Kommunalwahl in München:Strategien für die Stichwahl

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Duell mit unterschiedlichen Vorzeichen: Dieter Reiter (SPD, l.) und Josef Schmid (CSU) wollen OB in München werden. (Foto: Lukas Barth)

Sie wollen beide OB in München werden und brauchen dafür die Wähler der Grünen: Dieter Reiter und Josef Schmid stellen sich für die Stichwahl am 30. März auf. Reiter vertraut auf bewährte Allianzen, Schmid sucht nach neuen - und fordert den SPD-Kandidaten zum TV-Duell heraus.

Von Peter Fahrenholz, Dominik Hutter und Silke Lode

Eines ist nach dieser Wahl mit ihrem unklaren Ergebnis ganz klar: Egal ob Dieter Reiter oder Josef Schmid in der Stichwahl zum neuen Oberbürgermeister gekürt wird: Er kann sich auf keine klare Mehrheit im Stadtrat stützen - außer, er schließt ein Bündnis mit der jeweils anderen großen Partei. Mit der Option auf eine große Koalition können aber weder Reiter noch Schmid in die Stichwahl gehen, sie kann erst am Ende stehen, wenn zuvor viele fruchtlose Gespräche mit anderen Partnern geführt worden sind. Reiter und Schmid müssen beide versuchen, die Anhänger der Grünen auf ihre Seite zu ziehen.

Die Ausgangslage ist dabei denkbar unterschiedlich: Reiter liegt fast vier Prozentpunkte vor Schmid, er kann darauf hoffen, dass die Mehrheit der Grünen-Sympathisanten eine höhere Affinität zur SPD als zur CSU hat. Und alle bisherigen Erklärungen der Grünen laufen darauf hinaus, dass sie die rot-grüne Zusammenarbeit fortsetzen wollen und dafür dann eben zusätzliche Partner mit an Bord nehmen würden. Ob Reiter bei der Stadtversammlung der Grünen am Donnerstagabend eine öffentliche Wahlempfehlung der Grünen bekommt, hat für ihn eher einen symbolischen Wert: es sieht besser aus. Politisch hat eine solche Empfehlung kaum eine Wirkung, denn gerade die Grünen-Anhänger machen, was sie wollen.

Die Situation für Josef Schmid ist deutlich unkomfortabler. Er liegt nicht nur hinter Reiter zurück, auch die Grünen, die er heftig umwirbt, zeigen ihm bisher die kalte Schulter. Und auch Schmid bräuchte noch mindestens einen weiteren Partner, um überhaupt auf die notwendigen 41 Stimmen zu kommen. Die Rosa Liste, bisher mit im Boot von Rot-Grün, steht dafür wohl nicht parat.

Schmid will mit allen sprechen - zuerst aber mit den Grünen

Schmid kündigte trotzdem an, Gespräche "mit allen Demokraten" zu führen. Er betont weiterhin, er wolle mit wechselnden Mehrheiten regieren, trotzdem ist aber offenkundig, dass Schmid sich derzeit primär um die Grünen bemüht. "Mit ihnen führe ist als erstes Gespräche", kündigte er am Dienstag an. Falls Schmid die Stichwahl aber verliert, dürfte dieser Fokus aber schnell verloren gehen. Denn dann bleibt für die CSU als einzige Machtoption ein Bündnis mit der SPD.

Wohl auch deshalb ist Schmid klug genug, keine Stimmung gegen eine große Koalition zu machen. Noch aber geht es für ihn darum, sich von Dieter Reiter abzugrenzen und Sympathien für sich zu wecken. Reiter hat er deshalb zum TV-Duell herausgefordert - eine gute Chance für Schmid, sich selbst ohne zu viel CSU darzustellen. Reiter hat aber bereits abgewunken: es habe schon genügend Kandidaten-Duelle gegeben.

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Schmid scheut sich auch nicht, die SPD hart anzupacken: "Ich habe Zweifel, dass die SPD die Kraft hat, die Probleme dieser Stadt anzugehen." Die SPD sei im rot-grünen Bündnis immer der große Partner und damit "hauptverantwortlich für den Stillstand. Allerdings kommen auch die Grünen nicht ungeschoren davon: Schmid sowie CSU-Stadtchef Ludwig Spaenle zeigten sich empört, dass es zwischen Rot-Grün "vom ersten Moment an wieder um Posten geht". Spaenle sprach von "Machtversessenheit" und "Unverfrorenheit". Es war jedoch die CSU, die in puncto Posten bereits erste Zugeständnisse gemacht hat, indem sie Sabine Nallinger den Posten der Zweiten Bürgermeisterin offeriert hat. Das wiederum findet Reiter "ein bisschen dreist"

Ansonsten will Schmid aber lieber über Inhalte reden und sondieren, welcher potenzielle Partner bei welchen Sachproblemen hilfreich sein könnte. Mit den Grünen sieht er vor allem bei der Frage nach mehr Transparenz in Politik und Verwaltung Berührungspunkte, aber auch bei den Themen Bürgerbeteiligung, Wohnungsbau, öffentlicher Nahverkehr oder konkreten Anliegen wie einer zentralen Anmeldestelle für Kitas. Große Differenzen gibt es bei den Vorstellungen, wie die Probleme im Straßenverkehr angegangen werden sollen. "Darüber werden wir reden müssen", sagte Schmid. Bislang allerdings, das haben die Grünen durchaus aufmerksam registriert, hat sich die CSU noch nicht gemeldet. Anders als die SPD.

Alles vermeiden, was nach Koalitionsverhandlungen aussieht

Während Schmid also schmeichelt, was das Zeug hält, geht es für Reiter und die SPD darum, konkrete Festlegungen so gut es geht zu vermeiden und die Grünen trotzdem bei Laune zu halten. "Es wird keinen Themenkatalog geben", sagt SPD-Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann über die Gespräche mit den Grünen bis zur Stichwahl. Auch Reiter will bis dahin alles vermeiden, was nach vorgezogenen Koalitionsverhandlungen aussieht. "Ich habe ja gar kein Mandat dafür", sagt er, das sei ausschließlich die Aufgabe des gewählten Oberbürgermeisters. Natürlich hat diese Zurückhaltung mehr als nur formale Gründe. Denn die Situation nach der Stichwahl ist eine völlig andere als vorher: Dann gibt es einen gewählten Oberbürgermeister und er ist die entscheidende Figur auf dem politischen Schachbrett. Warum also sollte Reiter seinen Spielraum schon vorab durch Versprechungen aller Art einschränken?Für Reiter geht bei seinem Auftritt bei den Grünen am Donnerstag eher darum, Sympathiepunkte zu sammeln, die grüne Seele etwas zu streicheln. Und damit das durch manche persönliche Rempelei angespannte Verhältnis zwischen Rot und Grün wieder ins Lot zu bringen.

Unsicherheitsfaktor in der Strategie der beiden Stichwahlkandidaten bleiben die Grünen. Werden sie bei ihrer Stadtversammlung Gespräche an konkrete Bedingungen knüpfen und dabei überziehen? Gute Wahlergebnisse haben schon manchen übermütig gemacht. Ein echtes Problem hat die grüne Parteispitze, falls die Stadtversammlung Reiter durchfallen lässt. Dann gibt es nicht nur keine Wahlempfehlung - auch die Koalitionsgespräche stünden plötzlich zur Debatte.

"Sie sollten vermeiden, vor der Stichwahl Forderungen zu stellen", sagt SPD-Chef Pfaffmann mit Blick auf die Grünen. Und lässt einfließen, dass ein gewählter OB beträchtliche Handlungsoptionen hat. Er kann dann nämlich auch mit anderen reden. Neu wäre das nicht. Als Georg Kronawitter 1990 wiedergewählt wurde, ohne eine eigene Mehrheit zu haben, rechnete jeder mit einer schwarz-roten Kooperation. Auch der damalige CSU-Chef Peter Gauweiler. Der ließ damals, wie man in Bayern sagt, ganz schön die Hosenträger schnalzen. Bis es Kronawitter zu viel wurde und er stattdessen das rot-grüne Bündnis schmiedete.

© SZ vom 19.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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