Kritik:Wortgewaltig sprachverliebt

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Hamburger Schule nach bester Münchner Art: die Band Raketenumschau. Im kommenden Jahr erscheint ihr Debütalbum beim Label Trikont. (Foto: Kornelia Zimmermann)

Frischer Pop aus München mit den Bands Raketenumschau und The Sound Of Money beim Open-Air im Giesinger Grünspitz.

Von Dirk Wagner

Im Nachhinein ist nicht zu verstehen, wie lange der einstige Biergarten in Giesing als Autoparkplatz verschwendet wurde. Mittlerweile wird der Grünspitz nämlich wieder als Begegnungsort für eine Stadtgesellschaft genutzt, die dank der Initiative engagierter Bürger hier auch Konzerte zum freien Eintritt genießen darf. Natürlich wird dabei zum Wohlgefallen einiger klangverwöhnter Nachbarn lautstärkentechnisch darauf geachtet, dass der Verkehrslärm der angrenzenden Straßen nicht all zu sehr von der dargebotenen Musik verfälscht wird.

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Es war darum auch sinnvoll, möglichst nah an der Bühne mit ihren kleinen Lautsprechern zu stehen, um am Freitag mitzuerleben, welche Sounds der Klangzauberer Martin Lickleder allein schon seiner Mundharmonika auf dem Konzert der Band The Sound Of Money zu entlocken verstand. Rhythmisch verstärkt von der Perkussionistin Franziska Erdle und dem Schlagzeuger Tom Wu, sowie temporär auch von der Bassistin Emily Xylander ergänzt, präsentierte die Band anagrammierte Songtitel, deren Buchstaben in anderer Reihenfolge die Namen bedeutender Langspielplatten aus den Sechzigern und Siebzigern benennen. Das mehrstimmige von Gospeln unterfütterte Popjuwel "Let's Eat The Weed" zum Beispiel verweist auf ein 1968 erschienenes Album der Countrysängerin Bobbie Gentry "The Delta Sweete". Und weil es leider auch dem glamourösen David Bowie einmal gefiel, mit ausgestrecktem rechtem Arm zu posieren, verwandelten The Sound Of Money Bowies "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars" in ein nicht minder provozierendes "Dr. Dr. Themefart, Frustrating Himself, Posed As Gay Old Nazi SS".

Etwas weniger verschlüsselt, aber dennoch ebenso sprachverspielt überzeugte im Anschluss die Rockband Raketenumschau, deren Songs schon jetzt von einigen Fans textsicher mitgesungen wurden. Dabei erscheint ihr Debütalbum erst 2024 beim Münchner Label Trikont. Allerdings sind einige ihrer Songs bereits im Internet veröffentlicht. Das drei Jahre alte "Melancholie" etwa, in welchem einer der beiden Sänger der Band zur angejazzten Musik wortgewaltig formuliert: "Und ich schau in die Ferne und doch zu dir ins Nichts". Die Hamburger Schule um Blumfeld und Co hätte jedenfalls in Raketenumschau einen weiteren Meister gefunden. Im Grünspitz brillierten sie als Teil einer spannenden Münchner Popszene. Orte wie der Grünspitz bieten solcher Szene eine weitere notwendige Öffentlichkeit.

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