Mehr Grün für Freising:Bäume schaffen Lebensqualität

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Pflanzenbewuchs an den Häusern kann vor Überhitzung schützen. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Arbeitskreis Stadtgrün ringt um jede Pflanze, um frische Farbe in das graue Einerlei der Hauptstraße zu bringen. Mehr Bewuchs an Fassaden und vor Häusern könnte in Zeiten des Klimawandels vor Überhitzung schützen.

Von Petra Schnirch, Freising

Die Freisinger Innenstadt hat in Teilen bereits ihr neues Gesicht erhalten, in der unteren Altstadt ist der Umbau abgeschlossen. Die Reaktionen darauf sind überwiegend positiv, allerdings ist gerade der öffentliche Raum in der Hauptstraße ziemlich grau. Der Arbeitskreis Stadtgrün setzt sich hier für Verbesserungen ein - und "wir ringen um jeden einzelnen Baum", sagt Gartenplanerin Bettina Köhne. Mit Erfolg. Jüngst konnten im Dialog mit der Pfarrei zwei der drei Säulen-Robinien an der Stadtpfarrkirche Sankt Georg gerettet werden, die für ein großes Gerüst weichen sollten.

Wie sich Städte gegen die zunehmende Erhitzung durch den Klimawandel und Starkregen wappnen können, ist in Wissenschaft und Stadtplanung eines der großen Themen. Das Forschungsprojekt "Grüne Stadt der Zukunft", an dem auch Wissenschaftler der TU München (TUM) in Weihenstephan beteiligt sind, hat es ins Finale des Deutschen Nachhaltigkeitspreises geschafft. Darin werden beispielsweise Dach- und Fassadenbegrünungen empfohlen. Mehr Mut dazu würde sich der Arbeitskreis Stadtgrün auch in Freising wünschen.

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Ein Rundgang durch die Stadt zeigt Schwachpunkte und Potenzial auf

Bei einem kleinen Stadtrundgang an einem Novembertag zeigen vier Mitglieder des Arbeitskreises, wo sie Schwachpunkte und wo Potenzial sehen. Was sich auch zeigt an diesem Montagvormittag: Schön durch die Hauptstraße flanieren ist eher schwierig, weil die Fußgänger dauernd für Autos, Sprinter und Lastwagen Platz machen müssen.

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Der Parkplatz an der VHS soll umgestaltet werden.

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In der Altstadt gibt es kaum Grün, bemängelt der Arbeitskreis Stadtgrün.

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Immerhin: Am Weißbräu Huber wurden Bäume erhalten.

Los geht der Spaziergang an der General-von-Nagel-Straße. Vor dem Weißbräu Huber konnten drei große Bäume erhalten werden, den Straßenumbau aber hätten sie beinahe nicht überlebt, wie Baumsachverständiger Björn Bauroth erzählt. "Den Bäumen ging es sehr schlecht." In die kleine freie Fläche um die Stämme hätten Bauarbeiter alles Mögliche hineingekippt, im Wurzelbereich befanden sich größere Mengen Beton und Asphalt, die die Baufirma wieder entfernen musste.

Die Klimawirkung ist bei älteren Bäumen besser

Mit Dünger und viel Pflege habe man die Bäume schließlich retten können. Auf einem der Stämme wachsen fünf bis zehn Moosarten, wie Hanno Schaefer erklärt. Er hat an der TUM die Professur für Biodiversität der Pflanzen inne. "Biodiversität schließt auch Moose ein", sagt er. Bei jungen Bäumen müsse man mehr als 20 Jahre warten, bis dieser Zustand erreicht werde. Auch die Klimawirkung sei bei älteren Exemplaren deutlich besser.

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Wanderbäume machen das fehlende Grün in der Stadt nicht wett.

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Vor der St. Georgs Kirche gibt es noch ein paar Bäume.

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Bettina Köhne engagiert sich für mehr Stadtgrün.

Seit etwa zwei Jahren gibt es den offenen Arbeitskreis in Freising schon, 30 bis 40 Mitstreiterinnen und Mitstreiter gehören ihm an, darunter Naturschützer, junge Klimaschützer, Wissenschaftler und Landschaftsarchitekten. Einmal im Monat sind Treffen geplant, was die Pandemie derzeit aber unmöglich macht. In Freising und am Campus in Weihenstephan gebe es so viel Expertise, sagt Bettina Köhne - und Einfallsreichtum. In einem der zurückliegenden Hitzesommer wässerten Forststudierende bei einer "tree bucket challenge", in Anlehnung an die bekannte "ice bucket challenge", Freisings Stadtbäume.

Wanderbäume sind aus Öko-Sicht "eine Art Feigenblatt"

Köhne hofft, dass der Arbeitskreis und vor allem auch die Bürger bei neuen Projekten künftig stärker einbezogen werden, etwa bei den Planungen zur Neugestaltung des ehemaligen Hofgartens neben dem VHS-Gebäude an der Kammergasse. Derzeit befindet sich dort ein großer Parkplatz. Sie seien "keine renitente Gruppe", betont Björn Bauroth, "wir würden unser Potenzial gern zur Verfügung stellen. Vieles könne die Stadt gar nicht leisten, sagt Schaefer, beispielsweise abends mit Hausbesitzern zu telefonieren. Positiv bewertet der Arbeitskreis, dass die Stadt eine von fünf bayerischen Modellkommunen für ein Klimaanpassungskonzept ist.

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Die Resonanz auf die Neugestaltung der Innenstadt ist überwiegend positiv, dass in der Unteren Hauptstraße aber nur ein Baum gepflanzt werden konnte, daran stören sich viele Freisinger. In der Oberen Hauptstraße, dem aktuellen Bauabschnitt, aber ...

Nächster Halt auf dem Stadtspaziergang ist an der Ecke Heiliggeistgasse/Untere Hauptstraße. Einziger grüner Blickfang - oder zumindest das, was um diese Jahreszeit davon übrig ist - sind die Wanderbäume in ihren bunten Pflanztrögen, die im Sommer schön fürs Auge sind, aus ökologischer Sicht "aber eine Art Feigenblatt", sagt Schaefer. Da sich das Wurzelwerk in den Trögen nicht ausbreiten könne, könnten die Bäume nicht größer werden. Aber es sei "besser als nichts". Erst etwas weiter oben in der Unteren Hauptstraße, vor der Sparkasse, steht ein fest verpflanzter Baum, die Bank davor sei bei schönem Wetter ein richtiger Treffpunkt, sagt Landschaftsarchitektin Andrea Merzoug.

Die Stadt führt Leitungen und Sparten im Untergrund gegen mehr Grün an

Dabei gibt es in Freising sehr viel Grün, die grünen Hänge von Domberg, Weihenstephaner Berg oder Lankesberg sowie Isardamm und Isarauen ragen weit in die Stadt hinein. Die Innenstadt aber sei eine "künstliche Barriere für die artenreichen Lebensräume in Freising", schildert Schaefer. Für Vögel sei die "Betonwüste" nicht so dramatisch, aber für Insekten wie Wildbienen, die nur wenige hundert Meter weit fliegen. Er bedauert es deshalb, dass im Zentrum keine begrünten Buswartehäuschen aufgestellt werden. Damit könnten Biotop-Trittsteine geschaffen werden - sofern sie vielfältig bepflanzt werden. Schaefer betreut das Freisinger Vorzeigeprojekt, bei den Stadtwerken habe der Arbeitskreis damit offene Türen eingerannt.

Solche Trittsteine können auch Fassadenbegrünungen sein, etwa mit Rosen und anderen Kletterpflanzen. Von dem Angebot, vor den Häusern kleine Lücken im Pflaster für Bepflanzungen offen zu lassen, haben in der Unteren Hauptstraße allerdings nur wenige Hausbesitzer Gebrauch gemacht. Besser sieht es in den kleineren Gassen aus, wie im Mittleren und Oberen Graben oder in der Kirchgasse.

Dass bei der Neugestaltung der Altstadt nicht mehr Bäume gepflanzt wurden, begründet die Stadt mit den vielen Leitungen und Sparten im Untergrund. Mehr Grün wäre trotzdem möglich, glaubt Bettina Köhne, zum Beispiel mit extensiver Dachbegrünung. Auch Garagen in der Altstadt bieten sich nach ihren Worten für bepflanzte Dächer an. Viel Potenzial sieht Andrea Merzoug auch in vorgehängten, begrünten Fassaden. Sie wünscht sich eine eigene Stelle bei der Stadt, die sich um solche Fragen kümmert und die Bürger berät. Bettina Köhnes Vision: Sie würde es freuen, wenn Interessierte in "zehn, fünfzehn Jahren nach Freising pilgern, um ein vorbildliches Stadtgrün zu bewundern". Auf dem Weg dorthin würde der Arbeitskreis gerne mitarbeiten. "Seit eineinhalb Jahren scharren wir mit den Hufen."

© SZ vom 04.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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