SZ-Serie "Durch das jüdische Jahr":Essen gegen das Vergessen

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Zu Beginn der Feiertage gibt es am Sedar-Abend unter anderem Ei, bittere Kräuter und Lammknochen. (Foto: Alessandra Schellnegger/Robert Haas)

Das Pessach-Fest erinnert an den Auszug aus Ägypten und ist eine der wichtigsten jüdischen Feierlichkeiten. Für die Speisen, die Juden in diesen acht Tagen zu sich nehmen, gibt es besondere Regeln.

Von Linus Freymark

In diesem Jahr feiert die jüdische Gemeinschaft in Deutschland Jubiläum: 1700 Jahre existiert jüdisches Leben nördlich der Alpen. Doch wirklich viel wissen auch die meisten Münchner außerhalb der Israelitischen Kultusgemeinde nicht über die jüdische Religion und Kultur. Welche Feiertage gibt es? Welche Bedeutung haben sie? Und wie werden sie gefeiert? In unserer Serie "Durch das jüdische Jahr" stellen wir die verschiedenen Feiertage vor, von Purim bis Chanukka, von Rosch Haschana bis Jom Kippur. Die Serie erscheint in loser Reihenfolge am Tag des Feiertages oder zum Auftakt mehrtägiger Feierlichkeiten - so wie an diesem Samstag zum Beginn des Pessach-Festes.

Es ist ein Familienfest, das in der Woche vom 15. bis 22. Nisan des jüdischen Kalenders gefeiert wird. Man kommt zusammen, isst besondere Speisen und erzählt sich vom Auszug der Juden aus Ägypten: Das Pessach-Fest, das in diesem Jahr nach christlicher Zeitrechnung vom 28. März bis 4. April geht, ist eine der wichtigsten jüdischen Feierlichkeiten. Denn die Rituale erinnern an die Befreiung der Juden aus der Sklaverei und der Gesetzgebung am Berg von Sinai sieben Wochen später. "Dieses Ereignis hat uns von einer großen Familie zu einem Volk werden lassen", erklärt Rabbiner Steven Langnas von der Israelitischen Kultusgemeinde München. Deshalb habe das Pessach-Fest eine besondere Bedeutung in der jüdischen Kultur, erinnert es doch an ihre Anfänge.

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Deshalb gehen die achttägigen Feierlichkeiten auch mit intensiven Vorbereitungen einher. Die wichtigste Vorschrift hierbei: Während des Pessach-Festes darf nichts Gesäuertes verzehrt werden, also kein Weizen, Roggen oder Hafer. Auch Wohnungen und Gemeindehäuser müssen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden. "Alles Gesäuerte muss weg", sagt Langnas. Deshalb wird zu Pessach auch kein Brot serviert, sondern Matze, deren Teig kein gesäuertes Getreide enthalten darf - und das höchstens 18 Minuten, nachdem das Mehl mit dem Wasser vermischt wurde, gebacken werden darf. "Keine Sekunde länger", erklärt Langnas, sonst könne der Teig zu gären beginnen. "Zu Pessach werden unsere Speisevorschriften noch mal verschärft", sagt Langnas.

Als Auftakt des Pessach-Festes kommt die Familie am Vorabend des offiziellen Beginns, sprich am 14. Nisan, zum Seder-Abend zusammen, um gemeinsam die Haggada, die Geschichte des Auszugs aus der Sklaverei, zu lesen. Dabei wird auch gesungen und gefeiert. Hierbei werden ebenfalls spezielles Essen gereicht, das auf einem Sederteller angerichtet wird: darauf befinden sich Speisen wie etwa Seroa oder Charosset. Ersteres ist ein Lammknochen, letzteres eine Mischung aus Apfel- und Feigenstückchen sowie Nüssen. Auch das Beitzah, ein gesottenes Ei, oder verschiedene bittere Kräuter, werden während des Sederabends gereicht. Jedes Gericht hat dabei eine Bedeutung, die meist im Zusammenhang mit dem Pessach-Fest steht: Die bitteren Kräuter erinnern an die Torturen der Sklaverei, der Kochen an die Opferung eines Lamms, die sich am Abend der Befreiung von den Ägyptern ereignet haben soll, das Ei steht für die Fruchtbarkeit, aber auch die Zerbrechlichkeit des Menschen.

Neben dem Essen sind die wichtigsten Bestandteile des Pessach-Festes aber das Zusammenkommen der Familie und die Rückbesinnung auf die Entstehung des jüdischen Volkes. "Durch das Erzählen der Geschichten kommen wir in Kontakt mit unseren Wurzeln", erklärt Langnas. Man soll sich so erinnern, als sei man selber aus Ägypten befreit worden. Der Jüngste am Tisch muss fragen: 'Warum unterscheidet sich diese Nacht von anderen Nächten?"

Rabbiner Steven Langnas feiert das Pessach-Fest coronabedingt im kleinen Kreis. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Ziel der Feierlichkeiten rund um Pessach sei auch, Kindern den jüdischen Glauben und die Geschichte der Religion näherzubringen. "Es ist wichtig, die Kinder mit einzubeziehen", meint Langnas. "Man sollte ihnen das Fest lebhaft und schmackhaft machen, damit sie eine Freude an den Feiertagen haben." Durch das Pessach-Fest könne man den Kindern die jüdische Kultur spielerisch nahebringen.

Eigentlich kommt zu diesem Anlass die Großfamilie zusammen - wegen der Pandemie wird es dieses Jahr wie schon im vergangenen eine abgespeckte Version des Pessach-Festes geben. Zumindest für die Juden in München, in Israel läuft das mit dem Impfen ja deutlich schneller als hierzulande. Rabbiner Steven Langnas aber kann in diesem Jahr nicht alle Menschen treffen, mit denen er sonst gemeinsam das Pessach-Fest begeht. "Ich werde im kleinsten Kreis feiern", sagt er. Schön wird es trotzdem werden, da ist sich der Rabbiner Steven Langnas sicher.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, es sei verboten, "säurehaltige Speisen" zu sich zu nehmen. Die Vorschrift bezieht sich aber nicht auf Säure, sondern auf Gesäuertes. Zudem hatte es geheißen, die jüdische Gemeinde feiert 1700 Jahre in München - die Angabe bezieht sich jedoch auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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