Tegernseer Landstraße:Enger und dreckiger geht es nicht

Lesezeit: 3 min

Ein Tunnel im Ostabschnitt des Mittleren Rings scheitert an der Machbarkeit und an der prognostizierten Verkehrszunahme. Entlastung würde nur eine Verschmälerung der Autobahn vor der Stadtgrenze versprechen.

Von Julian Raff

Auf knapp einem Kilometer zwängt sich der Mittlere Ring zwischen dem McGraw-Graben und dem Stadion an der Grünwalder Straße durch eine 40 Meter breite Häuserschlucht. Der Zusammenfluss des Autobahnzubringers A 995 und der Chiemgaustraße produziert Dauerstau. Enger, dreckiger und wohl auch lauter als an der Tegernseer Landstraße ("Tela") in Giesing geht es an keinem Ringabschnitt zu, nicht einmal an der Landshuter Allee. Ihre Hoffnungen auf einen weiteren Ringtunnel oder andere Verbesserungen müssen die Anwohner nun erneut auf lange Sicht begraben: Als Antwort auf diverse Anträge aus Stadtrat, Bürgerversammlungen und Bezirksausschüssen legt das Mobilitätsreferat den Stadträten den Entwurf eines "Handlungsprogramms" vor, das auf 49 Seiten fast ausschließlich Gründe zum Nichthandeln auflistet, wenn auch technisch nachvollziehbare.

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Den Kern des entmutigenden Papiers bildet ein Stadtrats-Prüfauftrag von 2015, den Candidtunnel unterm Giesinger Berg unterirdisch mit dem McGraw-Graben zu verbinden, was gegenüber einem separat geführten "Expresstunnel" schon die nächstkleinere Option wäre. Die nun vorliegende Untersuchung nennt keine Kosten, zieht aber schon rein technisch eine negative Bilanz: Der Verkehr dürfte dort bis 2030 noch einmal um 20 000 auf dann 139 000 Fahrzeuge täglich zunehmen. Der vom Kiesselbach- und Heckenstallertunnel her bekannte Anziehungs-Effekt könnte diesen Wert noch einmal auf durchschnittlich 164 000 Fahrzeuge steigern, von denen 136 000 unter der Erde fahren würden, die restlichen 28 000 darüber.

Unangenehm für die Anlieger wäre ein Tunnelbau während der siebenjährigen Bauzeit

Mehr Platz, weniger Lärm und, je nach Entlüftung, auch weniger Luftschadstoffe für die Anwohner also, aber kein Mittel gegen den Dauerstau, der lediglich in den Untergrund verlagert würde: "Die neuen Verkehrsanlagen werden aufgrund der hohen Verkehrsstärken an vielen Stellen zu den Spitzenzeiten überlastet sein", prognostiziert die Studie - sowohl für die Tunnelfahrbahnen, als auch für die Knotenpunkte Candidplatz und Grünwalder Straße. Auf der anderen Seite stehen bauliche Hürden. Schwierig und für die Anlieger während der siebenjährigen Bauzeit unangenehm wäre der Tunnelbau, da die Seitenwände viel näher an Hausfundamente heranrücken würden als bei den bestehenden Ringtunneln.

Den Verkehr über wechselnde Verschwenkungen und Brücken durch die Baustelle zu bugsieren, wäre zwar möglich, würde aber in der kritischsten, mindestens 15-monatigen Schlussphase des Baus die Aufnahmekapazität um 36 Prozent verringern. Als teurer, ärgerlicher Nebeneffekt eines baldigen Tunnelbaus müssten schließlich die erst 2020 installierten Aufzüge an der Fußgängerunterführung Otkerstraße (Motel One) beseitigt werden. Die Investition von 2,82 Millionen Euro wäre nicht nur bilanziell verloren, sondern müsste wohl auch großteils an den Bund als Zuschussgeber zurückgezahlt werden.

Eine Überdeckelung des McGraw-Grabens wäre teuer, schwierig, und die Oberfläche wäre nach Ansicht der Experten nicht wirklich nutzbar. (Foto: Florian Peljak)

Sein "Nein" zum Tunnelbau erklärt das Referat ohne Wenn und Aber, einen Spaltbreit offen bleibt die Hintertür aber beim Vorschlag, die breit ausgebaute Achse Peter-Auzinger - Stadelheimer/Ständlerstraße über Rampen an den McGraw-Graben anzubinden und so eine Entlastungsparallele zur Chiemgaustraße zu schaffen. Möglich scheint diese Lösung nur mit einer Verbreiterung des Grabens - auf der Ostseite mit ihren Wohnbauten unmöglich, westlich, wo der Freistaat derzeit von der Polizei genutzte Liegenschaften hält, immerhin langfristig vorstellbar. Eine klare Absage kassiert einmal mehr der Vorschlag eines Deckels über dem McGraw- Graben. Anders als die Antragsteller geht das Referat davon aus, dass ein gedeckelter Graben sowohl bau- als auch brandschutz- und sicherheitstechnisch, letztlich also finanziell, einem Tunnel gleichkäme, ohne dass dafür die gewonnene Oberfläche wirklich nutzbar wäre.

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Lärmschutzwände an der "Tela" scheitern, wie auch der Tunnel, an der dortigen Enge. Ohne großen Effekt würden sie die Trottoirs in enge Gänge verwandeln. Den Anwohnern bleibt nur das bis 2022 laufende Förderprogramm "Wohnen am Ring" mit jährlich insgesamt 900 000 Euro für individuelle Schallschutzmaßnahmen. Die Option, den abgasträchtigen Tela-Dauerstau wenigstens teilweise vor die Stadtgrenze zu verlegen, böte unterdessen die Verschmälerung der A 995 stadteinwärts, wofür allerdings der Bund mit ins Boot müsste.

Es bleiben vor allem kleine Lösungen - Ampel oder Fußgängerbrücke

Was ansonsten an Machbarem bleibt, sind im Vergleich kleinste Lösungen: Weder leiser, noch sauberer, aber wenigstens sicherer gestalten ließe sich, durch eine zusätzliche Ampel, etwa die Einfädel-Zone am St.-Quirin-Platz, wo es oft zwischen Rechtsabbiegern aus der Chiemgaustraße und U-Turn-Fahrern aus der Tela kracht. Eine Fußgängerbrücke dort hat es immerhin auf eine Prioritätenliste geschafft, wenn auch weit hinten.

Ein schwacher Trost für die Giesinger bleibt, dass die Stickoxidbelastung in der Pandemie kurz unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gefallen ist. Ihren traurigen Spitzentitel mit Vor-Corona-Werten bis zu 58 Mikrogramm werden die beiden Messpunkte an der Chiemgau- und Tegernseer Landstraße aber wohl halten.

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