Landgericht München:Urteil gegen AfD-Kreisvorsitzenden wegen Volksverhetzung bestätigt

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AfD-Kreisrat Florian Jäger bei seinem Prozess am Brucker Amtsgericht Anfang Juli 2022. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Gericht verurteilt Florian Jäger im Berufungsverfahren wegen eines Facebook-Posts während der Pandemie. Darin hatte der AfD-Kreisrat die Corona-Maßnahmen mit der Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten verglichen.

Von Andreas Salch, München

Es bleibt vorerst dabei: Florian Jäger, Fürstenfeldbrucker AfD-Kreisrat und Vorsitzender des Kreisverbands der vom bayerischen Verfassungsschutz beobachteten Partei, ist laut Urteil des Landgerichts München II ein Volksverhetzer. Gegen die am Donnerstag verkündete, noch nicht rechtskräftige, Entscheidung in dem Berufungsverfahren kann der 52-Jährige noch vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht Revision einlegen.

Jäger hatte am 6. Dezember 2021 auf seiner Facebook-Seite ein Video und einen Post dazu veröffentlicht. Darin, so der Vorwurf der Ermittlungsbehörden, habe der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie als staatliche Willkür eingestuft und sie mit der Verfolgung der Jüdinnen und Juden in Deutschland durch die Nationalsozialisten insbesondere während der Novemberpogrome 1938 verglichen. Bei den Ausschreitungen wurden damals in ganz Deutschland jüdische Geschäfte geplündert und Synagogen in Brand gesteckt. Zudem misshandelten und ermordeten Schlägertrupps von Hitlers SA zahlreiche jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger.

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Der Oberstaatsanwalt nennt Jäger einen "Zündler", der "Benzin in Brände gekippt" habe

Das Video, das Jäger später löschte, trug den Titel: "Initiieren Markus Söder und andere Politiker einen 'Volkszorn' gegen Ungeimpfte?" In dem Beitrag spricht der AfD-Politiker davon, dass gegenwärtig "nach dem bekannten Muster ein Sündenbock für das katastrophale Politikversagen der Regierenden gesucht" werde. Und Markus Söder habe ihn gefunden. "Es ist der 'Ungeimpfte'''. Im Netz wurde Jägers Video und Post 3401 mal gelikt, 2598 mal geteilt. Außerdem kommentierten es 647 Leser.

Der Zentrale Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, hatte daraufhin den Erlass eines Strafbefehls wegen Volksverhetzung beantragt. Da Jäger dagegen Einspruch einlegte, kam es zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck. Es verurteilte den AfD-Kreisvorsitzenden zu einer Geldstrafe in Höhe von 5400 Euro (90 Tagessätze a 60 Euro), da er mit seinem Video und seinem Post unter anderem die Verbrechen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus verharmlost und bagatellisiert habe.

Gegen das Urteil der ersten Instanz legten Jäger aber auch Oberstaatsanwalt Franck Berufung ein. Während der AfD-Kreisvorsitzende in der Verhandlung vor dem Landgericht München II einen Freispruch forderte, verlangte Franck die Verhängung einer deutlich höheren Geldstrafe, nämlich 120 Tagessätze zu je 60 Euro. Dies hätte automatisch auch das politische Aus für Jäger als Kreisrat bedeutet, da er dann vorbestraft gewesen wäre.

Bei seiner Vernehmung wies der 52-Jährige am Donnerstag sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Unter den Kommentatoren seines Videos sei "kein Jude gewesen, der sich herabgesetzt gefühlt" habe. Er, so Jäger, habe in seinem Beitrag vielmehr davor "gewarnt", dass im Zuge der Maßnahmen gegen Impfkritiker nicht so etwas passiert, wie in der "Reichspogromnacht". Er habe eine "große Leidenschaft für Israel" und sei für das Existenzrecht des jüdischen Staates.

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Jägers Verteidiger, Rechtsanwalt Frank Miksch, bezeichnete in seinem Plädoyer die Ermittlungen gegen seinen Mandanten als "Maßnahme Kritiker der Regierungspraxis mundtot zu machen" und fügte hinzu: "Herr Jäger ist kein Antisemit und kein NS-Sympathisant, er gehöre zum "liberalen Teil der AfD". Oberstaatsanwalt Andreas Franck indes nannte Jäger einen "Zündler", der "Benzin in Brände gekippt" habe. Mit seinem Video habe er Impfgegnern eine "Blaupause erteilt", mit der sie sich "als Widerstandskämpfer stilisieren können". Das Video sei "boshaft und suggestiv", es habe das "Potenzial Gewalt zu provozieren".

Auch das Gericht wertete Jägers Beiträge letztlich als Volksverhetzung. Das Video habe die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit der Willkür und dem Unrecht der Nationalsozialisten gegen die Juden in Deutschland gleichgesetzt. Gleichwohl reduzierte das Gericht die in erster Instanz verhängte Geldstrafe auf nunmehr 90 Tagessätze a 30 Euro. Zur Begründung nannte der Vorsitzende Richter die Höhe der Mieten im Großraum München und dass der Angeklagte, der zurzeit eine Umschulung macht, ein Kind habe.

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