Windkraft im Landkreis Fürstenfeldbruck:"Es war immer klar, dass so was nur mit Herzblut funktioniert"

Lesezeit: 4 min

Läuft rund: Das Windrad von Bernhard Schulze steht auf einer Anhöhe gleich hinter seinem Garten in Günzlhofen. Easy Wind steht auf der Rotorgondel. Nun ja, ganz so easy war die Sache anfangs aber auch wieder nicht. (Foto: Stefan Salger)

Als Bernhard Schulze das erste Windrad im Landkreis errichten will, gibt es ordentlich Gegenwind. Zehn Jahre später fällt seine Zwischenbilanz positiv aus - auch wenn er heute manches anders machen würde.

Von Stefan Salger, Oberschweinbach

Den Mann kann nichts erschüttern. Diesen Eindruck vermittelt Bernhard Schulze, bis 2014 Bürgermeister von Oberschweinbach, wenn er so da steht wie eingepflanzt neben seinem Windrad in Günzlhofen. Das ist den Angaben des Herstellers zufolge sturmsicher. Schulze hat vor zehn Jahren bewiesen, dass dieses Attribut auch für ihn gilt. Auf der Flanke der in 13 Meter Höhe befestigten Rotorgondel prangt in blauer Schrift der Herstellername: Easy Wind. Aber so easy war die Sache mit dem Wind gar nicht. Vor dem Bau schlug dem heute 63-Jährigen ein ordentlicher Sturm entgegen, den die Genehmigungsbehörden und auch der eine oder andere Nachbar entfacht hatten. Lange her. Genauer gesagt: gut zehn Jahre. Und damit Zeit für eine Art Zwischenbilanz: Wie hat sich diese Kleinwindanlage geschlagen? Warum ist sie bis heute die einzige ihrer Art? Haben sich die damaligen Windkraftgegner überzeugen lassen? Und wie wartungsanfällig ist sie?

Fragen über Fragen. Schulze nimmt sich Zeit, um sie zu beantworten. Er sei ja jetzt Rentner, sagt der Ingenieur, der früher bei den Fürstenfeldbrucker Stadtwerken für die Planung der großen Windkraftanlagen zuständig war.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Um das in zweiter Reihe gelegene Häuschen herum geht es durch den Garten, an der alten 175er Zündapp vorbei und durchs Gartentürchen, hinauf auf die Kuppe der Anhöhe. Und da steht es also auf einer "Halbinsel" im Acker, auf dem grüne Pflänzchen durch die braune Krume spitzen: das Windrad, das viele Nerven gekostet, aber auch zuverlässig "geliefert" hat. Schulze - Brille, weißer Dreitagebart, kariertes Hemd - hat die Hände in die Hosentaschen vergraben. Er ist tiefenentspannt, während oben die frische Brise für Spannung sorgt. Ein leichtes Schleifen setzt ein. "Jetzt wird Strom produziert", erklärt Schulze.

Mindestens mit drei Metern pro Sekunde muss der Wind wehen, bis der Generator oben auf dem Stahlmast zugeschaltet wird. Der Winkel der vier filigranen Rotorblätter wird automatisch so verstellt, dass diese den Wind optimal ausnutzen, im Falle eines Sturms aber keinen Schaden nehmen - während große, rentabel arbeitende Windkraftanlagen wie jene in Mammendorf und Malching bei solchen Bedingungen sicherheitshalber still stehen. Das also ist mit "sturmsicher" gemeint. Die Sechs-Kilowatt-Anlage läuft seit Mai 2011 praktisch ununterbrochen. Auch das Versprechen, das Windrad sei "wartungsfrei", hat der Hersteller gehalten. Schulze zieht anerkennend die Augenbrauen hoch. In der Anfangsphase musste die Lieferfirma nur einmal nachbessern, ein Fall für die Gewährleistung. Da hatte sich ein Bauteil innerhalb der Gondel gelöst, weil irrtümlich normale statt selbst sichernde Muttern verwendet worden waren. Da wurden die Sicherungsseile gelöst und der Mast einfach umgelegt. Nach ein paar Stunden war die Sache erledigt.

Heute würde Schulze einen Batteriespeicher installieren und die Anlage höher bauen

Seither läuft alles rund. Wer jetzt aber meint, dass Schulze den großen Reibach macht, der täuscht sich. "Es war immer klar, dass so was nur mit Herzblut funktioniert und es nicht in erster Linie um Wirtschaftlichkeit geht", sagt er. Will heißen: Die etwa 20 000 Euro sind noch nicht ganz wieder reingekommen. Das liegt auch daran, dass sich so ein kleines Windrad eigentlich nur lohnt, wenn man es für einen entsprechenden Eigenbedarf nutzen kann.

Schulzes Haushalt benötigt aber nicht gar so viel, zumal es auf dem Hausdach auch noch eine Solarthermie- sowie seit 13 Jahren eine Photovoltaikanlage gibt, aber sich der Stromverbrauch in Grenzen hält. Überschüsse des Windrads werden ins Stromnetz eingespeist. Neun Cent pro Kilowattstunde sollten für eingespeisten Strom eigentlich vergütet werden. Voraussetzung ist aber die Vorlage von "Referenzwerten". Die sind für die kleine Anlage freilich nicht zu bekommen. Und deshalb gibt es lediglich fünf Cent - während Verbraucher um die 30 Cent dafür hinblättern müssen. Das ist wohl der Grund, warum dieses kleine Windrad das einzige weit und breit geblieben ist.

Würde er aus heutiger Sicht wieder so entscheiden? "Ja, schon", sagt Schulze ohne zu zögern. Allerdings würde er sich einen Batteriespeicher installieren, um nicht zu Dumpingpreisen einspeisen zu müssen, wenn er gerade keinen Strombedarf hat, aber der Wind ordentlich bläst. Zudem würde er die Anlage höher bauen, um über die Baumkronen des einige hundert Meter entfernten Waldrands im Westen zu kommen. Vielleicht 30 Meter. Damit läge er immer noch weit unter dem Limit von 50 Metern, bis zu dem es ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durch die Gemeinde gibt. Und er würde einen größeren Rotor draufsetzen, mit acht statt sechs Metern Durchmesser.

Und die früheren Kritiker? Haben sich offenbar beruhigt. Ein Nachbar hatte geklagt, weil er befürchtete, das Windrad schmälere den eigenen Grundstückswert - letztlich erfolglos. Und das Amt für Denkmalpflege hatte erst nach einem sehr kritischen Blick auf die Sichtachse zum Kirchturm zugestimmt. Überhaupt hatte es gut zwei Jahre gedauert, bis die Genehmigung da war. Nicht gerade hoch im Kurs stehe die Windkraft auch im Rathaus Oberschweinbach, sagt Schulze und verzieht ein bisschen das Gesicht. Da geht es auch um die großen Anlagen, die mehrere Tausend Haushalte mit Strom versorgen können. Drei Projekte im Landkreis kommen nicht so recht voran - bei Mammendorf, Maisach und Jesenwang. Schulze ärgert sich über viel zu teure Artenschutzgutachten, deren Vorgaben sich kaum erfüllen lassen, über Auflagen der zivilen Flugsicherung, des Denkmalschutzes und die 10-H-Regelung, die den Abstand zur Wohnbebauung festlegt.

Das sind auch nach Überzeugung Gottfried Obermairs die wirklichen Baustellen. Für Kleinanlagen empfiehlt der Vorsitzende des Klimawendevereins Ziel 21 die rentablere Photovoltaik, deren Nutzung für den Bürger aber ebenfalls noch viel zu bürokratisch und kompliziert sei. Kleinwindanlagen wie die von Bernhard Schulze rechnet Obermair der "Liebhaberei" zu. Damit hat er ja recht, Schulze würde das wahrscheinlich unterschreiben. Aber wichtiger als der Ertrag ist ihm einfach das gute Gefühl, sich seinen Strom selbst emissionsfrei zu erzeugen und mit erneuerbaren Energien das Teewasser zum Kochen zu bringen. Ein gutes Gefühl vermittelt auch der Blick nach oben, wo sich alles im Kreise dreht. Innerhalb der nächsten zehn Jahre, da ist Schulze zuversichtlich, wird die Anlage auch noch ihre Kosten eingespielt haben. Abwarten und Tee trinken.

© SZ vom 23.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusStadtentwicklung in Fürstenfeldbruck
:"Wir müssen bereit sein, etwas zu ändern"

Im Münchner Umland explodieren die Immobilienpreise - und in der Stadt selbst sowieso. Städtebauer Johannes Dachsel hat ein paar Ideen, wie Wohnquartiere lebenswert, bezahlbar und klimafreundlich werden könnten.

Interview von Stefan Salger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: