Klima:"Fridays for Future"-Aktivisten stellen 31 Forderungen an München

Klima: Schülerinnen und Schüler bei einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese im Mai.

Schülerinnen und Schüler bei einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese im Mai.

(Foto: Robert Haas)

Die Wünsche an die Stadt reichen von Pflichten für Bauherren bis zu mehr Bio-Produkten. Besonders einschneidend wären die Änderungen beim Verkehr.

Von Jakob Wetzel

Es ist ein Rundumschlag. Seit Januar gehen Schülerinnen und Schüler in München immer freitags für mehr Klimaschutz auf die Straße. Jetzt werden die Organisatoren der Kundgebungen konkret. 31 Forderungen an die Stadt München haben Vertreter des Münchner Ablegers von "Fridays for Future" am Dienstag in den Kammerspielen vorgestellt. Die Punkte reichen von einer entschlossen vorangetriebenen Verkehrs- und Energiewende über eine Pflicht für Bauherren, neue Häuser mit Solaranlagen auszustatten, bis hin zu dem Wunsch nach mehr Bio-Produkten auf der Wiesn und zu der Forderung, städtische Investitionen aus klimaschädlichen Industrien abzuziehen. Würden die Vorstellungen der Aktivisten umgesetzt, kämen große Veränderungen auf die Stadt und ihre Bewohner zu.

Besonders stark gilt das beim Verkehr. Im Einzelnen fordert "Fridays for Future München" hier umgehend eine autofreie Zone innerhalb des Münchner Altstadtrings. Bis spätestens 2025 solle dann auch der gesamte Bereich innerhalb des Mittleren Rings autofrei werden, heißt es. Ausnahmen soll es unter anderem für Rettungsfahrzeuge, öffentliche Busse und Lieferwagen geben. Bis dahin soll der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut werden, der spätestens 2025 zudem kostenlos werden soll. Um in der Zwischenzeit Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen, sollen Parkgebühren erhöht und eine City-Maut eingeführt werden. Ebenfalls spätestens ab 2025 soll es in der Stadt dann nur noch Fahrzeuge geben, die vor Ort kein Kohlenstoffdioxid ausstoßen, also zum Beispiel elektrisch fahren.

Erheblich einschränken wollen die Klimaschutz-Aktivisten den Flugverkehr. Im Erdinger Moos solle es keinesfalls eine dritte Startbahn geben, fordern sie. Außerdem sollen die Start- und Landegebühren erhöht werden, damit sich besonders Kurzstreckenflüge nicht mehr lohnen. Gestärkt werden soll dagegen der Radverkehr. Der Altstadt-Radlring, den das "Bündnis Radentscheid München" in einem bereits am Montag eingereichten Bürgerbegehren fordert, müsse bis 2022 realisiert werden, verlangt "Fridays for Future München". Fahrräder sollen im öffentlichen Nahverkehr kostenlos mitgenommen werden dürfen. Und entlang wichtiger Straßen soll es mehrspurige Fahrradtrassen geben.

Darüber hinaus fordern die Klimaschützer unter anderem, die Sanierungsrate bestehender Häuser deutlich zu erhöhen, um deren Energiebedarf zu senken. Möglichst alle Gebäude sollen ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Die Stadt soll zusätzliche Kraftwerke bauen, die erneuerbare Energien nutzen, und zwar vorzugsweise in München oder in der Umgebung. Und die Stadtplaner sollen den Einzelhandel sowie Stadtteilzentren stärken, damit die Münchner künftig weniger weite Wege zurücklegen müssen.

Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Im Rathaus werden die Bestrebungen der Schüler aufmerksam beobachtet. "Wir sind schon seit längerem in Kontakt", berichtet SPD-Stadtrat Jens Röver. Gerade beim Thema Verkehr, wo die Schüler klare Schwerpunkte auf umweltfreundliche Verkehrsmittel setzten, sei man sich in vielen Punkten einig. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Habenschaden fühlt sich durch die Initiative bestätigt. "Das stimmt mit vielen unserer Forderungen überein." Beim nächsten Treffen werde man über Details des Katalogs sprechen.

"Fridays for Future" hatte schon Anfang April Forderungen formuliert; damals verlangten Schülerinnen und Schüler bundesweit unter anderem den Ausstieg Deutschlands aus der Kohlenutzung bis 2030 sowie noch 2019 sowohl eine Steuer auf Kohlendioxid-Emissionen als auch ein Ende der Subventionen für fossile Energieträger. Nur so könne das bei der internationalen Pariser Klimakonferenz 2015 beschlossene Ziel, die globale Erwärmung verglichen mit 1850 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, eingehalten werden. Einige Ortsgruppen von "Fridays for Future" hätten daraufhin beschlossen, diese Forderungen lokal konkreter auszuarbeiten, unter anderem die Münchner, erklärt der 17-jährige Schüler Frank Squarra. Mit mehreren Dutzend anderen Mitgliedern hat er daraufhin Studien gewälzt und Forderungen zusammengetragen. Zuletzt stimmte das Plenum der Ortsgruppe in einer langen Sitzung basisdemokratisch über jeden Punkt ab.

"Es ist uns bewusst, dass unsere Forderungen zum Teil ambitioniert sind", sagt Vivienne Baltazar Castillo; die 21-jährige Medizin-Studentin zählt ebenfalls zu den Autorinnen und Autoren des Papiers. "Aber wir haben uns viel Mühe gegeben, nicht besonders radikal zu sein, sondern das Maß zu treffen, das notwendig ist, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten." Wissenschaftler von "Scientists for Future München" hätten den Forderungskatalog gegengelesen; sie würden die Forderungen unterstützen und bezeugen, dass alles technisch umsetzbar sei, sagt sie. Einer dieser Forscher bestätigt das: Die geforderten Maßnahmen seien "geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen Münchens auf null zu leisten", sagt der Physiker Michael Stöhr. "Sie sind auch allesamt technisch umsetzbar."

Die Schülerbewegung will mit den 31 Punkten nun an die Stadträte herantreten. Sie hätten bereits alle Fraktionen angeschrieben, sagt am Dienstag Benedikt Heyl von "Fridays for Future München". Einige hätten auch bereits zugesagt, sich mit den Schülern zu treffen. Alle müssten mithelfen, um das Klima zu schützen, ergänzt die Studentin Maya von Ahnen, nicht nur die Stadt München. "Aber wir wohnen hier - und warum hier nicht anfangen?" Ballungsräume seien schließlich global für einen Großteil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Und die Stadt München, heißt es im Papier der Klimaschutz-Aktivisten, habe mit ihren Hochschulen und dank ihres Reichtums "nahezu perfekte Voraussetzungen, um Vorreiter und Vorbild auf dem Weg zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Stadt zu sein".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: