Weltrekordversuch:19 Cocktails pro Minute

Lesezeit: 6 min

Diesen Griff mehr als 18 Mal in einer Minute, so will Matthias Knorr einen neuen Weltrekord aufstellen. Er bildet seit zwölf Jahren zum Bartender aus. (Foto: Stephan Rumpf)

Matthias Knorr ist Bartender und möchte den Weltrekord im Cocktailmixen brechen. Wie er das anstellen will und worauf es bei einem guten Drink ankommt.

Interview von Philipp Crone

Matthias Knorr muss noch ein paar Mal trainieren für seinen Weltrekordversuch, mindestens 19 Cocktails in einer Minute (3. September, 16.15 Uhr, WDR). Der Rekord liegt derzeit bei 18 . Aber der Mann wirkt entspannt. Kein Wunder, seine Branche boomt, München ist eine der führenden Metropolen der Szene und Knorr, im Vorstand der Deutschen Bartender Union (DBU), ist gefragt. Als Rekordmischer und Berater. Der 40-Jährige machte eine Ausbildung zum Hotelfachmann am Königshof, arbeitete in der Schweiz, in London und Wien, und als Trainingsmanager im City-Hilton in München. Dann eröffnete er 2003 die Barschule München.

Herr Knorr, warum muss man mehr als 18 Drinks in einer Minute mischen?

Matthias Knorr: Muss man nicht. Ist aber eine Herausforderung, und eine Revanche.

Revanche?

Ich werde versuchen, dem Amerikaner Sheldon Wiley seinen Rekord abzunehmen. Er hat mir zuletzt meinen Stundenrekord von 389 Drinks genommen. Bei seinem Versuch hat er allerdings automatische Dosierdüsen verwendet und nur noch auf verschiedene Knöpfchen gedrückt. Aber die Richter vom Guinness-Buch haben das gelten lassen. Ich habe immer aus Flaschen eingeschenkt. Also ein bisschen Rivalität ist da schon dabei.

Wie bereiten Sie sich vor?

Bei den Abläufen habe ich Routine. Aber klar ist: Wenn mir in der Minute eine Flasche mal aus der Hand rutscht, wird es richtig eng. Es kommt auch darauf an, ob ich eine Flasche mit dem Daumen nach unten oder mit dem Daumen nach oben greife. Bei meinem Stundenrekordversuch musste ich die Griffe abwechseln, sonst kann man am Ende den Arm nicht mehr bewegen. Trotzdem hatte ich danach ein Dreivierteljahr Schmerzen im Ellenbogen.

Sie mischen nicht nur schnell, Sie bilden auch aus. Wie kamen Sie dazu?

Mit 17 habe ich schon bei einem Bekannten in seiner Bar ausgeholfen. Nach dem Abitur ging es dann an die Hotelfachschule.

Warum?

Ich mag das. Man kann kreativ sein, hat mit Leuten zu tun. Und motorisch ist es auch anspruchsvoll. Beim Flairbartending, also der Show-Variante, wo die Flaschen fliegen, zum Beispiel. Da war ich zweimal Deutscher Meister.

Als Sie anfingen, sah die Barszene in München noch ganz anders aus als heute.

In den vergangenen zehn Jahren und gerade auch in München und in Deutschland allgemein hat sich unglaublich viel getan.

Warum gibt es heute viel mehr gute Bars als früher?

Zum einen liegt das daran, dass Deutschland ein wohlhabendes Land ist, man sich auch gute Bars und Drinks leisten kann und dafür auch ein Bewusstsein entstanden ist. Zweitens gibt es hier eine starke Getränke-Industrie. Aber auch die Geografie spielt eine Rolle. Wir haben mehrere Zentren. England hat in der Szene nur London. Deutschland hat München, Berlin oder Frankfurt. Eigentlich alle Großstädte, aber auch in Nürnberg gibt es eine gute Szene, und so entwickeln sich die einzelnen Standorte unabhängig voneinander weiter.

Bar Auroom
:Der Geist der Cocktail-Grotte

Hier können Drinks sogar nach thailändischen Suppen schmecken: Im Auroom im Glockenbachviertel zeigt sich, dass München eine hervorragende Barkultur hat.

Von Andreas Schubert

Hat sich auch das Berufsbild gewandelt?

Gewaltig. Heute legen die Leute weniger Wert auf die Art der Zubereitung, etwa die Show und das spektakuläre Shaken. Viel wichtiger sind Zutaten und Mischungen, das ist ja eine Art Wissenschaft geworden, deshalb spricht man von Mixology.

Es geht also mehr darum, was drin ist im Drink, als darum, wie es reinkommt.

Das zum einen. Eine weitere Entwicklung ist, dass man als Bartender noch mehr auf den Gast eingeht - sich also nicht beim Drink verkünstelt, sondern mehr kommuniziert.

Lernt man das bei euch in der Schule?

Wir haben dafür einen speziellen Kurs. Man lernt, wie man für den Gast eine Atmosphäre erzeugt, in der er sich wohl fühlt.

Jeder will aber eine andere Atmosphäre.

Genau deshalb muss der gute Barkeeper zunächst erkennen, wen er vor sich hat.

Zum Beispiel?

Wir geben grobe Typologien vor. Etwa den lauten Gast, der an die Bar kommt, drei Mal auf den Tresen klopft und sagt: Ich hätte gerne was zu trinken. Das ist der Typ Entscheidungsträger. Der weiß meistens schon, was er will: das Beste und schnell.

Wie gehe ich mit dem um?

Ich mache ihm einen Drink mit besten und teuersten Zutaten, und kann ihm im Gespräch auch mal etwas kontra geben. Solche Typen wollen sich verbal reiben und messen. Das ist der rote Typ. Dann gibt es noch grün, gelb und den Zahlenmenschen.

Grün ist wohl der Zurückhaltende . . .

Genau. Der will, dass es der Gruppe gut geht, mit der er da ist, der ist ein Teamplayer. Setzt sich an die Bar und freut sich schon, wenn man ihn begrüßt. Der hetzt einen nicht. Dem fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen.

Also schlägt ihm der Barmann etwas vor.

Er sagt erst einmal ein paar nette Worte zu ihm, stellt ihm ein paar Nüsschen hin, macht Vorschläge. Der Grüne wird am Ende fast immer sagen: Mach mir den Drink, den auch du gut findest.

Der Zahlenmensch achtet auf den Preis.

Der wägt ab: Der eine Drink hat so viel Prozent Alkohol, der andere nur so viel. Dann nehme ich, Preis-Leistung, den Cocktail mit dem anteilig am meisten Alkohol. Ja, auch solche Typen gibt es ( lacht).

Und der gelbe Typ?

Das ist der Schrille. Kommt rein, spricht gleich mit drei Leuten gleichzeitig, flippt ein bisschen rum.

Was will der?

Der braucht nicht das Beste. Der will etwas Besonderes. Wenn du dem eine Piña Colada machst, oben ein bisschen Grenadine draufhaust und sagst: Ist ne Eigenkreation, nur für dich, dann ist der happy. Ich selbst bin irgendwo zwischen rot und gelb.

Vor nicht zu langer Zeit hieß es noch, eine Piña Colada geht gar nicht.

Heute ist es so: Gut gemischt, ist das ein feiner Drink. Also mit frischer Ananas, dazu kein Kokos-Sirup, sondern Kokos-Pürree, das Ganze in einem Mixer zubereiten und die Sahne weglassen, dafür einen guten Rum verwenden - das ist wunderbar. Und beim Caipirinha ist das genauso.

Wie?

Das muss kein Limettenchutney mit Sprit sein, sondern man kann den mit feinerem Zucker mixen, einen guten Cachaça verwenden.

Sie sind viel unterwegs. Wo gibt es denn die besten Barkeeper?

Das ist schwer zu sagen. Prag hat sich zuletzt unglaublich entwickelt. Aber als wir neulich zu einer Art Bildungsreise nach New York geflogen sind, war ich wiederum eher enttäuscht.

Warum?

Es gibt schon ein paar nette Bars, gerade die echten, alten Speak Easys, oder so Läden wie das Backdoor. Aber oft waren die Drinks nur ganz in Ordnung, der Service auch gerade so in Ordnung. Bei der Qualität der Drinks sind hier viele Bars besser.

Bar Helene
:Schnaps mit Gummibärchen

Mit der anderen Helene, die derzeit in Deutschland Karriere macht, hat diese Helene in Schwabing rein gar nichts zu tun. Sie kommt eher rustikal-loungig daher.

Von Christiane Lutz

Wo entstehen die Trends, welche Spirituose ist in Mode?

In der Szene gibt es ganz besonders viele Individualisten. Das kann man nicht lokalisieren. Bei den Spirituosen kommt der Gin noch mehr. Dann Whisky und Rum. Der ist gerade in Italien schwer im Kommen.

Zubereitungsart, ausgefallene Zutaten, Verzierung und die Gefäße mit Rauch und duftendem Nebel oben auf den Cocktail. Wann ist denn die Drink-Entwicklung mal ausgereizt?

Es ist schon noch viel Luft nach oben. Zur Zeit sind Signature-Drinks beliebt. Das sind Cocktails, die eigens für eine Bar entworfen und benannt werden. Und auch die Regionalisierung wird noch mehr kommen. Drinks nur mit Zutaten aus Bayern zum Beispiel.

Zum Beispiel?

Ein Gin-Sour mit frischen Radieschen.

Klingt schlimm.

Schmeckt aber super und bekommt eine wunderbare Farbe.

Bars mit Signature-Drinks haben oft eine kleine, dafür individuelle Karte.

Das ist auch gut so! Eine dicke Karte schaut ja niemand an. Die soll nur neugierig machen.

Damit man dem Bartender dann sagt: Mach mir doch irgendwas mit . . .

Das lernt man in der Ausbildung, wie man auch kreativ sein kann. Bis zu unserem Kurs "Extreme Mixology", da wird dann auch mal geräuchert, wir machen einen Schokoladennebel, der auf die Oberfläche kommt.

Der gute Barmann ist also ein kommunikativer Mixologe mit Menschenkenntnis.

Bar Mr. Mumbles
:Cocktails vom Linebacker

Ohne Clayton Gomez läuft nichts im Mr. Mumbles. Der Barkeeper wirkt wie ein Football-Profi, dabei hat er Rezepte von mehr als 300 Drinks im Kopf. Darunter einen, der "Hurrikan Katrina" heißt.

Von Philipp Crone

Die Balance ist wichtig. Man macht eine Show und ist auf einer Art Bühne als Bartender. Aber man darf kein Selbstdarsteller sein. Solange es authentisch ist, wird es funktionieren und ankommen.

Warum braucht es solche Rekorde wie den Minuten-Versuch?

In der Praxis wird man natürlich nie 18 Drinks in einer Minute machen, aber es geht schon auch um eine gute Effizienz als Barkeeper. Wenn im Sausalitos in München an einem Abend mit Happy Hour bis zu 1000 Drinks verkauft werden, muss man schauen, dass man schnell genug mischt. Da kann man nicht noch jedes Glas mit Eiswürfeln kaltrühren zum Beispiel. Zügig gute Drinks machen, darum geht es. Oft verkünsteln sich die Leute und man macht weniger Umsatz. Und man strapaziert die Geduld des Gastes. Da ist es eben gut zu wissen, dass ich einen roten Gast vor mir habe, also einen Entscheidungsträger. Dem mache ich einfach einen Drink.

Aber keinen aus dem Weltrekordversuch.

Nein. Da ist es so, dass ein Cocktail drei verschiedene Zutaten haben muss, darunter eine alkoholische, und Dutzende Gläser mit Eiswürfeln vor mir stehen. Ich kann in der Zeit keinen geschüttelten oder gerührten Drink mischen. Die sind nur gebaut.

Also einfach zusammengeschüttet.

( Lächelt) Eingeschenkt. Die meisten sind ohnehin mit Kohlensäure, die kann man nicht schütteln.

Aber sind die genießbar?

Auf jeden Fall. Sehr sogar. Zum Beispiel wird bei meinem Versuch der erste mit Bavaca-Wodka, Limonenlikör und Ginger-Beer sein, also eine Moscow-Mule-Abwandlung. Schlicht, schmeckt aber.

Welche Regeln gibt es noch?

Man muss einen nach dem anderen machen. Drei Sekunden pro Drink. Also habe ich mehrere Flaschen in einer Hand.

Ihre Frau ist auch Profi-Mixerin. Welchen Drink gibt es zur Feier daheim?

Wir haben eigentlich immer nur alkoholfreies Bier daheim. Ich bin jeden Tag von Hunderten Schnapsflaschen umgeben, da brauche ich das nicht noch daheim. Ich werde mir dann vielleicht in Ruhe einen Whisky-Sour gönnen.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Stadt der Cocktails
:Münchens beste Barkeeper

"Die Drinks sind nur so eine Art Köder für die Gäste": Bars in München erleben derzeit einen bemerkenswerten Aufschwung - und das liegt nicht zuletzt an den vielen guten Barkeepern hier. Wir zeigen die besten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: