Fürstenfeldbruck:Bedrohte Vogelart kehrt zurück

Lesezeit: 2 min

Ein Großer Brachvogel fliegt von einer Wiese am Fliegerhorst auf. Gut möglich, dass die Tiere dort brüten wollen. (Foto: Erich Pöhmerer/oh)

Vogelschützer sind begeistert: Die vom Aussterben bedrohten Brachvögel sind auf dem Fliegerhorst gesichtet worden. Sie könnten sich dauerhaft ansiedeln - wenn sie nicht wieder vertrieben werden.

Von Ingrid Hügenell, Maisach

Es ist eine Sensation, die Simon Weigl vom Landesbund für Vogelschutz berichtet - auf jeden Fall für Vogelbeobachter und Naturschützer: Auf dem Gelände des Fliegerhorstes Fürstenfeldbruck haben sich Brachvögel eingefunden, und sie machen Anstalten zu brüten. Zehn der großen Schnepfenvögel kann man am Donnerstag zwischen der BMW-Teststrecke und der Maisacher Umfahrung zählen. Einige zeigen Balzflüge. Andere werden womöglich weiterziehen. Weigl schaut begeistert durch sein Fernglas. "Es ist so schön, sie zu sehen", sagt er.

Der Große Brachvogel habe bis vor 15 oder 20 Jahren am Fliegerhorst gebrütet, berichtet der Biologe und Geschäftsführer des Landesbunds für Vogelschutz im Landkreis. Dann sind die Vögel verschwunden. Und nun sieht es so aus, als kehrten sie nicht nur zurück, sondern wollten auch brüten. Denn zu hören ist auch das flötend-trillernde Lied, mit dem die Männchen ihr Brutrevier markieren. Weigl weist zudem auf die charakteristischen Figuren des Balzflugs hin. Er ist ein Experte für die Vögel, von denen es in Bayern nur noch etwa 500 Brutpaare gibt. Sie sind sehr stark vom Aussterben bedroht; ihr Bestand nimmt ab.

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Früher, noch vor 100 Jahren, seien sie zu Hunderttausenden unterwegs gewesen, sagt Weigl. Das habe sich dramatisch geändert. "Jede Woche verwende ich fünf Stunden nur darauf, die Brachvögel vor dem Aussterben zu bewahren." Wie so viele andere Tiere verschwinden auch die etwa bussardgroßen Vögel mit dem charakteristischen langen, gebogenem Schnabel, weil ihr Lebensraum zerstört wird - die artenreichen, extensiven Wiesen.

96 Prozent dieser Flächen sind Weigl zufolge in Deutschland bereits verschwunden, durch Intensivierung oder Umwandlung in Bauland. Dabei zählen sie zu den artenreichsten Lebensräumen, die es in Europa überhaupt gibt. Weigl vergleicht sie darin mit den Regenwäldern. Auf solchen Wiesen finden sich zahlreiche Insekten, Schnecken und Würmer, die die Brachvögel mit ihren Schnäbeln hervorstochern.

Im Randbereich des früheren Fliegerhorsts will Maisach bauen. (Foto: Günther Reger)

"Brachvögel brauchen es weitläufig", erklärt Weigl. Rückten Wälder, Hecken, Gebüsche oder Gebäude zu nahe an das Brutrevier heran, verlässt das Paar es. Zu groß erscheint ihnen dann die Gefahr, dass ein Raubtier sich an das Nest heranschleichen könnte. Ein Teil der Wiesen auf dem Fliegerhorst-Gelände wurde im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme extensiviert, das taugt den Brachvögeln offenbar. Dass sie in ein Gebiet zurückkehren, aus dem sie verschwunden waren, sei nach seinem Wissen in Bayern bisher nur zweimal passiert, sagt der Naturschützer. Einmal, vor wenigen Jahren, im Ampermoos. Und jetzt eben am Fliegerhorst.

Das zeige, dass das Gebiet ziemlich intakt sei. Deshalb gibt es dort auch eines der größten Vorkommen von Feldlerchen "weit über den Landkreis hinaus". Auch sie eigentlich Allerweltsvögel, die rar geworden sind. Ihre Ansprüche ähneln denen der Brachvögel - sie brauchen genügend Insekten und andere kleine Tiere als Futter und 100 bis 200 Meter Abstand von Strukturen, in denen Feinde sich verbergen könnten. Sonst versuchen sie erst gar nicht zu brüten.

Die Nester des Großen Brachvogels befinden sich am Boden, dadurch ist das Gelege vielen Gefahren ausgesetzt. (Foto: imago stock&people)

Weigl ist trotz aller Freude sehr besorgt. Er fürchtet, die Anwesenheit der Vögel könnte von kurzer Dauer sein. Denn ein großer Teil des Fliegerhorsts ist zwar FFH-Gebiet und steht damit nach europäischem Recht unter Naturschutz. Im Nordwesten aber befindet sich ein sieben Hektar großes Gelände, das nicht unter Schutz steht und bebaut werden soll. Entstehen sollen Wohnungen und ein Sportgelände mit einer Flutlichtanlage. Für den Naturschützer geht es darum, die gefährdeten Arten so lange zu bewahren, bis die Art und Weise der Bewirtschaftung es wieder zulässt, dass sie alleine überleben.

An die vorbeifahrenden Autos gewöhnten sich die Tiere, erklärt er. Eine Flutlichtanlage aber sei "extrem kritisch", nicht nur als Störfaktor für Brachvögel. Das Licht ziehe auch Massen von Insekten an, die dann an den Scheinwerfern zugrunde gehen. Eine solche Anlage hätte nach Weigls Einschätzung negative Auswirkungen auf den gesamten Fliegerhorst. "Die Gefährdung eines FFH-Gebiets für eine Freizeitnutzung halte ich für extrem fragwürdig", sagt er. "Muss man eine Sportanlage wirklich hier reinstellen?"

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