Egenhofener Familienbetrieb:Bodenschatz

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In Oberweikertshofen produziert die Familie Kellerer bereits in fünfter Generation Ziegel für den Hausbau. Lehm aus eigenen Vorkommen ist das Ausgangsmaterial für die Backsteine in verschiedenen Formen und Größen, die stabil, möglichst viel Energie einsparen, Schall verhindern und gleichzeitig recyclingfähig sein sollen

Von Erich C. Setzwein, Egenhofen

Beim Blick auf das Werksgelände sind der Grundstoff Lehm zusehen, die Photovoltaikanlage auf dem Hallendach sowie Lager und Verwaltungsgebäude mit dem Logo des Firmenjubiläums. (Foto: Kellerer GmbH/oh)

Der Duft aus der Tiefe ist ungewohnt. Es riecht ein wenig sauer, als das schwarze Förderband eine hellere Masse als zuvor unterhalb des Hallenbodens weitertransportiert. "Das kommt vom Papier", erklärt Michael Kellerer. Papier? Das dunkle Material, das dort aus verschiedenen Mulden mit verschiedenen Lehmsorten auf das Band fällt, gemischt und gewalzt wird, bis es weniger als einen Millimeter dick ist, soll doch einmal zu Ziegeln werden. Aber Papier im Lehm - und jetzt auch noch Sägespäne?

Wer die Ziegelei von Michael Kellerer in Oberweikertshofen, einem Ortsteil von Egenhofen, besuchen darf, der erfährt viel mehr, als den Vorgang, wie aus verschiedenen grauen Lehmsorten erst feuchte grüne und später rote Ziegel werden. Michael Kellerer belässt es nicht dabei, die 153 Jahre alte Familientradition einfach mit der Produktion von Ziegeln zum Hausbau fortzuführen. Ihm geht es um mehr, wie er bei einer Werksführung glaubhaft vermitteln kann. Schon lange will er mit den Produkten seiner Firma zur Energieeinsparung beitragen, zu nachhaltigem Bauen und kurzen Wegen, und seit einiger Zeit tüftelt der gerade 51 Jahre alt gewordene Ingenieur an einem besonderen Recyclingverfahren. Die Ziegel und Dämmstoffe abgebrochener Häuser will er so wiederverwerten, dass ein Kreislauf entsteht: Während aus seinen Lehmgruben neue Ziegel gemacht werden, kommen alte zurück und werden so verarbeitet, dass sie dem frischen Lehm zugeschlagen werden können.

Schon immer haben Baumeister altes Material wiederverwendet. Da wurden Tempel abgerissen und Kirchen daraus gebaut, da wurden Burgen geschleift und Schlösser errichtet. Meist wurden gleich die ganzen Steine verwendet oder sie wurden so behauen, dass sie wieder passten. Und dort, wo man Lehm fand, das ganz besondere Gemisch aus Ton und Sand, da wurden an Ort und Stelle Backsteine gebrannt und sofort verbaut. So hat man es auch Michael Kellerer erzählt über die Anfänge der Ziegelei vor 153 Jahren. Seine Vorfahren brachten die Ziegel für den Bau von Bauernhäusern und Ställen nicht mit, sie produzierten sie auf der Baustelle. Aus den Backsteinen von einst sind mit viel Wissen und noch mehr Erfahrung komplex berechnete und nach vielen Versuchen hochtechnische Baumaterialien geworden. Ob nun die Wärme im Haus gehalten werden soll oder der Schall möglichst nicht in andere Räume und Stockwerke übertragen werden darf - für Außen- wie für Innenwände gibt es spezielle Ziegel bei Kellerer. Mehr als 150 verschiedene Formen produziert die Firma, und was sie selbst nicht anbieten kann, weil die Nachfrage dafür zu gering ist, wird zugekauft.

Zu den 150 Ziegelsorten gehören auch solche, deren Hohlräume mit Dämmstoff gefüllt sind. (Foto: Carmen Voxbrunner)

800 Paletten mit frisch gebrannten Ziegeln verlassen täglich das Werk, genug für acht Einfamilienhäuser. Das Lager auf dem Werksgelände ist riesig, haushoch türmen sich die roten Ziegel. Jede Woche, sagt Michael Kellerer, werde der Lagerplatz einmal leer und wieder gefüllt. Die Lastwagen, die das Werk an der Ziegeleistraße in Oberweikertshofen täglich verlassen, verursachen einiges an Verkehrsbelastung. Das ist dem Firmenchef durchaus bewusst.

Doch wie wird aus dem Lehm, den Kellerer aus eigenen Gruben und weiteren in der Region herausholt, roter Ziegel? Die grün-graue Masse, die zum Strang geformt und mit Messern zu gleich großen Stücken geschnitten wird, ist feucht-glänzend und warm und muss erst einmal alle Feuchtigkeit verlieren, ehe der Brennvorgang beginnen kann. Stundenlang werden die Ziegel mit Heißluft getrocknet, danach erst bewegen sich die hitzebeständigen Transportwagen in den Ofen. Bei mehr als 900 Grad Brenntemperatur entwickelt sich dann aus dem im Lehm enthaltenen Eisen die rote Ziegelfarbe.

Roboter werden unter anderem zum Weitertransport der Ziegel eingesetzt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nicht alle Ziegel, die bei Kellerer vom Band laufen sind einfach nur eckig. Manchen haben sogar Zacken. Eine Form, auf die Kellerer seit Anfang der Neunzigerjahre ein europäisches Patent hat, sieht an den Seiten wie gekämmt aus. "Es ist eine wärmebrückenfreien Verzahnung", sagt der 51-Jährige, der seinen Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Keramik in Koblenz gemacht hat. Möglichst keine Wärme abfließen lassen, so viel Energie wie möglich sparen, diesen Anspruch stellt Kellerer an die Produkte. Deshalb stecken in der Masse auch Papier und Holzfasern. Die verschwinden beim Brand und hinterlassen winzigste Hohlräume, die luftspeichernden und wärmedämmenden Poren.

Energie einsparen mit seinen Produkten, das ist für Michael Kellerer das eine. Das andere ist der enorme Energieverbrauch bei der Herstellung. Lehm, der gefördert und geformt werden muss, die Motoren, die die Bänder am Laufen halten, die Hitze zum Trocknen und Brennen - dafür wird viel Erdgas verbrannt und viel Strom benötigt. Seit Neuestem produziert eine Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Halle Strom für den Eigenverbrauch. 750 Kilowatt Peak (kW/p) ist die Leistung. Ein normales Einfamilienhaus hat vielleicht so sechs bis zehn kW/p auf dem Dach. In den kommenden Tagen hat sich Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) zur offiziellen Eröffnung der PV-Anlage und zum Werksbesuch angesagt, und Firmenchef Kellerer freut sich auf den Besuch. Kellerer gehört der CSU an und sitzt im Gemeinderat von Egenhofen. Aber er ist auch ein Sprecher seiner Branche. Und wenn er dann schon die zuständige Ministerin in seiner Firma hat, dann möchte er ihr auch von den Sorgen und Nöten der Ziegeleien erzählen, seit sie durch die staatlich propagierte Holzbaukampagne ein wenig unter Druck geraten sind. Kellerer bezweifelt, dass der Hausbau mit heimischem Holz nachhaltiger ist und führt Beispiele von mehr als vier Jahrzehnten alten Fertighäusern an, die nun rückgebaut würden und an deren Stelle Häuser aus Ziegeln entstünden. Ziegel, sagt der Ziegelproduzent, hielten länger als die zum Verbund verklebten Span- und Dämmplatten.

Michael Kellerer. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das bringt Kellerer zurück zu seinen Bemühungen, einen Rohstoff- und Recyclingkreislauf zu entwickeln. Als Beispiel hat er sich Ziegel aus eigener Produktion genommen, deren Hohlkammern mit Styropor gefüllt sind. Dieser krümelige Stoff, dessen Abkürzung "EPS", ausgeschrieben expandiertes Polystyrol, heißt, wird nach dem Brennvorgang in die Ziegel gegeben und mit Wasserdampf bis an die Innenwände ausgedehnt. Da das EPS dort nicht kleben bleibt, lässt es sich im Recycling-Verfahren auch wieder trennen. Versuche macht Kellerer mit den Resten seiner Ziegel, die er von Baustellen zurücknimmt. So ganz zufrieden ist er mit den Ergebnissen zwar noch nicht, aber die Anlage befindet ja auch noch im Pilotstadium. Ziel sei, EPS und Ziegelschutt wieder einzusetzen und einen Kreislauf herzustellen. Das meint Kellerer nicht nur so, das ist auch auf dem Firmengelände zu sehen. Die Recyclinganlage steht nahe dem frischen Lehm, der grün und grau und fett auf einem Hügel aufgeschüttet wird, bis ihn ein Radlader portionsweise zu den Mulden bringt. Aus denen wird er dann mit Papier, Sägespänen und Mergel zu einer Mischung, die erst grün und weich daherkommt, um am Ende rot und hart zu werden.

Vor 153 Jahren begann die Ziegelei ihren Dienst. (Foto: Carmen Voxbrunner)
© SZ vom 24.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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