Bayerischer Hof:Der Mann, der jedes Luxusauto fährt

Lesezeit: 4 min

60 Parkplätze gibt es in der Garage vom Bayerischen Hof - aber auch nur, wenn man wie Tefsa Weldegiorgis nur wenig Platz zwischen den Autos lässt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Tefsa Weldegiorgis saß schon bei allen hinterm Steuer: Bentley, Maybach, Tesla. Der Garagenchef im Bayerischen Hof parkt hundertmal am Tag ein und aus. Zentimetergenau.

Von Philipp Crone

Die Frau schreit kurz auf, als sie den Garagenleiter bei der Arbeit entdeckt. Sie kommt gerade aus der Lobby die Treppe herunter und sieht, wie ein Mann in der Tiefgarage des Bayerischen Hofes einen weißen BMW X5 zurücksetzt, wenige Zentimeter mit der Beifahrertür an einem Betonpfeiler vorbei in die Parklücke. Außenspiegel einklappen, Motor abschalten, Zündschlüssel ins Büro bringen. Tefsa Weldegiorgis lächelt.

Der schmale Mann aus Eritrea kennt das BMW X5-Model genauso auswendig wie den 911er, alle Mercedes-Klassen, Audi ohnehin. Er weiß genau, wie hoch der Landrover ist und wo er bei den 1,98 Metern Garagenhöhe aufpassen muss. Bentley und Maybach haben die dicksten Schlüssel, und beim Tesla muss er nicht lange nach den Knöpfen suchen, es gibt nur einen, alles andere passiert auf dem Touchscreen. Weldegiorgis fährt seit acht Jahren die dicksten Autos, aber immer nur bei Neonlicht, und im ersten Gang. Oder eben rückwärts. Ein Leben im Luxus?

Täglich 100 Mal Ein- und Ausparken

Weldegiorgis, ein schmaler Mann im dunklen Blaumann, rollt grinsend mit dem Kickboard zurück zu seinem Büro. "Ich habe gar keine Zeit, darüber nachzudenken, ich muss ja gleich wieder in den nächsten Wagen." Vom Ferrari in den Ford. Vom Bentley in den Smart. 60 Parkplätze hat die Garage, in 45 von denen kämen wohl normale Gäste gar nicht erst rein.

Manche parken nur eine Stunde, in zweiter Reihe, andere über Wochen, Weldegiorgis parkt Edelkarren wie Pakete im Warenhaus. Es ist 15 Uhr an einem Donnerstag, seit 6 Uhr ist der 50-Jährige im Einsatz, bis zu hundert Mal parkt er pro Tag ein und aus. Zweihundert Mal hat er bislang einen Gang eingelegt.

Für jedes geparkte Auto wird der Schlüssel in ein Fach gelegt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Ich dachte, ich mache die Autos kaputt"

Weldegiorgis ist gelernter Druckformhersteller. Er kam 1985 nach Deutschland, 1989 hatte er den deutschen Führerschein, und einen Dienstwagen. Als er 2007 einen neuen Job brauchte, bot ihm der Bayerische Hof die Stelle an, erst mal zur Probe. "Ich hatte richtig Angst und wollte das nicht. Ich dachte, ich mache die Autos kaputt." Doch der Garagen-Chef sagte: Du probierst es jetzt drei Tage aus, dann entscheiden wir. "Mein erstes Auto war ein BMW, und alle haben zugeschaut." Sie arbeiten unten im Neon-Bereich zu dritt oder viert, rund um die Uhr. "Zum Glück hatte der BMW eine Automatik." Er musste also nicht erst den Kupplungspunkt suchen.

Bayerischer Hof
:Der Concierge, der niemals nein sagt

Ein Job, in dem man ein Bruchteil des Gehalts seiner Kunden verdient - ihnen aber oft als Einziger alle Wünsche erfüllen kann: Florian Weidenbach ist Concierge im Luxushotel Bayerischer Hof.

Von Philipp Crone

Mittlerweile ist das Routine. Weldegiorgis weiß genau, wo die Knöpfe und Hebel aller Luxusautos sind, und wenn er den Motor startet, sucht er ganz kurz den Kupplungspunkt - und schon schaut er beim Einparken nur noch in die Rückspiegel. Der schwierigste Parkplatz ist direkt neben dem Büro-Häuschen, eng und nur gerade zu erreichen. "Da stellen wir immer die Wagen ab, wenn jemand Tiere im Auto dabei hat." Bislang waren es immer Hunde. "Fenster runter, und dann steht das Auto samt Tier immer in Sichtweite."

"Wenn der Gast runterfährt, schauen wir erst einmal das Auto kurz an, ob es einen Schaden gibt." 200 000 Mal hat er bislang eingeparkt, nur dreimal gab es einen Kratzer, keine schlechte Quote. Welche Autos sind besonders schwierig zu fahren? "Smarts sind gar nicht so einfach zu parken, weil der Kotflügel im toten Winkel rausschaut."

Wenn er einsteigt in einen Wagen, "bleibt natürlich alles so, wie es ist". Egal, ob Handy oder Geldbeutel in der Sitzritze klemmen. "Nur wenn eine Brille auf dem Sitz liegt, nehme ich die natürlich weg, bevor ich mich setze." Weldegiorgis ist sehr vorsichtig bei allem, was er sagt, er möchte nichts Falsches sagen, keine Fehler machen, auch da nicht anecken.

SZ PlusMontagsinterview
:"Diskretion ist unser höchstes Gut"

Der Chef des Züricher Hotels Baur au Lac, Wilhelm Luxem, über ungebetene Gäste, Konkurrenz und warum Kunden nie Rabatt erhalten.

Interview von Caspar Busse und Charlotte Theile

Weldegiorgis langt nichts an

"Am bequemsten ist der Bentley, aber im Maybach sitzt man auch ganz gut." Wer kann das schon sagen, wenn er aus der Arbeit kommt? Dann hat Weldegiorgis wieder Dutzende mit Damenparfum getränkte Cockpits gesehen, hat laut aufgedrehte Opernarien über sich ergehen lassen, während er zurücksetzte und eineinhalb Zentimeter am Pfosten vorbeirollte.

Auch das Radio langt er nicht an. Und die Spiegel schon gleich gar nicht. "Manchmal muss ich ganz nach vorne rutschen, wenn der Sitz für einen Zwei-Meter-Mann eingestellt ist." Aber dafür drückt er dann eben aufs Gas, und es röhrt der Motor mit 420 PS. Ab und zu darf er dann aber doch mal in den zweiten Gang schalten, wenn die Garage voll ist und sie die Autos im Parkhaus nebenan zwischenlagern.

"Einmal wollte eine Frau unbedingt selbst einparken. Als sie es nicht schaffte, habe ich geparkt, und sie war so glücklich, dass sie mir einen Heiratsantrag gemacht hat." Wer parkt besser ein, die weiblichen oder männlichen Gäste? "Ich muss sagen . . .", Weldegiorgis überlegt kurz, dann: "die Frauen." Neulich gab es eine Verwechslung. Zwei gleiche Mietwagen standen nebeneinander. Chef und Sekretärin einer Firma hatten sie abstellen lassen. "Dann ist aus Versehen der Chef mit dem Wagen seiner Assistentin gefahren."

Weltrekordversuch
:19 Cocktails pro Minute

Matthias Knorr ist Bartender und möchte den Weltrekord im Cocktailmixen brechen. Wie er das anstellen will und worauf es bei einem guten Drink ankommt.

Interview von Philipp Crone

Ohne Servolenkung wird es schwierig

Schwierig sind die alten Porsches, sagt Weldegiorgis, "ohne Servolenkung muss man die erst mal in die Lücken reinkriegen". In der Garage, verwinkelt und uneinsehbar, haben sogar coole Cabrio-Fahrer Angst vor Kratzern. Auch deshalb seien die Leute glücklich, wenn sie den Schlüssel abgeben können. "Ein Gast kommt, obwohl er öffentlich viel schneller da wäre, immer mit dem Auto, weil er es so schön findet, mir dabei zuzusehen, wie ich es einparke."

Und wenn Weldegiorgis nach seiner Schicht wieder einhundert Mal Motoren gestartet hat, vielleicht ein Hochzeitsauto geparkt, zwei Alarmanlagen ausgeschaltet und ein paar besonders hektischen Gästen ihren Wagen übergeben hat, dann fährt er nach Hause zu seinen drei Kindern, von denen zwei auch schon den Führerschein haben und bald ein Auto wollen. Sie können ja ihren Vater mal um Rat fragen, wenn er zu Hause angekommen ist - mit der U-Bahn.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: