Umstrittener Arbeitskampf:Fast jede zweite Kita wegen Streiks geschlossen

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"Wir können nicht mehr": Erzieherinnen und Erzieher haben am Dienstag auf dem Königsplatz für bessere Arbeitsbedingungen protestiert. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Etwa 1000 Erzieherinnen und Erzieher folgen dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi und protestieren auf dem Königsplatz. Elternvertreter hatten den Ausstand kritisiert - vor allem wegen des Zeitpunkts.

Von Nadja Tausche, München

Wegen des Streiks von kommunalen Beschäftigten sind am Dienstag zahlreiche Kitas in München geschlossen geblieben. Verdi hatte Beschäftigte im Erziehungs- und Sozialbereich bayernweit zum Streik aufgerufen, um eine höhere Eingruppierung in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zu erreichen - außerdem sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Fast die Hälfte der städtischen Einrichtungen musste geschlossen bleiben, berichtet Andreas Haas, Sprecher des Referats für Bildung und Sport. 151 Kitas waren dicht, 185 konnten öffnen, dazu kamen 26 teilgeschlossene Einrichtungen sowie solche, die bis Dienstagmittag keine Rückmeldung übermittelt hatten. Auch in den Tagesheimen hätten sich Schließungen und Öffnungen in etwa die Waage gehalten. "Grundsätzlich kann man sagen, dass die Lage sehr ruhig ist und bis jetzt keine Beschwerden von Eltern bei uns eingingen", sagt Haas. Im Vergleich zum jüngsten Streik 2020 sei ein leichter Anstieg an geschlossenen Einrichtungen zu erkennen.

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, versammelten sich laut Polizei etwa 1000 Streikende am Dienstagnachmittag zu einer Kundgebung auf dem Königsplatz. Das Hauptproblem der Branche: der Personalmangel, sagt Vera Illgen, Erzieherin in einer städtischen Kinderkrippe. Seit Monaten fehlten in ihrer Einrichtung drei Vollzeit-Pflegekräfte, morgens stelle sich oft erstmal die Frage: "Wie schaffen wir es, alle Kinder zu betreuen?" Ihre Kollegin Daniela Henrici stört vor allem die geringe Wertschätzung für den Beruf: "Wir werden als Kaffeetanten verschrien", sagt sie. Die Pandemie habe die Arbeit zusätzlich erschwert, von Notbetreuung könne keine Rede sein. Man habe in den vergangenen zwei Jahren den größten Teil der Kinder normal weiterbetreut.

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"Wir sind chronisch unterbesetzt, die Leute brennen aus"

Dazu sei die Angst gekommen, sich selbst zu infizieren, erzählt Gunda Oehme, die in einer städtischen Kita arbeitet. "Wir sind auch keine Maschinen." Jetzt zu streiken, findet Marco Sedlacek deshalb wichtig, um ein Zeichen zu setzen: "Wir sind chronisch unterbesetzt, die Leute brennen aus", sagt der Mitarbeiter einer Ganztagsbetreuung. Dass sich ein Mitarbeiter krank meldet, dürfe in seiner Einrichtung eigentlich nicht passieren: Dann sei schonmal eine Kollegin alleine für 25 Kinder verantwortlich.

Grund für den Warnstreik sind Verhandlungen zwischen Verdi und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, die Ende Februar zu keinem Ergebnis führten. Zuvor lag die Tarifrunde wegen der Pandemie seit März 2020 auf Eis. Beim Warnstreik waren auch Mitarbeiter des Kreisjugendrings angesprochen: Hier blieben am Dienstag vier Jugendtreffs geschlossen, in den Kitas konnte laut Sprecherin Angelika Baumgart-Jena eine Betreuung sichergestellt werden.

Der Arbeitskampf wird nach Ansicht von Elternvertretern auf Kosten der Familien ausgetragen

Kritik an dem Streik hatte es im Vorfeld von Eltern gegeben. Vor allem der Zeitpunkt sei unglücklich gewählt, sagt Daniel Gromotka vom Gemeinsamen Elternbeirat der städtischen Horte und Tagesheime in München. Direkt nach den Faschingsferien hätten viele Eltern Probleme, sich frei zu nehmen, außerdem seien deutlich mehr Familien betroffen als eine Woche zuvor. "Es tut maximal weh." Gromotka hat deshalb gemeinsam mit Elternbeiräten von Kitas in ganz Bayern einen Brief unterzeichnet: Darin fordern die Eltern die Tarifparteien auf, sich "schnell und zu beiderseitiger Zufriedenheit zu einigen".

Dass die Diskussion nach der Belastung durch die Pandemie erneut auf Kosten der Familien ausgetragen werde, "enttäuscht uns sehr", heißt es, und: "Die Durchführung des Streiks am Weltfrauentag erscheint als vorgeschobenes Argument." Prinzipiell, betont Gromotka, stehe man aber hinter den Forderungen der Gewerkschaft Verdi und hinter den Bemühungen, die Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern zu verbessern. Die kommunalen Arbeitgeber beklagten sich oft, man finde keine Beschäftigten - jetzt sei die Chance, den Beruf attraktiver zu gestalten.

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