Improvisationstheater:Rendezvous mit der Vergangenheit

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Pioniere der Impro-Theaterszene: Karin Krug und Andreas Wolf blicken wie gewohnt spielerisch auf 30 Jahre "Fastfood Theater" zurück. (Foto: Frommel Fotodesign)

Das "Fastfood" Improtheater feiert sein 30-jähriges Bestehen mit einer neuen Reihe im Schlachthof

Von Oliver Hochkeppel, München

Am Anfang war die Neugierde. Ein Dutzend Theaterwissenschaftsstudenten der Münchner LMU hatte sich 1991 für ein Kolloquium des jungen neuseeländischen Dozenten Christopher Balme - heute Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft - eingeschrieben. Das Thema: Improvisationstheater. Für die Studenten wurde das schnell zum Erweckungserlebnis: "Das gab uns sofort viele neue Impulse. Wir waren ja eine Gruppe von Leuten, die keinen Einstieg in den Schauspielerberuf gefunden haben. Man könnte auch sagen: ein Haufen von Losern," erinnert sich Andreas Wolf. Jetzt war ein Einstieg gefunden und soviel Energie da, dass Wolf mit Karin Krug (damals noch Brandstetter) und anderen Enthusiasten des Seminars flugs ein Ensemble gründete. Im Februar 1992 hatte das "Fastfood Theater", wie sie sich nannten, an der LMU seinen ersten Auftritt. Und anders, als viele dachten, waren sie gekommen, um zu bleiben: Ihr 30-jähriges Bestehen feiert die Truppe heuer.

Gelegenheit, eine Pioniertat zu würdigen. Denn 1992 war Improtheater in Deutschland noch nahezu unbekannt. Einzig die Bonner Springmaus tourte bereits durch die Lande, schon 1983 vom Kanadier Bill Mockridge gegründet, der dann als "Erich Schiller" in der "Lindenstraße" berühmt werden sollte. Dass ein Kanadier voranging, war kein Zufall. Wie beim Cirque Nouveau so war auch beim Improtheater Kanada das Land, von dem der weltweite Trend ausging. Der dahin übergesiedelte britische Dramaturg Keith Johnstone hatte in den frühen Siebzigern Improvisationsübungen in seinen Schauspielunterricht eingebaut, daraus eine eigene Form entwickelt und 1977 in Calgary die Loose Moose Theatre Company mitgegründet. Beim "Theatersport" wetteiferten Schauspielermannschaften darum, die bessere Szene auf Publikumszuruf zu erfinden.

Ein Hochseilakt mit dem Risiko des Scheiterns

Dass spontanes Spiel nicht mehr nur Hilfsmittel zur schauspielerischen Gestaltung war, sondern wie ein Hochseilakt mit dem Risiko des Scheiterns im Mittelpunkt der Aufführung stand, und das auch noch interaktiv, faszinierte auch das Münchner Publikum auf Anhieb. Schnell war die "Montagsshow" (heute heißt der Stegreif-Szenenmix auf Zuruf "Best of Life") des Fastfood Theaters bestens besucht, erst im Heppel & Ettlich, später im Theater am Oberanger, im Hinterhoftheater und in der Drehleier, seit vielen Jahren nun im Schlachthof. Und schnell fand die Urzelle des Münchner Improtheaters Nachahmer. Hochkaräter wie das schon 1994 zusammengefundene "Tatwort Theater", die zweite erfolgreiche Traditionstruppe der Stadt, oder die Fastfood-Ausgründung "Isar 148". Spezialisten wie die deutsch-türkische Gruppe "Impro a la turka" oder das Opern-Impro-Ensemble "La Triviata". Wie auch Laiengruppen und solche, die kamen und wieder gingen. Bunt ist die Szene heute.

Das Fastfood Theater freilich war und ist der Vorreiter. Mit über alle Jahre hinweg immer erstklassig besetzten Ensembles rund um die letzten Gründungsmitglieder Wolf und Krug als Fixsterne - aktuell etwa sind unter anderem Monika Eßer-Stahl, Robert Lansing oder das Lach- und Schieß-Ensemblemitglied Christl Sittenauer sowie grandiose Musiker wie Michael Gumpinger und Michael Armann dabei. Und nicht zuletzt wegen Andreas Wolf, der nicht nur 1994 die erste deutsche Magisterarbeit über Improtheater geschrieben hat, sondern bis heute auf der Suche nach neuen Wegen ist. Und dem dabei noch immer etwas eingefallen ist. 1993, gerade erst hatte man sich etabliert, nahm Fastfood an der ersten deutschen "Theatersport-Meisterschaft" teil, für sich selber leitete man daraus den "Improcup" ab, der schnell Kult wurde. 1996 veranstaltete man in der Muffathalle das 1. Internationale Improfestival - Keith Johnstone war seinerzeit Ehrengast.

Mittlerweile gibt es auch "Business-Theater" für Manager, Firmen oder Banken

Und schon 1994 gründete man die erste deutsche Improschule, die seither Improvisationstechniken nicht nur für die Bühne, sondern auch als Lebenskunst vermittelt. Wie das Theater selbst zunehmend professionalisiert: Seit dem Schritt zur GbR 2007 haben sich die Kurse als zum Überleben notwendiger lukrativer Zweig weiterentwickelt. Anfänger und Fortgeschrittene, Kinder und Senioren, alle werden unterrichtet. Einschließlich "Business-Theater" für Manager, Firmen oder Banken, zur Weiterbildung der anderen Art in Sachen Teamkompetenz und Soft Skills. In einem speziellen Kurs unterrichtet Wolf an der Fachhochschule Finanzbuchhalter, "wie sie Zahlen und Entwicklungen so darstellen, dass die Vorgesetzten es verstehen."

Vor allem aber über die Form des Improtheaters selbst denkt Wolf ständig nach. Etliche Formate hat er erfunden, von der bayerischen Volksimpro in Tracht und Lederhosn über ein Projekt mit Kindern von Sinti und Roma und einer eigenen Show für die BMW Welt bis zur Serie "Phobing", in der aus einer Bedrohung ein narrativer Bogen gespannt wurde. Als Corona reguläre Vorstellungen unmöglich machte, startete man das Online-Improtheater "Die Kunst der Stunde". "Das hat tatsächlich genauso gut funktioniert wie auf der Bühne mit Zuschauern", sagt Krug. Natürlich hat sich Wolf auch zum 30-Jährigen etwas einfallen lassen. "Rendezvous" heißt die Jubiläumsreihe im Schlachthof, die sie als "Einladung zur Begegnung und Wiederbegegnung" verstehen. "Wir treffen uns mit unserer Vergangenheit, also auch mit Spielern aus den Anfangszeiten." Die erfolgreiche Premiere unter dem Titel "Rendezvous mit Geschichten" haben sie bereits hinter sich, am 11. März folgt "Rendezvous mit den Sternen" mit Jim Libby als Gast, am Samstag, 2. April, "Rendezvous mit dem Ursprung" mit Susi Brantl, Gabi Heller, Matthias Brandebusemeyer und Norbert Bürger als Gästen. Im Mai gibt es die letzten zwei Rendezvous, nämlich "mit der Zukunft" und "mit der Torte".

Fastfood Theater: "Rendezvous mit den Sternen", Freitag, 11. März, "Best of Life", Montag, 21. März, jeweils 20 Uhr, Schlachthof, Zenettistraße 9, Telefon 72018264, www.im-schlachthof.de

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