Mobilitätswende in Freising:Mehr zahlen für den ruhenden Verkehr

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Die Stadt hat ein Konzept auf den Weg gebracht, das auf deutlich höhere Gebühren auf öffentlichen Parkplätzen setzt und zum anderen ein Parkausweissystem für Anwohner vorsieht.

Von Kerstin Vogel, Freising

Seit Jahren ist die Verkehrswende das große Thema der Stadt Freising. In der aufwendig umgebauten City sollen dereinst möglichst wenig Autos fahren. Mit der Nordostumfahrung und der Westtangente sind zwei Umgehungsstraßen fertiggestellt, die helfen sollen, den motorisierten Verkehr um die Stadt zu leiten - und erst vor wenigen Tagen hat der Stadtrat zusätzlich zu seinem Mobilitätskonzept noch einen Vertrag mit dem "Bündnis Radentscheid" abgeschlossen, der einmal mehr den baldigen Umbau zur fahrradfreundlichen Kommune festschreibt. Als weiterer Baustein ist im Planungsausschuss nun noch ein Konzept für eine "Parkraumbewirtschaftung" auf den Weg gebracht worden, das auf den ruhenden Verkehr abzielt - und das Parken teurer machen wird.

Die Vision für das neue Freising ist durchaus attraktiv: Eine Altstadt mit geöffneter Moosach, modernem Kulturzentrum im sanierten Asamgebäude, ein ebenfalls saniertes Diözesanmuseum auf dem frisch aufpolierten Domberg und ein öffentlicher Raum, der vor allem für die Menschen da ist und in dem man sich gerne aufhält. Hektarweise versiegelte Flächen, die ausschließlich dazu dienen, Autos abzustellen, passen indes nicht wirklich in dieses Bild, von den Notwendigkeiten, dem Klimawandel auch im Bereich des Individualverkehrs zu begegnen, noch gar nicht geredet.

Die Autos werden mehr, weil die Region wächst

Doch auf der anderen Seite wächst die Bevölkerung Freisings im direkten Einzugsgebiet von München sowie des Münchner Flughafens seit Jahren stetig. Die Pendlerzahlen nehmen zu - und damit werden auch die Autos eher mehr statt weniger. Der Konzept-affine Freisinger Stadtrat hatte, aus all dem schließend, nun zunächst ein Parkraumbewirtschaftungskonzept in Auftrag gegeben, dessen erste Ergebnisse für die nähere Umgebung der Innenstadt Dirk Ohm (Ingenieur-Büro IVAS) am Mittwoch im Ausschuss vorgestellt hat.

Kritik gab es dabei mit Blick auf die Altstadt unter anderem am bestehenden Parkleitsystem, das Ohm zufolge nicht nur bei Großveranstaltungen überfordert ist. Wichtige Parkplätze seien dort auch nicht integriert, was zu mehr ungeliebtem Parksuchverkehr führe. Außerdem hat die Analyse eine hohe Auslastung der Parkplätze an der Kammergasse ergeben, wohingegen die Altstadt-nahen Parkhäuser recht unterschiedlich frequentiert sind.

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Generell gar keine oder zu geringe Parkgebühren

Generell bemängelte Ohm gar keine oder zu geringe Parkgebühren, die kaum eine Steuerungsfunktion erfüllen könnten. Das Kontingent für Dauerparker in der Innenstadt sei zudem erschöpft. Auf dem P & R-Platz am Bahnhof gebe es keine Reserven mehr, gleichzeitig würden enorme Flächen in Anspruch genommen - und weil die Parkplätze dort kostenfrei seien, gebe es keinerlei Anreiz, auf das Auto zu verzichten.

Für Lerchenfeld hält die Analyse eine teilweise starke Auslastung des öffentlichen Raums fest, an der Erdinger Straße sei dadurch die Erreichbarkeit eines zentralen Bereichs bereits eingeschränkt. Auch in anderen Bereichen ergibt sich eine zum Teil hohe Auslastung des Parkraums, an der Auenstraße sind es beispielsweise vor allem die Anwohner, die ihre Autos auf der Straße stehen haben, an der Gartenstraße hat Ohm dagegen auch einen hohen Anteil an Kurzparkern festgestellt.

Sehr viele private Stellplätze werden als Lagerplätze zweckentfremdet

Manch ein Stadtrat zeigte sich vor allem darüber verwundert, dass Ohm bei seinen Untersuchungen keinen überproportionalen Anteil an so genannten Flughafenparkern festgestellt hat - das sind Flugreisende, die ihre Autos für die Dauer ihrer Abwesenheit lieber auf einem kostenfreien Parkplatz in Freising abstellen als im teuren Flughafenparkhaus. Dass das ein geringeres Problem darstellt als erwartet, dürfte zum einen auf den Zeitpunkt der Erhebungen außerhalb der Ferien zurückzuführen sein, aber auch die geringere Reiselust in der herrschenden Corona-Pandemie könnte eine Rolle spielen.

Der Analyst selber wurde von der hohen Zahl an Bewohnerparkplätzen in der Stadt überrascht. Das habe er so noch in keiner vergleichbaren Stadt gesehen, sagte Ohm - wobei es auch hier einen Kritikpunkt gab: Sehr viele dieser Stellplätze würden zweckentfremdet: für Fahrräder, Tischtennisplatten und ähnliche Gerätschaften.

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"Der ruhende Verkehr darf die Stadt eigentlich nichts kosten"

Abhilfe schaffen soll nun ein Konzept zur Parkraumbewirtschaftung, das zum einen auf deutlich höhere Gebühren auf öffentlichen Parkplätzen setzt und zum anderen ein Parkausweissystem für Anwohner vorsieht. "Der ruhende Verkehr darf die Stadt eigentlich nichts kosten", mahnte Ohm: "Das muss man nur so organisieren und den Mut dazu aufbringen", sagte Ohm: "Ich hatte bisher aber nicht den Eindruck, dass es ihnen in Freising an Mut fehlt."

Zu den konkreten Maßnahmen, die der Ingenieur aus seiner Analyse abgeleitet hat, zählen unter anderem genug dauerhaft nutzbare Stellplatzkapazitäten rund um die Altstadt, eine Einschränkung der öffentlichen Nutzung der Tiefgarage am Domberg, "die man guten Gewissens nicht empfehlen kann", höhere Parkgebühren in der Innenstadt, durchgängig gebührenpflichtiges Parken auch über die Innenstadt hinaus - und ein Pilotprojekt mit einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung in Lerchenfeld. Für den P&R-Platz am Bahnhof regte Ohm ebenfalls eine Bewirtschaftung an sowie eine Kapazitätsanpassung eventuell durch eine Palette - "nur ebenerdig können wir uns das auf Dauer nicht vorstellen".

Mit bisher 30 Euro für Bewohnerparkausweise ist es nicht getan

Als kleinere Maßnahme empfahl er beispielsweise die Etablierung einer Börse für private Stellplätze etwa über die Homepage der Stadt Freising. Auch die Weiterentwicklung des Parkleitsystems und die Entwicklung von Regularien für Bewohnerparkausweise stehen auf Ohms Liste - wobei er klarstellte, dass es hier mit den bisher dafür vorgegebenen 30 Euro im Jahr nicht getan sei. Dass so ein Bewohnerausweis nicht günstiger sein könne als ein angemieteter Stellplatz, darüber herrschte im Ausschuss Einigkeit - Robert Weller (FW) sprach sich sogar für einen möglichst hohen Preis aus.

Die Einzelheiten des Parkraumbewirtschaftungskonzepts und speziell auch des Pilotprojekts in Lerchenfeld sollen nun von der Verwaltung erarbeitet werden, so der Beschluss des Ausschusses. Ein weiteres Gutachten soll außerdem eine mögliche Parkraumbewirtschaftung auch für den ebenfalls von Parkdruck belasteten Stadtteil Neustift prüfen - auch mit Blick auf die geplante neue Bebauung auf dem "Erdbeerfeld". Eine Gegenstimme kam von Nicolas-Pano Graßy, der sich mit den geplanten Gebühren auf dem P&R-Platz am Bahnhof nicht anfreunden konnte.

© SZ vom 11.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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