Pflückroboter für Gewächshäuser und Felder:Robotik meets Gartenbau

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Hoch konzentriert: Ulrich Kaltenstadler kontrolliert, dass der Greifarm des Ernteroboters richtig platziert wird. (Foto: Katharina Jaksch)

Die TU München testet Pflückroboter bei der Paprika-Ernte - ganz ohne menschliche Hilfe geht es noch nicht.

Von Katharina Aurich, Freising

Rot und gelb leuchten die prallen Paprikaschoten im Grün der Staudenblätter. Sie sind reif, geerntet aber werden sie nicht von Menschenhand, sondern vom Greifarm eines Roboters. Der benötigt allerdings noch menschliche Unterstützung, denn der erste Prototyp seiner Art muss noch viel lernen. Besser gesagt, es gibt noch viel zu programmieren, bis der Roboter die Früchte zuverlässig erkennt, packt, aber nicht beschädigt und sie am Stiel abschneidet. Bisher wird der Greifarm mit dem Joystick bewegt.

Den Prototyp haben Robotik-Wissenschaftler der TU München entwickelt, gemeinsam mit Gartenbauwissenschaftlern testen sie ihn jetzt im Gewächshaus des Versuchszentrums der TU in Dürnast bei Freising. Die jungen Forscher haben Visionen: Eines Tages werde ein autonomer Ernteroboter die Paprika und viele andere Früchte ernten, davon ist Daniel Wahrmann-Lockhart, der im Fach "Robotik" promoviert, überzeugt. Die Paprikaschoten, botanisch eigentlich Beeren, seien für den Roboter und seine Konstrukteure eine echte Herausforderung, weil sie sich hinter großen Blättern versteckten und weil die Stiele dick, hart und ungleich geformt seien, schildert der Wissenschaftler. Viel einfacher sei es dagegen, Äpfel oder Tomaten von einem Roboter ernten zu lassen.

Sein Sensor tastet die Pflanze von oben nach unten ab. Erkennt er eine Frucht, fährt ein Arm zur Paprika

Wie in Zeitlupe fährt das Gerät in einer schmalen Gasse zwischen den Pflanzenreihen hindurch, stoppt neben einem Paprikastrauch, sein Sensor tastet die Pflanze von oben nach unten ab. Erkennt er eine Frucht, fährt ein Arm zur Paprika, eine Greifzange umschließt sie. Bisher muss Julian Kammerer mit einem Joystick, oben auf dem Roboter sitzend, den Greifarm exakt führen. Die Anweisungen gibt sein Kommilitone Ulrich Kaltenstadler, damit die Zange die Frucht genau in der Mitte packt und sie nicht etwa zerdrückt. Dann löst der Robotik-Student die Schere aus, die den Stiel durchtrennt.

Kammerer und Kaltenstadler studieren "Robotics, Cognition, Intelligence", ein in Deutschland einmaliges Fach. Es verknüpft die Ingenieurdisziplinen Maschinenbau und Elektrotechnik mit der Informatik, denn künftige Roboter und kognitive Systeme sollen interaktiv und intuitiv mit ihrer Umgebung und dem Menschen zusammen arbeiten. Sie werden dadurch immer komplexer. Für ihre Masterarbeit lernten die Studenten, wie man einen Roboter konstruiert, programmiert, aber auch, welche Schwierigkeiten es dabei gibt und wie man dafür immer wieder Lösungen findet, erläutert Wahrmann-Lockhart. Und sie analysierten die Daten, die der Prototyp liefert, denn der Roboter für die Paprikaernte steht erst am Anfang seiner Entwicklung.

Pflückroboter werden in Zukunft die Arbeit der Menschen übernehmen, sagt der Forscher

In Zukunft werden die Maschinen nach und nach die Arbeit auf Feldern und in Gewächshäusern übernehmen, davon ist der Forscher überzeugt. Ein Grund dafür seien die Mindestlöhne, den die wenigsten Gemüsebaubetriebe dauerhaft bezahlen könnten. In Deutschland würden auf 60 Hektar unter Glas Paprika produziert und man wolle diese Produktion hier halten, denn regionale Erzeugung sei wichtig, sagt der Wissenschaftler. Da dies mit Arbeitskräften unwirtschaftlich sei, werde wohl in Zukunft immer häufiger ein Ernteroboter eingesetzt, vermutet Wahrmann-Lockhart. Ähnlich ist das in großen Milchkuhställen, wo oft schon Roboter melken und die menschliche Arbeitskraft fast ersetzen. Aber für den Wissenschaftler sind es mehr als wirtschaftliche Überlegungen. Ihn faszinierten Roboter von Kindesbeinen an und er wollte verstehen, wie künstliche Intelligenz funktioniert. Im Zuge eines EU-Projekts arbeite er nun schon seit vier Jahren an dieser Maschine.

Ein ganz anderes Problem untersucht Immanuel Jaufmann in seiner Bachelorarbeit. Denn das Rütteln an den Blättern durch den Greifarm verursache Stress, die Pflanzen wachsen anschließend langsamer. Deshalb sollen die Paprikasträucher in Zukunft robotergerecht erzogen, die Wuchsform so verändert werden, dass die Schoten an geraden Stilen wachsen und nicht mehr von Blättern verdeckt würden, schildert Jaufmann. Es werde nicht mehr lange dauern, bis ein Roboter pflanzenfreundlich und schonend die Paprika vom Stengel schneidet, glaubt das Team im Gewächshaus.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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