Landshuter Allee:Staubsauger für dreckige Luft

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An der Landshuter Allee werden Luftfilter zur Abgasreinigung aufgestellt. (Foto: Robert Haas)

Die Landshuter Allee ist die schmutzigste Straße Deutschlands. Dort wird nun getestet, wie Filteranlagen die Stickstoffdioxid-Belastung senken können. Eine dauerhafte Lösung ist das aber nicht.

Von Andreas Schubert

Was da seit Mittwoch an der Westseite der Landshuter Allee steht, sind weder abstrakte Skulpturen noch überdimensionierte Lautsprecher, auch wenn es vielleicht danach aussieht. Die jeweils aus drei Kuben bestehenden und 3,60 Meter hohen Säulen sind die neuen Filteranlagen, die nun zwei Jahre lang die Luft an der schmutzigsten Straße Deutschlands reinigen sollen. Bekanntlich hat die Landshuter Allee vergangenes Jahr bei der Konzentration an Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresdurchschnitt einen Spitzenwert von 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht und damit wieder den EU-weiten Grenzwert von 40 Mikrogramm überschritten. Nun also hat das Unternehmen Mann+Hummel aus Ludwigsburg in Baden-Württemberg zwischen der Blutenburg- und der Wilderich-Lang-Straße sieben solcher Filtersäulen aufgebaut, zwei weitere sollen zu einem späteren Zeitpunkt dazukommen. Diese saugen mit Ventilatoren die dreckige Luft an, die Filter sollen mehr als 80 Prozent des NO2, des Ozons und des Feinstaubs aus der angesaugten Umgebungsluft binden. Nach Angaben der Herstellers kann eine dreiteilige Filtersäule jede Stunde 14 500 Kubikmeter Luft reinigen.

Das Projekt haben das bayerische Umweltministerium und das Münchner Referat für Klima- und Umweltschutz angeregt, die wissenschaftliche Begleitung übernehmen vier bayerische Hochschulen unter der Federführung der Universität Bayreuth. Anke Nölscher steht neben einer der neuen Säulen an der Einmündung der Hirschbergstraße in den Mittleren Ring. Kurz vor Mittag herrscht dort zwar keine Rushhour, doch wie zu jeder Tages- und Nachtzeit braust so viel Verkehr vorbei, dass man ihn riechen kann und sich wegen des Lärms etwas lauter unterhalten muss. Nölscher ist in Bayreuth Professorin für Atmosphärische Chemie und koordiniert die wissenschaftlichen Untersuchungen. Unter anderem leitet sie auch die drei Jahre dauernden Ultrafeinstaub-Messungen am Münchner Flughafen. An der Landshuter Allee erwartet sie sich genauere Erkenntnisse darüber, wie sich verschiedene Faktoren auf die Luftverschmutzung auswirken und wie effektiv die Filtersäulen im Langzeitversuch in München arbeiten.

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In den Nebenstraßen wird während der Testphase die Luftbelastung gemessen

Die Filtersysteme könnten später Bestandteil von Luftreinhalteplänen werden. Dass die Säulen ausgerechnet an der Westseite der Straße aufgestellt werden, nicht aber gegenüber, habe seinen Grund, erläutert Nölscher. "Diese Straßenseite ist besonders belastet", sagt sie. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Landshuter Allee sei wie ein Windkanal zu verstehen, bei dem entstehende Wirbel die Schadstoffe hauptsächlich nach Westen transportieren. Doch die genauen Auswirkungen der Wind- und Wetterlage auf die NO2-Belastung seien Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung. In den Nebenstraßen misst zudem die Universität Augsburg während der zweijährigen Testphase die Luftbelastung, die Technische Universität München behält die Verkehrsdichte im Auge, die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg wertet die Filter aus. Letztere müssen alle sechs bis acht Wochen ausgewechselt werden. Die Messgeräte der Wissenschaftler halten zudem fest, wie die NO2-Belastung schwankt, wenn die Filtersäulen stundenweise mal ausgeschaltet werden.

In Stuttgart an der Messstation "Am Neckartor", sagt Thomas Michalak, Vertriebschef bei Mann+Hummel, habe man mit den Filtersäulen seit dem Jahr 2018 die NO2-Belastung im Durchschnitt um neun Prozent, die Feinstaubbelastung um sieben Prozent senken können. Weil die Stadt Stuttgart zusätzlich ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge und ein Tempolimit von 40 Kilometern pro Stunde verhängt hat, ist die Straße Am Neckartor ihren zweifelhaften Titel als schmutzigste Straße an die Landshuter Allee losgeworden.

Insgesamt hat die Firma 140 Anlagen weltweit verteilt

Im Juni hat Mann+Hummel zudem Filter in Ludwigsburg aufgestellt. Insgesamt hat die Firma rund 140 Anlagen in der Welt verteilt, zum Beispiel auch in der Pariser U-Bahn, um dort die Feinstaubbelastung zu senken. "Mit sehr guten Ergebnissen", sagt Michalak, Genaueres könne man erst nach einer detaillierten Auswertung sagen. Im Unternehmen, das als Autozulieferer angefangen hat und heute Filtersysteme für verschiedene Nutzungen herstellt, glaubt man, dass der Bedarf an Außenfiltern weiter zunehmen wird, vor allem in Asien.

In München soll die Luftqualität nicht alleine durch Filteranlagen verbessert werden. Die Stadt hat vorab schon betont, dass es sich um keine langfristige Lösung handle. Das Ziel sei nach wie vor, die Abgasbelastung zu verringern, indem der motorisierte Individualverkehr reduziert wird. Einen Ausbau des Landshuter-Allee-Tunnels, wie er längere Zeit geplant war, soll es auf Beschluss der grün-roten Rathauskoalition nicht mehr geben.

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