Theater:Handeln, ohne lang zu überlegen

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Spontan witzig: Birgit Quirchmayr (rechts) ist eine der Mitbegründerinnen des Tatwort Theaters. (Foto: Ingmar Alde)

Vor 30 Jahren wurde in München das Tatwort Theater gegründet. In der Drehleier feiert die Impro-Institution ihr Jubiläum.

Von Oliver Hochkeppel

Poetry-Slams, europäischer Jazz, selbst Hip-Hop - viele heute unverrückbare kulturelle Strömungen, Genres oder Institutionen gibt es noch gar nicht so lange, wie es einem inzwischen vorkommen mag. Was auch für das Improtheater gilt. Wenn das Tatwort Theater jetzt sein 30-jähriges Bestehen feiert, dann bedeutet das, dass das Ensemble zu den Veteranen der Szene gehört. Nur das Fastfood Theater ist in München ein knappes Jahr älter.

Damals, in den frühen Neunzigerjahren, war Improtheater in Deutschland noch etwas völlig Neues. Einzig die Bonner Springmaus tourte bereits durch die Lande, schon 1983 vom Kanadier Bill Mockridge gegründet, der dann als "Erich Schiller" in der "Lindenstraße" berühmt werden sollte.

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Dass ein Kanadier voranging, war kein Zufall. Wie beim Cirque Nouveau, so war auch beim Improtheater Kanada das Land, von dem der weltweite Trend ausging. Der dahin übergesiedelte britische Dramaturg Keith Johnstone hatte in den frühen Siebzigerjahren Improvisationsübungen in seinen Schauspielunterricht eingebaut, daraus eine eigene Form entwickelt und 1977 in Calgary die Loose Moose Theatre Company mitgegründet. Beim "Theatersport" wetteiferten Schauspielermannschaften darum, die bessere Szene auf Publikumszuruf zu erfinden.

Für viele Schauspiel-Begeisterte, die nicht ins Raster der Schauspielschulen passten, bot sich hier eine neue Einstiegsgelegenheit. Auch für Birgit Quirchmayr aus Grafing. Schon immer faszinierte sie die Schauspielerei, sie spielte im Schultheater, riss sich um jede Moderation und Bühnensituation. Nach dem Abitur, mit 18, bewarb sie sich an der Otto-Falckenberg-Schule. Sie bekam eine Absage. Also begann sie ein Jura-Studium, ihre "Findungszeit", wie sie heute sagt. Denn noch vor dem ersten Staatsexamen fand sie heraus, dass die trockene Juristerei nicht ihre Zukunft sein würde. Sie schmiss das Studium und nahm Schauspielunterricht, den sie bald mit Synchronsprecher-Jobs und kleinen Rollen etwa im "Marienhof" finanzierte. Und fing parallel mit Gleichgesinnten wie Werner Högel - mit einer Pause bis heute Tatwort-Mitspieler - mit der neuen Form Improtheater an.

14 Frauen und Männer umfasst das Team

Als man beim Talente-Wettbewerb im Teamtheater Tankstelle Monatssieger wird, melden sich Bühnen. So findet das Tatwort Theater im Fraunhofer seine erste feste Spielstätte. Der Kampf ums Publikum wird mit Spiellust, Einfallsreichtum und Formaten wie Hutshows und Gladiatorenkämpfen schnell gewonnen. So gut, dass man bald in größere Säle umziehen muss. Erst ins Hinterhoftheater, schließlich in die Drehleier, bis heute die Heimat des Tatwort Theaters und "unser aller Lieblingsplatz", wie Quirchmayr sagt.

Da ist aus der Hobbygruppe schon lange ein professionelles Unternehmen geworden, eine GbR, die Quirchmayr zusammen mit Annette Hallström leitet. Jeden Sonntag wird "die ImproShow" in der Drehleier gespielt, jeden letzten Montag im Monat "die FreestyleShow", an manchen Samstagen noch "die KinderShow", dazu kommen Gastspiele und Galas. Seit Langem bietet man "Funschool", "Lifeschool" und "Tatwort Business" an, als Impro-Kurse, -Coaching und Firmentrainings. 14 Frauen und Männer, Darsteller, Musiker und Techniker, umfasst das Team.

Alle eint sie das "Impro-Gen", wie es Quirchmayr nennt. Nicht jeder gute Schauspieler ist ein guter Impro-Darsteller. Viele Impro-Techniken und -Zugänge kann man lernen. "Aber Spontaneität und der Glaube an den Partner sind am wichtigsten." Für langes Überlegen ist keine Zeit, man muss aus der ersten Idee etwas machen. Was auf Quirchmayr eine ungebrochene Faszination ausübt: "Ich kann an einem Abend immer wieder jemand anderes sein."

Die ersten 30 Jahre dieser spannenden und immer auch lustigen Rollenwechsel werden nun in der Drehleier bei einer großen Jam Session gefeiert. Mit allen aktuellen Tatwort-Akteuren und vielen ehemaligen Weggefährten in diversen Spielanordnungen, freien Improvisationen und Musiknummern. Und wie so oft beginnt alles mit einem Freeze.

30 Jahre Tatwort - Der Jubiläums Jam Marathon, Fr., 28. April, 20 Uhr, Drehleier, Rosenheimer Straße 123, Tel. 48 27 42

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