Giorgia Trattoria:Italien in Technicolor

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Die Trüffelpasta mit hausgemachten Mafaldine wird im Kupferpfännchen serviert. (Foto: Robert Haas)

In der Giorgia Trattoria am Rosenheimer Platz weiß man, wie wichtig das Image ist und präsentiert eine sehr bunte Version Italiens.

Von Juniper Rocket

Braucht die Stadt zwei Franzosen mit Start-up-Mentalität, um ihr die italienische Lebensfreude mittels Pizza und Pasta nahezubringen? Natürlich nicht! Stirngerunzel also für die Giorgia Trattoria am Rosenheimer Platz, das Lokal einer französischen Kette, die ihr Konzept schon in Metropolen wie Paris, Madrid und London umgesetzt hat. Der Mutterladen in Paris hat mehr als 100 000 Follower auf Instagram, der Plattform, für die die extravaganten Restaurants der Big Mamma Group offenbar entworfen sind. Influencer mit ebenso großer Gefolgschaft werfen sich reihenweise vor Tapeten und Spiegeln in Pose und verziehen die gepolsterten Lippen, Bildunterschrift: "Ich liebe es hier!"

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Wir haben Glück und bekommen an einem lauen Sommerabend ohne Reservierung einen süßen Tisch an der efeubewachsenen Fassade. Dem Team ist sichtlich daran gelegen, Wünsche zu erfüllen. Auch die von spontan auftauchenden Menschen, die nicht unbedingt nach Tausenden Followern aussehen. Dicke Pluspunkte. Mit einem Augenzwinkern bekommen wir Visitenkarten, damit wir eine gute Bewertung für die Tischorganisation hinterlassen, und alles ist so lustig, dass sich Mister Rocket gleich dazu hinreißen lässt. Das Team ist groß, 65 Leute angeblich, sie sind professionell, schnell und haben größtenteils Charme und gute Laune bei der Arbeit. Gute Laune scheint hier die oberste Prämisse zu sein: eine Leichtigkeit, die ansteckt, spätestens nach dem ersten Schluck Wein. Alles ist ein bisschen bunter, überdrehter und fröhlicher, als würde die Belüftungsanlage winzige Dosen psychoaktiver Substanzen versprühen.

Dank verspiegelter Decke kann man der Liebe zum floralen Design nicht entkommen. (Foto: Robert Haas)

Und dann ist da der Laden selbst, der wirkt, als hätte Lewis Carroll den Auftrag bekommen, eine Trattoria mit Italopop-Rockabilly-Vibe und einer Prise Flower Power zu entwerfen. Floraler Teppich, Vorhänge, Polster; das ganze Restaurant ist mit dem gleichen bunten Stoff bezogen, und alles wird von der verspiegelten Decke reflektiert. Bühnenbild statt Interior Design. Hinter einem opulenten Tresen aus Marmor werkeln Barkeeper in Blumenhemden, in der offenen Küche stapeln sich die Pecorino-Laibe, Mosi und Daisy grüßen von den Weingläsern. Am Nebentisch nennt der schmerbäuchige Gast die Bedienung konsequent Schätzelein, ein Talkshowmoderator mit Freunden wird zum Tisch geleitet, dort hinten Pasta im Pecorino-Laib fotografiert, und die Haidhauser Nachbarn sitzen auch noch hier und wundern sich, was aus dem Bella Italia geworden ist. Abends leuchten die Tischplatten, die nicht aus Marmor sind, womit sich zwar vom Essen weniger erkennen lässt, aber geht es hier überhaupt ums Essen?

Alles frisch zubereitet, kleine Produzenten, so wirbt die Trattoria. Bei unserem ersten Besuch sind wir beeindruckt von der Atmosphäre, vom Essen weniger. Gut, die Trüffelpasta (19 Euro), hausgemachte Mafaldine, viele Trüffel, eine ordentliche Portion, im hübschen Kupferpfännchen serviert, da gibt es wirklich nichts zu mäkeln. Die sizilianischen Arancini (9), frittierte Reisbällchen, sind ebenfalls mit Trüffel verfeinert und fein, aber viel besser klingend als schmeckend sind die Calzoncini (7), furztrockene Teigtaschen gefüllt mit "Auberginenkaviar", schlicht das Innere der Aubergine, die aufgebacken schmecken, dazu eine rote Pfeffercreme, die treffgenau einen Supermarkt-Ajvar imitiert. Die Parmigiorgia (13), die hauseigene Version einer Parmigiana schmeckt fad. Ohne Pfiff, Auberginen in Tomatensauce mit Käse überbacken halt. Die Desserts wieder sehr süß, sehr süditalienisch, die Torta al limone (7,50) kommt mit einer armhohen, sehr fotogenen Baiserspitze, der Schokoladenkuchen (8,50) ist eine wirklich schöne Mischung aus leicht zartbitterem Guss und krossem Boden mit gesalzenem Karamell, mal etwas anderes als der omnipräsente flüssige Kern.

Alles so schön bunt hier: auch die Cocktails. (Foto: Robert Haas)

Es steht und fällt mit der Lust zur Hingabe: Lassen wir uns, zugegebenermaßen widerwillig, auf den inszenierten Spaß ein? Französische Kette, die in Big-Business-Manier auf Italienexperte macht, alles für die sozialen Medien optimiert, puh, aber ... Wir können nicht widerstehen. Das Team ist einfach ehrlich nett, und wir haben einen schönen Abend, trotz fader Parmigiorgia. Als Opfer des gut funktionierenden Konzepts freuen wir uns auf den nächsten Besuch. Der Erlebniseffekt mag sich abnutzen mit der Zeit, wie der noch makellose Teppich. Aber bleiben wir im Moment.

Und ein paar Abende später überzeugt die Giorgia Trattoria auch kulinarisch: Wir teilen die apulische Burrata (13,50) als Vorspeise, dazu beinahe süßliche Tomaten, Basilikumöl, grobes Salz - so soll es sein. Gutes Produkt, gut inszeniert. Das Gleiche gilt für die perfekt gegrillte Dorade (26), die begleitet wird von Bratkartoffeln, die zu Recht "Hakuna Patatas" heißen: außen frittiert-knusprig, innen cremig-weich. Richtig toll. Die Pizza kommt aus dem Ofen wie in Neapel: Fluffig aufgeblähter Rand, hauchdünn in der Mitte. Herrlich.

Wir testen "Nonna Norma" (13) mit frittierten Auberginen und gesalzenem trockenen Ricotta, eine feine Kombination, und auch die Trüffelpizza (19) muss sich nicht verstecken. Apropos Trüffelpizza, zu später Stunde auf den Tischen getanzt wird hier nicht. Die Trattoria bleibt Trattoria, trotz Discokugeln über dem Waschbecken und rundum verspiegelten Toilettenkabinen. Die bieten immerhin die Gelegenheit, mal zu überprüfen, ob der eigene blanke Hintern noch instagramtauglich ist. Wer sich hat anstecken lassen von der Gute-Laune-Maschinerie, urteilt vielleicht wohlwollend. Und bestellt sich noch ein Tiramisu.

Giorgia Trattoria , Weißenburger Straße 2, 81667 München, Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 11.30 bis 14.15 Uhr und 17.30 bis 23 Uhr, Freitag 11.30 bis 15.15 Uhr und 17.30 bis 0 Uhr, Samstag und Sonntag 9 Uhr bis Uhr

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-Food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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