Luftfilteranlage in Klassenzimmern:"Wenn es etwas bringt, dann machen wir es"

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Beim Forschungsprojekt "Sicheres Klassenzimmer" geht es um eine effektive Belüftung von Klassenzimmern, um die Virenlast so gering wie möglich zu halten. Der Landkreis Freising beteiligt sich mit 20 000 Euro daran.

Von Peter Becker, Freising

Der "Faktor Mensch" spielt eine wesentliche Rolle bei der Belüftung von Klassenzimmern an den Schulen im Landkreis Freising während der Pandemie. So lautet ein Fazit, das Christian Schwarzbauer von der Hochschule München an diesem Montag während einer Online-Pressekonferenz in seinem Zwischenbericht zum Forschungsprojekt "Sicheres Klassenzimmer" vorstellte. In diesem geht es um eine möglichst effektive Belüftung von Klassenzimmern, um dort die Virenlast so gering wie möglich zu halten. Die Landkreis Freising fördert diese Projekt zur Erforschung von Lüftungssystemen mit 20 000 Euro.

Landrat Helmut Petz (FW) sagte, dass es am Landratsamt keine Fachleute zur Belüftung von Klassenzimmern gebe. Darum hole die Behörde den Rat von Experten ein. Diese sollten verschiedene Methoden wie Stoßlüften, mobile Luftreinigungsgeräte und raumlufttechnischen Anlage (RLT) auf ihre Effektivität hin untersuchen. "Wenn es etwas bringt, dann machen wir es", entgegnete Petz auch Vorwürfen, die am Freitag während des Jugendkreistags geäußert wurden. Den Kreispolitikern wurde unter anderem Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Sie sparten an der Gesundheit der Schüler.

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Der Landkreis hat mittlerweile 111 mobile Luftreinigungsgeräte gekauft

Petz sagte, in einem ersten Überblick habe die Untersuchung 29 schlecht belüftbare Klassenzimmer in Trägerschaft des Landkreises ausgemacht. Diese Anzahl ist mittlerweile auf etwa 70 gestiegen, weshalb der Landkreis am kommenden Donnerstag in einer außerordentlichen Sitzung des Schulausschusses des Kreistags weiter 500 000 Euro zur Ausstattung der Klassenzimmer mit Raumluftreiniger bewilligen soll. Florian Plajer, Leiter der Hoch- und Tiefbauamts, sagte, dass die Forschungsergebnisse eine hohe Transparenz für die Entscheidung der Kreisräte lieferten. Der Landkreis habe mittlerweile 111 mobile Luftreinigungsgeräte gekauft.

Schwarzbauer bezog sich in seinem Zwischenbericht auf die Ergebnisse, die zwischen dem Beginn des Schuljahres bis zum 3. Dezember gewonnen wurden. Das Projekt läuft noch bis zu den Sommerferien weiter. Die Wissenschaftler messen die Luftqualität in den Klassenzimmern unter realistischen. Co₂-Werte werden direkt an die Forscher übermittelt. Aus diesen lässt sich die Virenlast ermitteln. Statistisch gesehen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass in einem Klassenzimmer ein Schüler oder eine Schülerin sitzen könnte, der oder die an Corona erkrankt ist.

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Alle 20 Minuten zu lüften, wäre ideal - aber schwer einzuhalten

Exemplarisch stellte Schwarzbauer Ergebnisse aus Klassenzimmern aus Landkreisschulen anonymisiert vor. Er nannte ein "Musterbeispiel", wie gut Stoßlüften funktionieren kann. Allerdings nur, wenn dies wie vom Umweltbundesamt empfohlen, alle 20 Minuten geschieht. Wie Messergebnisse zeigten, falle die CO₂-Konzentration - und damit auch die Virenlast - sehr schnell ab. "Das setzt natürlich Disziplin voraus", betonte Schwarzbauer. Bis auf drei Ausreißer sei in diesem Klassenzimmer "fantastisch gelüftet" worden. Dass die Vorgabe, alle 20 Minuten die Fenster aufzumachen, schwer einzuhalten ist, darüber ist sich Schwarzbauer im Klaren. Er vermutet, dass an den drei Tagen die konsequente Lehrkraft durch eine Aushilfe ersetzt worden ist. Die gemessenen Werte legen ein hohes Infektionsrisiko nahe.

Schwarzbauer legte die Auswertung für ein weiteres Klassenzimmer vor, in dem die Luft durch mobile Reinigungsgeräte gefiltert wird. Dort waren die CO₂-Werte oft in einem schlechteren Bereich. Schwarzbauer vermutet, dass sich sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler zu sehr auf diese Apparate verlassen haben und darüber das Lüften vernachlässigten. Weil diese Geräte aber Aerosole filtern, schaut es insgesamt beim Infektionsrisiko besser aus. Schwarzbauer vermutet, dass an einigen auffälligen Tagen der "Luftstrom auf Null" gestellt worden war. Dann bestehe ein "hohes Risiko". Co₂-Konzentration und Virenlast steigen enorm.

Raumlufttechnische Anlagen gelten als effizient und leise

Die "Königsdisziplin" des Lüftens ist laut Schwarzbauer die RLT-Anlage. "Sie ist effizient und leise", sagte der Wissenschaftler. Im geringen Geräuschpegel liegt aber eine Gefahr, wie die Auswertung von Messergebnissen. Im betreffenden Klassenzimmer stieg die CO₂-Konzentration an einigen Tagen extrem an. Das Risiko, sich mit Corona anzustecken, stieg auf einen Wert von 130 Prozent. Nachforschungen ergaben, dass es an diesen Tagen eine Betriebsstörung gab, die erst spät bemerkt wurde. "Die dicke Luft war wahrnehmbar", sagte Schwarzbauer. Auf die Idee, ein Fenster zu öffnen, kam offenbar niemand. Man verließ sich zu sehr auf die Technik. Außerdem gibt es die Empfehlung, bei RLT-Anlagen auf das Öffnen von Fenstern zu verzichten. Das irritiert deren Sensorik.

© SZ vom 14.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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