Mieterschutz:Teure Rettungsaktion für Wohnungen am Harras

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Die Mieter der Wohnungen an der Karwendelstraße könnten sich bald über einen verlässlichen neuen Vermieter freuen: die Stadt München. (Foto: Florian Peljak)
  • Eine Pensionskasse aus Dänemark will 292 Wohnungen und zusätzliches Bauland für 200 bereits genehmigte Wohnungen in Sendling erwerben.
  • Das will die Stadt um jeden Preis verhindern.
  • Die Rechtslage ist dabei unklar und die Rettungsaktion würde teuer werden.

Von Heiner Effern, Anna Hoben und Dominik Hutter

Die Stadt will mit allen Mitteln verhindern, dass eine Pensionskasse aus Dänemark 292 Wohnungen und zusätzliches Bauland für 200 bereits genehmigte Wohnungen in Sendling erwirbt. "Wenn es irgendwie möglich ist, wird die Stadt die Wohnungen kaufen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Über den vermuteten Preis kann die Stadt noch nichts sagen, aber der Betrag dürfte deutlich im dreistelligen Millionenbereich liegen. SPD und CSU im Rathaus erklärten in einer nicht-öffentlichen Stadtratssitzung am Donnerstag, alle rechtlichen Möglichkeiten der Kommune ausreizen zu wollen. Wie weit diese reichen, prüfen gerade die Experten des Kommunal- und Planungsreferats.

Die Rechtslage ist kompliziert. Grundsätzlich liegen die 292 Wohnungen in einem Viertel, das von der Stadt mit einer sogenannten Erhaltungssatzung geschützt wird. Dort hat die Kommune ein Vorkaufsrecht. Doch gilt dieses nur für Bestandsbauten, in dem Immobiliendeal ist jedoch auch ein großer Baugrund für neue Wohnungen enthalten. Dazu muss geklärt werden, ob die zum 1. Juli deutlich verschärften Mieterschutz-Klauseln der Satzung bereits gelten.

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Das könnte von entscheidender Bedeutung sein. Denn die Stadt kann vom Vorkaufsrecht nur Gebrauch machen, wenn der Investor sich nicht bereit erklärt, die Schutzklauseln für die Mieter anzuerkennen. Verpflichtet er sich dazu, geht die Stadt leer aus. Die neuen, verschärften Regeln machen eine Unterschrift des Käufers unter die sogenannte Abwendungserklärung aber deutlich schmerzhafter und erhöhen die Chancen der Stadt, selbst zuschlagen zu können.

Seit 1. Juli kann zum Beispiel das Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, zeitlich unbegrenzt gelten statt wie vorher maximal zehn Jahre. Diese Frist erstreckt sich auch auf die Maßgabe, keine Luxussanierungen vornehmen zu dürfen. Und ganz wesentlich: Der Käufer darf bei Neuvermietungen von seinen Mietern maximal den Betrag verlangen, der nach dem München-Modell zugelassen ist.

"Teure Modernisierungen oder Luxussanierungen sind nicht vorgesehen."

Sollte am Ende die Stadt die Wohnungen und das Grundstück erwerben können, wäre dies die größte Hilfsaktion für Mieter seit dem Kauf einiger GBW-Wohnungen. Aus dem Bestand der Wohnungsbaugesellschaft, die der Freistaat veräußert hat, kaufte die Stadt 1000 Wohnungen für 326 Millionen Euro. Die aktuell betroffenen Blöcke am Harras sind Teil eines Portfolios mit 3700 Wohnungen in 15 deutschen Städten, das die dänische gewerbliche Pensionskasse PFA für mehr als eine Milliarde Euro erworben hat. Der Verkauf war Mitte August bekannt geworden, Verkäufer ist die Industria Wohnen GmbH, eine Tochter der Degussa-Bank.

Die Durchschnittsmieten der verkauften Münchner Wohnungen liegen bei etwa zehn Euro je Quadratmeter, außer der Anlage am Harras betrifft der Verkauf auch Wohnungen in Giesing. Der für den Verkauf zuständige Portfoliomanager, die Münchner Gruppe Domicil Real Estate, sprach damals von "zusätzlichem Mietsteigerungspotenzial". Für die Bestandsmieter ändere sich aber nichts, sagte Andre Schmöller, Geschäftsführer von Domicil. PFA sei ein langfristig orientierter Investor. "Teure Modernisierungen oder Luxussanierungen sind nicht vorgesehen." Man prüfe jedoch, ob Nachverdichtung auf Freiflächen möglich sei. So solle neuer Wohnraum entstehen.

Noch zahlten er und seine Frau eine sehr günstige Miete, sagt ein Bewohner, der 1972 direkt nach dem Bau in die Anlage gezogen ist: 900 Euro warm für vier Zimmer mit 85 Quadratmetern. Dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht nun ernsthaft prüft, begrüßt er, "ich bin sehr dafür, dass Wohnungen in öffentliche Hand kommen". Vor zwei Wochen landete ein Schreiben in den Briefkästen, mit dem das Wohnungsamt erhob, wie viele Personen in den Wohnungen leben und wie viel Miete sie bezahlen.

Der Verkauf an die dänische Pensionskasse habe ihm keinen Schrecken eingejagt, sagt der Mieter, der anonym bleiben möchte, an Verkäufe sei er gewöhnt. Vor zehn Jahren sei der Käufer ein luxemburgischer Fonds gewesen, später dann die Industria Wohnen, jetzt ist es die dänische Pensionskasse. Alle drei Jahre sei die Miete um 15 Prozent hochgesetzt worden, "sonst haben uns die Verkäufe nicht tangiert". Eine "gewisse Beunruhigung" gebe es trotzdem; es gelte zwar die Erhaltungssatzung, "aber die kann ja ausgehebelt werden".

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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