Lab Campus am Airport:Weniger Jobs als geplant - Kritik aus dem Umland bleibt

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  • Zunächst war von 20 000 neuen Jobs die Rede, die mit dem neuen Innovationspark im Norden von München in Flughafen-Nähe entstehen sollten - zuletzt sprachen die Verantwortlichen allerdings nur noch von etwa 3000 Arbeitsplätzen.
  • In Freising und Erding befürchten Politiker nun, dass die Zahlen bewusst herunter gerechnet werden.
  • Denn nach der Vorstellung der Pläne im Frühjahr hatte es Bedenken gegeben, der Druck auf den Wohnungsmarkt und die Verkehrsinfrastruktur könnte überproportional zunehmen.

Von Pia Ratzesberger und Kerstin Vogel, München/Freising

Im Norden von München, direkt am Flughafen, soll eine eigene kleine Stadt entstehen, so groß wie 70 Fußballfelder. Gründer und Investoren sollen dort zusammenkommen, Wissenschaftler und Kreative, Reisende sowieso. Als Thomas Weyer, einer der Geschäftsführer der Flughafen München GmbH (FMG), im März die Pläne vorstellte, sprach er von mehr als 20 000 neuen Jobs, allein 5000 nach dem ersten Bauabschnitt. In zweieinhalb Jahren soll dieser fertig sein - jetzt ist dafür aber plötzlich nur noch von 3000 Jobs die Rede. Und Geschäftsführer Weyer distanziert sich sogar von der Zahl der 20 000 Arbeitsplätze insgesamt. Das könnte damit zu tun haben, dass seine Pläne im Umland alles andere als gut ankommen.

Während man sich in der Gemeinde Hallbergmoos zunächst sorgte, dass Firmen aus dem eigenen "Airport Business Park" an den Flughafen abwandern könnten, fürchtet man in Erding und Freising, dass durch den neuen Lab Campus noch mehr Menschen in die Region ziehen als ohnehin - und damit der Druck auf den Wohnungsmarkt und die Verkehrsinfrastruktur überproportional zunimmt. "Was hat ein Innovationspark noch mit den Aufgaben eines Flughafens zu tun?", fragte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Erdinger Kreistag, Helga Stieglmeier - dort fühlten sich viele von dem Projekt überrumpelt. Erdings Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) kritisierte, dass im sogenannten Planfeststellungsverfahren nur Freising angehört worden sei: "ein Unding."

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Auch in Freising aber ist man nicht glücklich mit den immer neuen Projekten, die der Flughafen in seinem Norden plant: der Lab Campus, Abstellflächen für Taxis, ein Rastplatz für Lastwagen. Die "aktuellsten Erweiterungspläne der FMG sind kaum mehr zu überblicken", heißt es in einer Stellungnahme der Stadt Freising. Dass sich der Flughafen bei den künftigen Arbeitsplätzen am Lab Campus verrechnet haben will, ist für den Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher "nur schwer zu verstehen". Der Druck durch die Entwicklung am Flughafen nehme weiter zu, sagt er, und stelle die Kommunen vor enorme Herausforderungen, vor allem im Wohnungsbau. Der Lab Campus an sich sei zwar ein interessantes Projekt, Eschenbacher hofft aber, "dass die FMG mit dem gleichen Engagement an dem Thema Wohnraumschaffung dran bleibt, um die Lasten etwas abzumildern".

Es steht auch der Verdacht im Raum, dass der Flughafen die Zahlen bewusst runterrechnet, um sich Ärger im Umland zu ersparen. Der Landtagsabgeordnete Benno Zierer (FW), der auch im Freisinger Stadtrat sitzt, spricht von "unseriösen Rechenschiebereien". Und auch der Moosburger Grünen-Stadtrat und Landtagskandidat Johannes Becher wittert Absicht: "Offenbar rechnet man immer so, wie man das Ergebnis gerade braucht."

Fragt man beim Flughafen nach, wie man sich beim ersten Teil des Lab Campus um 2000 Arbeitsplätze verrechnet haben könne, sagt Thomas Weyer, der Geschäftsführer für Finanzen und Infrastruktur, dass man bei den ersten Rechnungen die kompletten Flächen herangezogen habe - und nicht berücksichtigt habe, dass dort auch Konferenzräume oder Showrooms untergebracht sind. Deshalb habe man die erste Zahl von 5000 Jobs auf 4000 reduziert. In diese Zahl wiederum seien auch Arbeitsplätze eingerechnet, die es schon gibt. Mitarbeiter also, die nur mal eine Zeit lang auf dem Campus arbeiten. "Deshalb gehen wir von 3000 permanenten Arbeitsplätzen im ersten Quartier aus."

Auch das aber bedeutet Weyer zufolge nicht, dass demnächst 3000 Menschen rund um den Flughafen eine Wohnung suchen werden. Man gehe davon aus, dass etwa die Hälfte der Leute bereits in München oder dem Umland wohne, zum Beispiel die Mitarbeiter der Airport Academy. Auch Angestellte von Münchner Firmen hätten "keinen Anlass, ihren Wohnort zu wechseln". Laut Weyers Prognosen blieben am Ende nur 1500 Menschen, die eine Wohnung bräuchten - und von denen würden nicht alle nach Freising oder Erding ziehen. Etwa 40 Prozent der Mitarbeiter am Flughafen lebten dort, umgerechnet auf die neuen Jobs wären das also 600 Leute.

Rechnet man die neuen Zahlen von Weyer hoch, so wie die Flughafen-Manager es im März getan und 20 000 neue Jobs prophezeit hatten, kommt man immerhin noch auf 12 000 Jobs - auch die Zahl aber könne so nicht stimmen, sagt der Geschäftsführer des Flughafens. "Bei näherer Betrachtung" der verschiedenen Abschnitte sei herausgekommen, dass deutlich weniger Arbeitsplätze entstehen würden. Im zweiten Teil des Lab Campus zum Beispiel werde die Verwaltung des Flughafens untergebracht, im vierten Teil der Besucherpark, der viel Fläche einnehme.

Trotz all der Rechenvarianten hat man in Erding schon Konsequenzen gezogen. Bisher teilte sich die Kreisstadt auf der Immobilienmesse Expo Real in München einen Stand mit der Flughafen München GmbH und der Gemeinde Hallbergmoos aus dem Landkreis Freising. Weil in diesem Jahr dort auch die Lab Campus GmbH vertreten sein soll, hat Erdings Oberbürgermeister Max Gotz einen "Interessenskonflikt" ausgemacht und dem Erdinger Stadtrat mitgeteilt, dass die Stadt nicht an der Messe teilnehmen werde. In Hallbergmoos dagegen setzt man auf Kooperation: Bürgermeister Harald Reents (CSU) will weiter mitmachen. Er sehe den Lab Campus als Chance, dass sich noch mehr Firmen in seiner Gemeinde ansiedelten.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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