Der Plan klingt perfekt und hat den Segen des Gasteig-Aufsichtsrats: Alle Einrichtungen, die jetzt im Kulturzentrum beheimatet sind, sollen gemeinsam auf ein Stadtwerke-Areal in Sendling umziehen; dort soll eine provisorische Philharmonie für die Münchner Philharmoniker und Gastorchester wie die BR-Symphoniker gebaut werden. Noch heuer sollte der Stadtrat darüber entscheiden, um nicht den Zeitplan für die Gasteig-Sanierung ins Wanken zu bringen.
Doch daraus wird nichts: Der Ältestenrat hat die Abstimmung in den Januar verlegt. Unter den Stadträten werden Zweifel laut und auch das Gesamtkonzept wird infrage gestellt. OB Dieter Reiter (SPD) sieht das Projekt zwar nicht in Gefahr, aber es müssten noch "eine Reihe von Fragen geklärt werden".
Gasteig-Sanierung:Der neue Gasteig: 450 Millionen Euro - wofür eigentlich?
Dass das Kulturzentrum aus den frühen Achtzigerjahren generalsaniert werden muss, ist klar. Doch der Umbau geht weit darüber hinaus. 25 Projekte sollen umgesetzt werden - für fast eine halbe Milliarde Euro.
Hauptgrund für die Zweifel sind die Kosten. Knapp 100 Millionen Euro dürfte die Verlagerung von Stadtbibliothek, Volks- und Musikhochschule sowie Konzertsaal an die Hans-Preißinger-Straße kosten. Ein gutes Drittel davon entfällt auf den Bau einer hölzernen Philharmonie. Seit Sommer sind die ungefähren Summen bekannt. Widerstand dagegen flammt vor allem in der SPD auf. Dort gibt es Zweifel, ob Stadtbücherei, VHS und Philharmoniker wirklich gemeinsam umziehen müssten. Die größte Leihbibliothek der Stadt sollte doch lieber in der Innenstadt bleiben, am besten in einem Ausweichquartier direkt in Haidhausen, heißt es.
Die Notwendigkeit eines provisorischen Konzertsaals für die Philharmoniker scheinen die meisten Stadträte zu akzeptieren. Doch im Ältestenrat kam erneut die Frage auf, warum man mit der Schließung der Gasteig-Philharmonie nicht gleich bis zur Eröffnung des staatlichen Konzerthauses im Werksviertel warten könne - die aber wohl frühestens 2023 stattfinden dürfte.
Auch wenn es in der CSU-Fraktion offenbar Wohlwollen für ein rasches Votum gab, beschloss der Ältestenrat eine Vertagung in den Januar. Durchaus im Sinne von OB Reiter: Niemand stelle die grundsätzliche Notwendigkeit von Gasteig-Sanierung und -Interim infrage. Es gehe aber eben um enorme Kosten, zudem auch noch um ein schlüssiges Verkehrskonzept für Sendling.
Zudem müsse geprüft werden, ob das Architekturkonzept funktioniere, das Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner und der Architekt Clemens Bachmann für die derzeitigen Mieter erarbeitet haben. Es sieht vor, dass auf dem Stadtwerkeareal Modulbauten aufgestellt werden, um viele Künstler dort in ihren Räumen belassen zu können. Für all das, so Reiter, müsse man den Stadträten schon noch ein wenig Zeit zur Beratung lassen.
Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner kommentiert die Vertagung inhaltlich nicht, reagiert aber wenig begeistert: "Es ist nie gut, einen Zeitplan zu kippen." Der sah vor, noch in diesem Jahr eine Entscheidung des Stadtrats zu bekommen, um nicht zusätzlich den Zeitdruck für den Umzug zu erhöhen. Ein Auszug aus dem Gasteig ist Ende 2020 vorgesehen. Dann kommen viele technische Anlagen an das Ende ihrer Laufzeit - und sollte etwa eine Sprinkleranlage ausfallen, drohe die sofortige Schließung des Kulturzentrums, warnte der Gasteig-Geschäftsführer erst vergangene Woche. Deshalb sei es auch illusorisch, auf die Fertigstellung des neuen Konzerthauses im Werksviertel zu warten. "Alle Planungen sind auf dieses Datum 2020 ausgerichtet", betonte Wagner am Dienstag noch einmal.
Die Verzögerung erhöhe auch den Zeitdruck auf die Münchner Orchester, sagt Philharmoniker-Sprecher Christian Beuke. Sie müssten bereits jetzt mit der Planung der Saison 2020/21 beginnen, könnten aber Solisten und Gastdirigenten immer noch nicht sagen, in welchem Saal sie dann auftreten werden. Um Philharmoniker-Chefdirigent Valery Gergiev zu beruhigen, telefonierte OB Reiter am Dienstagabend mit ihm nach dessen Konzert in Xian. Das Orchester tourt derzeit durch China. "Ich habe ihm die Angst genommen, dass das Projekt ganz gekippt wird. Wir stehen zu den Plänen für einen Interims-Konzertsaal", so der Oberbürgermeister.
Reiter steht in regelmäßigem Kontakt mit Gergiev, der mit dem OB über eine Verlängerung seines Vertrags über 2020 hinaus verhandelt. Nach SZ-Informationen verbindet Gergiev das mit einer besseren finanziellen Ausstattung seines Orchesters, der akustischen Sanierung der Philharmonie und einem adäquaten Interimsquartier. OB Reiter sagte der SZ, er wolle den Dirigenten möglichst bald langfristig an die Philharmoniker binden: "Vieles, was wir musikalisch entwickeln wollen, ist mit dem Namen Gergiev verbunden."