Kinderbetreuung:SPD will Kita-Gebühren abschaffen - doch die Stadtverwaltung zögert

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  • Die SPD will in München die Kosten für Kitas so lange schrittweise senken, bis alle Einrichtungen gratis sind.
  • Das Bildungsreferat hingegen setzt auf ein Modell, durch das mehr Kita-Plätze geschaffen werden könnten - trotz Erziehermangel.

Von Melanie Staudinger, München

Was in Hamburg und Berlin geht, das will die SPD auch in München durchsetzen: Schritt für Schritt sollen die Gebühren der Kindertagesstätten gesenkt werden, so lange, bis Krippe, Kindergarten und Hort für alle gratis sind. Doch dieser Plan ist unter Experten und Eltern umstritten. Sie befürchten, dass die Qualität leiden könnte, wenn die Stadt ihr Geld in die Gebührenfreiheit investiert und nicht in den weiteren Ausbau und das Personal. Das städtische Bildungsreferat erstellt zwar auf Wunsch der SPD derzeit ein Konzept für kostenlose Kitas, aber offenkundig ohne große Begeisterung: Dort setzt man die Priorität darauf, neue Plätze zu schaffen.

Drei Monate hat die Stadtverwaltung rechtlich gesehen Zeit, um Anträge aus dem Stadtrat zu bearbeiten. In der Praxis dauert es aber meist länger. Auch im Fall der Gratis-Kitas, die die SPD-Stadtratsfraktion im Mai beantragt hat, sind umfangreiche Recherchen nötig. Der Finanzbedarf muss ermittelt und ein Modell gefunden werden, bei dem die Stadt keine Zuschüsse des Freistaats verliert. Komplexe Zusammenhänge also, deren Klärung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wollte das Bildungsreferat die Frist dafür bis Ende des kommenden Jahres verlängern, das aber erschien der SPD-Fraktion dann doch als zu lang. Sie verlangte von Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD), die Ergebnisse bis März 2018 auf den Tisch zu bekommen - taktisch nicht unklug, denn im darauffolgenden Herbst stehen Landtagswahlen an.

Zurek hofft indes noch immer auf den Freistaat oder den Bund - denn die SPD erhebt diese Forderung im aktuellen Bundestagswahlkampf, in Bayern lässt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) diese Idee prüfen. Würden hier oder dort Gratis-Kitas beschlossen, müsste die Stadt nicht dafür aufkommen und sparte sich eine Menge Geld. Von bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr ist die Rede. Und die würde das Bildungsreferat gerne anderweitig investieren.

Zumal da die Stadt bereits eine Gebührenordnung hat, die den Eltern entgegenkommt. Nur für ein Drittel der mehr als 70 000 Kinder in den städtischen oder von der Stadt freiwillig bezuschussten Einrichtungen werden die vollen Gebühren fällig. Ein Drittel der Eltern bezahlt gar nichts, weil sie weniger als 15 000 Euro im Jahr verdienen. Dazwischen gibt es gestaffelte Beiträge. Durch eine völlige Gebührenfreiheit würden also nur Familien mit einem Jahreseinkommen von mehr als 60 000 Euro wirklich entlastet.

Und bei den Münchner Eltern steht generell weniger die Höhe der Kita-Gebühren in der Kritik. Eher beklagen sie, dass es in München sehr schwierig ist, überhaupt einen Platz zu finden. Sie warten im Kita-Finder monatelang, bis sie eine Zusage erhalten. Ein doppelter Glücksfall ist es, wenn die Betreuungs- mit den Arbeitszeiten zusammenfallen. Manche Eltern befürchten, dass sich der Kampf um Plätze verschärfen wird, wenn Kitas dereinst kostenlos sind.

Solche Sorgen hat Christine Meiner-Teubner schon oft gehört. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dortmund und forscht dort über Gratis-Kitas. Ihre Analysen zeigen: Wenn die Qualität in den Einrichtungen steige, seien Eltern sogar bereit, noch mehr zu bezahlen. Wer hingegen die Beträge erlasse, entlaste damit tatsächlich vor allem Eltern mit einem hohen Einkommen, die ihre Kinder früh in die Kita schicken und viele Stunden am Tag betreuen lassen.

Für Familien mit geringem Einkommen wäre es sinnvoller, sie bei den Kosten für die Mittagsverpflegung zu entlasten, sagt Meiner-Teubner. Diese betragen bis zu 60 Euro im Monat und sind nicht nach dem Einkommen gestaffelt. Auch kostenpflichtige Ausflüge, Feste oder Bastelutensilien könnten sich Familien, die knapp über dem Existenzminimum lebten, nicht leisten.

Doch auch jenseits der Gebührendiskussion steht die Betreuungslandschaft in München vor einem Umbruch. Das Bildungsreferat arbeitet daran, trotz des Erziehermangels mehr Plätze zur Verfügung zu stellen. Gerade bei Grundschülern ist die Not groß, viele Eltern wissen jetzt noch nicht, wo sie ihr Kind von September an am Nachmittag betreuen lassen sollen. Oft stehen Räume für einen Hort zur Verfügung, aber keine Erzieherinnen, die auf die Kinder aufpassen könnten.

Nach Zureks Angaben verhandelt die Stadt mit dem Freistaat über neue Modelle. Ähnlich wie am Gymnasium München Nord könnte es auch im Grundschulbereich eine Kombination aus offenem und gebundenen Ganztag geben. Kinder wären dann verpflichtend an zwei Nachmittagen in der Schule. Optional könnten ihre Eltern drei weitere hinzubuchen. "Es muss ein Modell sein, das die Nachmittage und die Ferien abdeckt", sagt Zurek. Der Vorteil wäre: Eingesetzt würden dort Lehrer und nicht wie in Horten Erzieherinnen. Somit blieben mehr Erzieherinnen für Krippen und Kindergärten.

Geht es nach Zurek, könnte dieses Modell zum Schuljahr 2018/19 eingeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt will die SPD auch die Kita-Gebühren abschaffen - wenn nichts schief läuft.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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