz ins Gericht gehen will Hahn jedoch nicht. Die Aussagen des CDU-Vorsitzenden nennt er "unglücklich".

Einig ist sich Hahn mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Weidenbusch darin, dass die CSU einen Teil der Wähler, die man an die AfD verloren hat, zurückgewinnen müsse. Schließlich gebe es etwa "bei der Migration auch Schattenseiten". "Darum müssen wir uns kümmern", so Hahn. Dennoch kommt auch für den Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl, der für die CSU im Herbst in den Landtag einziehen will, eine Zusammenarbeit mit der AfD nach eigenen Worten nicht infrage. "Auf Basis unserer christlich-sozialen Werte arbeiten wir auf keiner Ebene mit keiner extremistischen Partei zusammen", so Böltl, "egal ob links oder rechts."

Von einem Verbot der AfD hält Stefan Schelle, der Oberhachinger Bürgermeister und CSU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, gleichwohl nichts. Er sieht viel mehr die demokratischen Kräfte in der Pflicht: "Unser Ziel muss sein, dass diese Partei nicht mehr nötig ist, weil sich die Menschen bei den anderen gut aufgehoben fühlen." Extremistische Bestrebungen dürften keinen weiteren Vorschub erhalten. Allerdings müsse man ein Wählervotum respektieren, findet Schelle, "und den demokratischen Grundregeln entsprechend fair mit denjenigen umgehen, die gewählt wurden". Das gelte aber nicht für jene AfD-Vertreter, "die demokratiefeindlich sind und den Rechtsstaat ablehnen".

"Wir ändern unser Abstimmungsverhalten nicht, wenn die AfD die Hände hebt"

Wie also umgehen mit gewählten Vertretern der AfD in kommunalen Gremien? In Unterschleißheim stellt sich diese Frage so konkret wie sonst in keiner Kommune im Landkreis. Seit der Kommunalwahl 2020 ist die Partei mit zwei Mitgliedern im Stadtrat vertreten. Eine direkte Zusammenarbeit mit der AfD schließt Stefan Krimmer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion, kategorisch aus: "Diese Frage hat sich noch nie gestellt - Punkt." Dass er sich vor drei Jahren mit Stimmen der AfD zum stellvertretenden Bürgermeister wählen lassen wollte - offenbar kein Thema mehr.

Trotz seiner Absage an eine Zusammenarbeit plädiert Krimmer für einen "pragmatischen Umgang" mit der AfD, wie er es ausdrückt: Das eigene Abstimmungsverhalten danach auszurichten, wie die AfD votiert, könne nicht zum Ziel führen. "Stellen Sie sich das mal beim Haushalt vor, wenn die AfD dafür stimmt und alle anderen Fraktionen deshalb dagegen sein müssten."

Wenn eine sinnvolle Sache beschlossen werden müsse - beispielsweise ein Antrag zur Verbesserung der Kinderbetreuung - dürften solche parteipolitischen Fragen die Entscheidung nicht bestimmen. "Wir ändern unser Abstimmungsverhalten nicht, wenn wir sehen, dass bei der AfD die Hände nach oben gehen."

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