Haustiere:So gut leben Hunde und Menschen in München zusammen

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Charly begleitet seinen Besitzer häufig zu Bussis Kiosk. (Foto: Florian Peljak)

Charly, Lizzy und Holly sind drei von 35 000 Hunden in der Stadt. Sie sind beispielhaft dafür, was das Miteinander von Mensch und Tier bedeutet - allen Konflikten, die es immer wieder gibt, zum Trotz.

Von Karl Forster

Die Stadt wächst. Nicht nur an Einwohnern, auch an Hunden. Um die 1000 kommen jedes Jahr dazu, derzeit sind es gut 35 000. Und wer glaubt, das seien vor allem Dackel, weil die einst als "Zamperl" wie ein Wappentier Münchens Gemütlichkeitsfaktor symbolisieren sollten (was einem echten Dackelwesen heftig widerstreben würde), der irrt. Die meisten gehören der speziell bayerischen Rasse der "Stiangglandamischung" an, auf Hochdeutsch "Promenadenmischling". Charly, Lizzy und Holly, diese drei sind beispielhaft für die Hundepopulation der Stadt, die, trotz allen Ärgers, den es hundebedingt manchmal gibt, noch erstaunlich liberal ist bei diesem Thema. Weiß man doch, dass für viele Menschen in der anonymen Großstadt der Hund nicht nur der beste, sondern oft auch der einzige Freund ist.

Diese Liberalität in Sachen Hund könnte, das zeigen unsere drei Beispiele, Vorbild sein für den Umgang mit Menschen, haben doch alle drei einen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägten, Migrationshintergrund. Holly kommt aus Niederbayern. Obwohl ihre Eltern eine Shi-Tsu-Hündin und ein Bobtail-Rüde waren. Lizzy stammt aus Spanien, und Charly war Straßenhund in Ungarn, entkam der Tötungsstation und wurde über das Tierheim München Riem an seinen jetzigen Besitzer vermittelt. So trifft sich hier am Bussi-Kiosk Münchens vierpfotige Migrationsszene. Multikulti funktioniert also, trotz gegenteiliger Behauptung mancher bayerischer Politiker, zumindest auf Hundeebene. Die drei sind in bestem Sinne "Zuagroaste".

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Wobei bei genauerer Betrachtung in unseren drei Fällen auch die Eingemeindung von Herrchen und Frauchen ganz gut gelungen ist. Da wäre zum Beispiel Reinhold Lire, der mit seinem Charly gerne nachmittags mit dem Roller, Hund hinten auf Spezialsitz, zu Bussis Kiosk fährt, einem so typischen Schwabinger Treff, dass man gar nicht verraten will, wo der genau ist. Herr Lire, gebürtig in Berlin, ist 82 Jahre alt und hat viele davon in Kalifornien verbracht; weswegen er oft ins Englische verfällt, vor allem, wenn er mit seinem Hund spricht. Charly war, als er ihn vor drei Jahren aus dem Tierheim holte, auch schon jenseits der zehn, leidet heute an diversen Gebrechen, darunter an einer undichten Herzklappe, was ihn jedoch nicht hindert, fröhlich durchs Café zu tippeln auf der Suche nach interessanten Dingen wie heruntergefallenen Kuchenstücken (die ihm, zuviel Zucker!, eigentlich nicht bekommen).

Mischling Charly ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Hund dem einsamen Menschen Alltagspartner sein kann, auch wenn dieser ihm anfangs abgewöhnen musste, sich mit Artgenossen jedweder Größe anzulegen. Als Straßenhund in Ungarn musste Charly kämpfen lernen, um zu überleben. Bei Reinhold Lire hat er gelernt, dass dies nun nicht mehr notwendig ist. Sie sind jetzt ja zu zweit. Also unschlagbar. Und Reinhold Lire sagt: "Nicht ich habe den Hund, der Hund hat mich!"

Holly darf ihr Herrchen öfter ins Büro begleiten. (Foto: Florian Peljak)

Bei Lizzy ist die Lage ähnlich. Grafikdesignerin Daniele Appel, sie stammt aus einem Dorf an der Mosel, und ihre Freundin hatten beide schon je einen Hund, bevor sie zusammenzogen. Nach deren Ableben suchten sie einen, bei dem sie zu dem Satz "Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bund der dritte" gemeinsam Ja sagen konnten. Und fanden Lizzy übers Netz in Spanien, von wo sie in einem Sammeltransport nach München gebracht wurde. Lizzy ist benannt nach Elizabeth Bennet, einer der Hauptpersonen in Jane Austens Roman "Pride and Prejudice" (Stolz und Vorurteil), ist aber, solange sie nicht Töne von sich gibt, unscheinbar. Andernfalls aber nicht zu überhören dank einer Frequenz, die manches Ohr überfordert. Böse Menschen schimpfen sie dann eine "Fußhupe", freundlichere mutmaßen, sie sei ein beim Waschen eingegangener irischer Wolfshund. Bei aller laut tönenden Winzigkeit: Frisbee-Junkie Lizzy ist für Danieles Beziehung ein wunderbares Schmiermittel.

Als solches war auch Holly gedacht, damals vor einem Dutzend Jahre. Die Hundedame ist quasi Deutsche mit Migrationshintergrund in der zweiten Generation. Denn die Züchter aus Niederbayern hielten englische Bobtails, und - eigentlich streng getrennt - ein Shi-Tsu-Pärchen aus China, respektive Tibet; beides sehr unterschiedliche Rassen, die eher für eine betuchte Käuferschicht interessant sind. Doch da kam wohl irgendwie die Lust dazwischen. Wobei man sich jetzt keine großen Gedanken machen muss, wie das damals gegangen ist bei der Liebe zwischen der kleinen "Löwenhündin" mit maximaler Risthöhe von 27 Zentimetern und dem Schäferhund aus England, der gut das Doppelte misst.

Hündin Lizzy begleitet Daniele Appel und ihre Freundin durchs Leben. (Foto: Florian Peljak)

Weil eine gute Freundin der Familie Walinski (Göttingen/Niederbayern) der Meinung war, den Eltern Ute und Tom samt derer beider Kindern Timmi und Lea, damals sechs und neun Jahre alt, täte ein Hund gut, kam Holly ins Haus in Obermenzing, respektive in die gar nicht so große Wohnung dort. Auch wenn Anfangs noch Zweifel herrschten: Wie Charly und Lizzy erwies sich der knuffige Welpe und später die immer noch knuffige Hündin als ideales Familienschmiermittel. Drohte irgendwo irgendwann Knatsch, ging einer der Knatschbeteiligten kurz mit Holly spazieren, und schon war die Luft wieder besser.

Holly ist, anders als Lizzy und Charly, eigentlich kein Stadthund. Heute lebt sie mit ihrer Familie im Reihenhaus in einer stillen Untermenzinger Siedlung, genießt die nähe der Angerlohe für - bitte nicht zu lange - Spaziergänge, döst im Vorstadtgarten, wo sie winters mit ihrem weißen Fell so unsichtbar im Schnee versinkt, dass sogar die Eichhörnchen direkt vor ihrer Schnauze herumtanzen, ohne sie zu sehen. "Holly goes slowly" lautet ihr Wahlspruch, und wenn sie ins Auto muss, legt sie die Vorderbeine aufs Heck, den Rest muss Tom dann hineinschieben, als wollte sie sagen: "Ich fahre nicht gern, aber für dich tu' ich es."

Tom arbeitet als Ingenieur bei den Stadtwerken München. Und nimmt Holly oft mit ins Büro. Holly würde diesen Arbeitgeber wohl aufs Heftigste loben für solche Freiheit, weiß man hier offenbar, dass Hunde auch gut sind fürs Arbeitsklima.

Drei Hunde von 35 000, das ist sicher in keiner Weise repräsentativ. Und doch sind Charly, Lizzy und Holly, jeder und jede für sich, typisch für die Stadt. Charly, der sich nie unterkriegen lässt, Lizzy, die Dame mit dem etwas vorlauten Schwabinger Organ, und Holly, vierbeiniger Inbegriff von Gelassenheit und Gemütlichkeit.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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