Kinderbetreuung:Zum Abschied fließen Tränen

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Als sie Ende 2022 die Kündigung erhielten, hofften die "Hirschgarten-Zwerge" noch, dass sie andernorts werden weiterspielen können. Diese Hoffnung hat sich für die Kita zerschlagen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach Monaten der verzweifelten Raumsuche steht für die Eltern-Kind-Initiativ-Kita fest: Die "Hirschgarten-Zwerge" müssen dichtmachen. Doch für die Kindergartengruppe gibt es eine gute Nachricht.

Von Ellen Draxel

Für die "Hirschgarten-Zwerge" ist es das endgültige Aus, für die 19 Kinder der Kindergartengruppe aber geht es weiter - in einer städtischen Einrichtung im Viertel. Diese überraschende Wende hat sich zugunsten der bedrohten Kita erst vor wenigen Tagen angebahnt. Bis dahin war die Eltern-Kind-Initiative (EKI) aus Neuhausen-Nymphenburg, der vor einem Jahr überraschend die Räumlichkeiten an der Wotanstraße bis Ende 2023 gekündigt worden waren, von der unumgänglichen Abwicklung ihrer Einrichtung ausgegangen. Nun aber werden die Zwei- bis Sechsjährigen, wie es aus dem Referat für Bildung und Sport heißt, "geschlossen" als Gruppe von der Stadt weiterbetreut.

"Wir trauern zwar sehr unserer Eltern-Kind-Initiative und unserem pädagogischen Personal nach, freuen uns allerdings über diese neue Perspektive", sagt Humphrey Morhenn von den Hirschgarten-Zwergen. Denn bis zur überraschenden Zusage der Stadt hatten die Vereinsaktiven monatelang händeringend nach Alternativen gesucht - zumal Kindergartenplätze in der Gegend dringend gebraucht werden. In Neuhausen-Nymphenburg liegt der Versorgungsgrad bei 88 Prozent, im nahen Laim bei gerade mal 70 Prozent.

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Doch die Suche blieb ohne Erfolg - mit entsprechenden Folgen für die Moral. "Wir Eltern sind mittlerweile komplett ausgebrannt und verzweifelt", sagten Sarah Zeidler vom Vorstand und ihr Partner Morhenn noch Anfang August. Zwei ihrer drei Kinder gehen in die privat geführte Kita.

Wie tief Frust und Enttäuschung nach dieser Erfahrung sitzen, ist zu spüren, als die Eltern von ihren Erfahrungen erzählen. Option eins wäre ein Umzug innerhalb des Hauses gewesen. Derzeit sind die Hirschgarten-Zwerge und ihr Erzieher-Team im zweiten Stock untergebracht, die Etage darunter ist frei und wäre theoretisch nutzbar. "Diese Lösung würde uns aber 100 000 Euro kosten." Denn die Vermieterin besteht auf Schallschutzmaßnahmen im Interesse der Nachbarn. Die Stadt fördert solche Maßnahmen - allerdings nur, wenn sie dem Schutze der Kinder und des Personals dienen.

Sogar eine Räumlichkeit neben einem Bordell hatten sie in Betracht gezogen

Problematisch auch Angebot Nummer zwei an der Landsberger Straße, direkt neben einem Bordell. "Die Lage ist schwierig, dennoch haben wir diese Möglichkeit in Betracht gezogen", sagt Sarah Zeidler. Doch auch diese Variante hat ein unlösbares Dilemma: den Mietbeginn. Der Trägerverein hätte die Gewerbe-Immobilie bereits von März an bezahlen müssen. Zehn Monate doppelte Mietkosten, von denen die Kommune zwei übernommen hätte - nicht finanzierbar. Es gab noch weitere Objekte, die der Kindergarten aber, so die Eltern, "aus Angst vor Kinderlärm" nicht bekam.

Die vielversprechendste Immobilie entdeckte der Verein schließlich in unmittelbarer Nachbarschaft. Eine frühere Schlecker-Filiale, zuletzt als PC-Laden genutzt. "Ich kenne viele EKIs, die in ehemaligen Schlecker-Märkten untergekommen sind", sagt Ursula Baumgartner vom Kleinkinder-Tagesstätten-Verein KKT. Diese Immobilien seien "ideal" - mit den großen Fensterscheiben, die Licht in die Räume lassen, und von der Größe her.

Bei den Hirschgarten-Zwergen klappte es nicht - wegen "fehlender Unterstützung durch die Stadt", sagt Morhenn. 230 Quadratmeter Ladenfläche zu 16 Euro Miete pro Quadratmeter hatte die Vermieterin der Kita angeboten, "worüber wir glücklich waren, da dies die zuschussfähige Höchstgrenze ist". 60 Prozent der Raum- und Personalkosten wären so durch die Kommune gedeckt gewesen. Die Förderrichtlinien ermöglichen zwar bis zu 80 Prozent, aber um diese Summe zu erhalten, hätte der Verein seine Gruppe auf 25 Kinder aufstocken müssen - "was angesichts unseres pädagogischen Konzepts und der Betreuersituation nicht möglich war". Dennoch wäre der Trägerverein damit klargekommen.

Von der Stadt fühlen sich die Verantwortlichen im Stich gelassen

Zum Problem wurde die Unsicherheit bei der Kostenübernahme für bauliche Auflagen wie Brandschutz oder Fluchtwege. Laut Infoflyer des KKT "übernimmt die Stadt die besonderen Kosten, die der Elterninitiative oder dem Vermieter entstehen, wenn die Räume so umgebaut werden, dass darin Kinder betreut werden dürfen". Morhenn aber sagt, die Hirschgarten-Zwerge hätten vom Bildungsreferat "stets die Rückmeldung bekommen, dass die Zuschussquote als Einzelfallentscheidung getroffen" werde. In Form einer "anteiligen Förderung bis zu 100 Prozent der Sachkosten", ergänzt Bildungsreferats-Sprecher Andreas Haas.

Aus Trägersicht entstand so ein "Teufelskreis": "Ohne konkrete Angabe zu den Kosten und Umbaumaßnahmen wollte uns die Eigentümerin keinen Mietvertrag aushändigen", erklärt Morhenn. "Und ohne konkrete Zusagen zur Bezuschussung seitens der Stadt konnten wir aus Haftungsgründen keinen Mietvertrag mit der daran anknüpfenden Kostenfolge unterschreiben."

Vor wenigen Tagen hatten die Eltern dem pädagogischen Team "unter zahlreichen Tränen" mitgeteilt, dass sich die Hirschgarten-Zwerge auflösen werden. Der letzte Betreuungstag sollte der 25. August sein. Den 40 Interessenten auf der Warteliste für einen Kitaplatz in der Einrichtung musste der Verein auch absagen. Zumindest für die derzeit in der Gruppe befindlichen Kinder steht nun aber der erhoffte Umzug an. Und das Personal dürfte angesichts des Fachkräftemangels ebenfalls Angebote bekommen.

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