Geschlossene kinderpsychiatrische Praxis in Freising:Zumindest fragwürdige Methoden

Lesezeit: 2 min

Online-Rezensionen lassen erahnen, dass die Arbeitsmethoden der kürzlich geschlossenen kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis wohl ungewöhnlich waren. Nun melden sich auch Eltern von früheren Patienten zu Wort.

Von Thilo Schröder, Freising

Nicht erst mit ihrer Schließung war die einzige kinder- und jugendpsychiatrische Praxis in Freising für seltsames Gebaren bekannt. So schilderte es zuletzt eine Psychotherapeutin aus dem Landkreis. Von zumindest fragwürdigen Arbeits- und Managementmethoden in den Räumen von Denise Quitterer und Olaf Schukai war die Rede, von mutmaßlichem Abrechnungsbetrug, häufigen Personalwechseln und unseriösen Diagnosen. Aus Online-Rezensionen von Patientenseite ließ sich erahnen, dass an den Anschuldigungen etwas dran sein könnte. Nun melden sich auch Eltern von früheren Patienten öffentlich zu Wort und erheben schwere Vorwürfe gegen die Praxis.

Ein Gespräch, ein paar Tests und das wars

Sylvia Hütt etwa berichtet von ihren Erfahrungen mit der Landshuter Zweigstelle schon vor über zehn Jahren. "Ich hatte damals die Praxis in Landshut aufgesucht wegen Schulproblemen meines Sohnes. Es wurden ein paar Tests gemacht, anschließend ein Gespräch, das so ablief: Der Herr saß hinter seinem Computer, sah nur auf den Bildschirm und sagte 'mit den Werten können Sie froh sein, wenn Ihr Sohn überhaupt eine Ausbildung schafft'." Zwei Stunden habe der Psychiater für diese Diagnose gebraucht.

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Auf Details möchte Hütt heute nicht weiter eingehen, es sei ja sehr lange her, sagt sie. Dass die damalige Diagnose aber nicht nur in der offenbar etwas unsensiblen Wortwahl wenig zutreffend war, zumindest auf lange Sicht, zeigt der weitere Lebensweg ihres Sohnes. "Heute hat mein Sohn die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung als Reiseverkehrskaufmann", sagt die Mutter. Und fügt hinzu: "Uns wurden damals keine Therapievorschläge, Empfehlungen oder sonst was mit auf dem Weg gegeben."

"Irgendwie komisch"

Ihre Tochter habe noch Mitte dieses Monats einen Termin der kinderpsychiatrischen Praxis in Freising gehabt, schreibt Alina Paternostro auf Facebook. "Sind nach Freising umsonst gefahren..." Sie habe dann in anderen Praxen von Schukai und Quitterer angerufen, doch auch diese seien dauerhaft geschlossen gewesen. "Irgendwie komisch", schreibt sie weiter.

Die kinder- und jugendpsychiatrische Praxis in Freising sowie weitere Standorte in Landshut, Abensberg (Landkreis Kelheim) und Eggenfelden (Landkreis Rottal-Inn) waren zum Jahreswechsel offenbar überraschend und ungewöhnlich kurzfristig geschlossen worden. Entsprechende Einträge im Internet waren gelöscht worden, Nachbarn wussten zumindest in Freising nichts Genaueres über den Verbleib der Inhaber zu berichten. Anfragen blieben unbeantwortet.

"Auch was Gutes, wenn manche Praxen aus dem Leben scheiden"

"Wundert mich nicht!", kommentiert Lis Sy via Facebook die mutmaßliche Schließung. "Reinste Abzocke und absolutes Desaster diese Praxis.... Sehr unseriöse Methoden und da wird die hilflose Situation von Patienten und Angehörigen definitiv ausgenutzt." Und das in "eh schon nicht einfachen Situationen", in denen sich die Betroffenen befänden. Traurig sei das und "schlimm genug, dass das nicht schon früher aufgefallen ist...."

Einen positiven Kommentar hat Facebook-Nutzerin Mirjana Vujakovic mit Blick auf mögliche Lehren aus den Praktiken der Praxis übrig: "Hat auch was Gutes, wenn manche Praxen aus dem Leben scheiden. Vielleicht entpuppt sich das anfänglich Negative zu was Positivem in Zukunft für betroffene Kinder."

© SZ vom 26.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Die einzige kinder- und jugendpsychiatrische Praxis in Freising ist überraschend geschlossen worden, alle Einträge im Internet sind gelöscht. Zurück bleiben Patienten, überlastete Therapeuten und verzweifelte Eltern.

Von Thilo Schröder

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