Kurzkritik:Endlich wieder eine Jazz-Suite

Lesezeit: 1 min

Der Jazzpianist Gerald Clayton bei seinem Auftritts in der Unterfahrt. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Gerald Claytons All-Star-Hommage an Charles White in der Unterfahrt.

Von Oliver Hochkeppel

Wer die vielen Suiten von Duke Ellington liebt, der findet es schade, dass dergleichen heute nur noch selten gemacht wird. Warum das so zu bedauern ist, demonstrierte in der Unterfahrt der amerikanische Pianist Gerald Clayton. Er hatte 2019 für eine große Retrospektive über den schwarzen Maler und Bürgerrechtler Charles White im Los Angeles Center of Modern Art die Auftragskomposition "White Cities" geschrieben.

Diese fünfteilige Suite stellte er jetzt in München in der originalen Quintett-Besetzung vor, die das Beste versammelt, was derzeit im jüngeren amerikanischen - schwarzen - Jazz zu finden ist: Maquis Hill an der Trompete, Logan Richardson am Altsaxofon, Jeff Parker an der Gitarre und Joel Ross am Vibrafon und Schlagzeug, alle selbst Bandleader auf dem Weg nach ganz oben.

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Clayton machte es sich bei dem Werk nicht einfach. Mehrere Ebenen liegen darin übereinander: Zunächst geben die drei Städte, in denen White lebte und wirkte, die Atmosphäre vor, einschließlich einleitender Einspielungen der jeweiligen Geräuschkulissen. Chicago steht mit fröhlichem Blues und viel Orgel für die eher unbefangene Jugend Whites; New York mit einem flirrenden, rhythmisch hart betonten, ja fast wütendem Stück für sein "Erwachen", wie es Clayton ausdrückte; Los Angeles schließlich mit einem hymnischen, den Anfang paraphrasierenden und vom Fender-Rhodes-Klang dominierten Part schließlich für sein Schaffen. Zugleich stellen die Stücke mit Leitmotiven die Verbindung zu den fünf Bürgerrechtskämpfern auf Whites berühmtem Wandgemälde "5 Great American Negroes" her.

Was unter den Händen dieser fünf Ausnahmemusiker zu einem überwältigenden musikalischen Vexierbild wurde, das bis hin zur "Body & Soul"-Zugabe (Ellington!) scheinbare Gegensätze auf wunderbare Weise zusammenbrachte: Form und Freiheit, Tradition und Avantgarde, Im- und Expressionistisches. Eine fantastische Reise von den Ursprüngen des Jazz in seine Zukunft.

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