Kunstaktion in der LMU:Die Botschaft dieser Schreibmaschine ist auch heute noch aktuell

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"Man kann sich mit dem Nationalsozialismus nicht geistig auseinandersetzen, weil er ungeistig ist": Das schrieb die "Weiße Rose" in ihrem zweiten Flugblatt. (Foto: Catherina Hess)

Im Lichthof der LMU tippen Schüler und Studenten die Flugblätter der Weißen Rose ab. Auf demselben Modell, das auch die Widerstandskämpfer vor 75 Jahren genutzt haben.

Von Wolfgang Görl

Es ist zehn Uhr morgens, durch die Flure um den Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität gehen Studenten zu ihren Seminaren und Vorlesungen. Der übliche Uni-Betrieb, aber an diesem Montag geschieht etwas Irritierendes: Jazzige Saxofonklänge, live gespielt von Enrico Sartori, hallen durch den Raum, dazu, fast wie Schlagzeugrhythmus, die knallharten Anschläge einer mechanischen Schreibmaschine.

Was ist da los? Nun, in der Mitte des Lichthofs befindet sich ein Podium, auf diesem stehen ein Schreibtisch und ein Stuhl, auf dem soeben die Pädagogik- und Soziologiestudentin Anna Schärfl Platz genommen hat. Sie hackt in die Schreibmaschine, deren Geräusche über Mikrofon und Lautsprecher verstärkt werden. Der Text, den sie schreibt, projiziert eine Kamera auf eine Leinwand. Zu lesen ist: "Man kann sich mit dem Nationalsozialismus nicht geistig auseinandersetzen, weil er ungeistig ist."

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Mit diesen Worten beginnt das zweite von sechs Flugblättern, mit denen die "Weiße Rose" die Verbrechen des Nazi-Regimes anprangerte und zum Widerstand aufrief. Das fünfte Flugblatt, in dem unter anderem der Satz steht, "mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund", wurde vor genau 75 Jahren, in den letzten Januartagen 1943 verbreitet. Daran und generell an den Widerstand der Weißen Rose erinnert die Aktion "Remember - Nachtmenschen im Lichthof", welche die Evangelische Studentengemeinde initiiert hat.

"Wir wollen das Hämmern der Schreibmaschine nutzen, damit sich die Studenten wundern", sagt Studentenpfarrer Friedemann Steck, der die Idee zu der Aktion hatte. Neben dem Gedenken an die Weiße Rose gehe es auch darum, "den Mantel der Gleichgültigkeit zu zerreißen". So hat es auch Hans Scholl im fünften Flugblatt formuliert. (Neben ihm und Alexander Schmorell gehörten zu diesem Zeitpunkt auch Sophie Scholl, Christoph Probst, Kurt Huber und Willi Graf zum inneren Zirkel der Weiße Rose.) Und Studentenpfarrer Steck fügt hinzu: "Das ist auch heute noch aktuell: Courage zu haben, den Blick fürs Ganze, und sich nicht einlullen lassen vom studentischen Alltag."

Für 130 Euro hat Steck bei Ebay eine Schreibmaschine des Typs Remington Portable 1928 ersteigert, ein Modell, das seinerzeit auch die Mitglieder der Weißen Rose bei ihrer nächtlichen Schreibarbeit benutzten. In den Vorlesungspausen kann nun jeder, dem es danach ist, auf der alten Schreibmaschine ein paar Zeilen der damaligen Flugblätter abtippen. Anna Schärfl etwa hat sich spontan dazu entschlossen, "weil ich diese Erinnerungsaktion für gut und wichtig halte".

Aber auch Schüler und Schülerinnen des Oskar-von-Miller-, des Maximilians- und des Luitpold-Gymnasiums machen mit. Eine davon ist Sarah, die in die zwölfte Klasse des Oskar-von-Miller-Gymnasiums geht. "Es ist wichtig, seine Meinung zu äußern, auch wenn man die politische Lage heute betrachtet", sagt sie. Für Sarah sind junge Menschen wie die Geschwister Scholl ein Vorbild, weil sie Haltung und Mut gezeigt haben. Das sei auch heute wieder nötig: in puncto AfD oder mit Blick auf Trumps USA, die Türkei oder Russland.

Ähnlich sieht es Calla Latz aus dem Luitpold-Gymnasium: "Ich finde es gut, an diese Menschen zu erinnern, die für Freiheit und Gerechtigkeit kämpften. Das ist noch heute aktuell." Jetzt aber muss sie weitermachen, Handzettel verteilen und weiße Rosen. Es ist gar nicht so einfach. Nicht wenige Studenten ziehen den Kopf ein und hasten weiter. Aber einige bleiben - und tippen die Botschaften der Weißen Rose.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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